Letzte Aktualisierung:  06. Juli  2015, PK

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Peter Knauer SJ

Zu Gerhard Ebelings "Dogmatik des christlichen Glaubens"

"Fundamentalunterscheidung" und "Lebensbezug" als theologische Grundkategorien


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ThPh 59 (1984) 393–413.

ZUSAMMENFASSUNG:
Rezension zu G. Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens, Band I: Prolegomena, T. 1. Der Glaube an Gott, den Schöpfer der Welt; Bd. 2: T. 2. Der Glaube an Gott, den Versöhner der Welt; Band 3: T. 3. Der Glaube an Gott, den Vollender der Welt, J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1979.


Diese dreibändige Dogmatik enthält die „Haupternte" eines „Lebens mit der Theologie im kirchlichen Dienst und an der Universität" (V). Sie ist in der gleichen ungewöhnlich präzisen Sprache geschrieben, die die früheren Veröffentlichungen Ebelings kennzeichnet; dennoch ist sie ein ganz neues Werk, in dem sich keine einfachen Wiederholungen von bereits früher Gesagtem finden, sondern alles erneut bedacht wurde. Jede Seite lädt zu langer Meditation ein; daran hindert zeitlich nur der Umfang von 1602 Seiten. Gerhard Ebelings Denken läßt sich im Gegensatz zu Vermischen oder Trennen als unterscheidendes In-Beziehung-Setzen kennzeichnen und entspricht darin in einer in heutiger Theologie eher seltenen Weise der grundlegenden Anweisung chalzedonensischer Christologie für die Theologie überhaupt. Im Folgenden soll versucht werden, das Werk in seinem Gesamtduktus und in seinen Grundaussagen vorzustellen. Die Darstellung ist zustimmend, wo nicht Anfragen formuliert werden.

Ebeling folgt in der Haupteinteilung den drei Artikeln des Credo. Der Glaube soll dreifach entfaltet werden als Glaube an Gott den Schöpfer der Welt, als Glaube an Gott den Versöhner der Welt und als Glaube an Gott den Vollender der Welt. In jeder dieser drei Hauptüberschriften wird die Welt in Hinblick auf Gottes Handeln an ihr zum Thema (71). Und jedesmal geht es zugleich um eine Situationsbestimmung in Bezug auf den Menschen als Sünder: „im Hinblick auf sein durch die Sünde nicht aufgehobenes Geschöpfsein inmitten der Geschöpflichkeit der Welt vor Gott dem Schöpfer; ferner im Hinblick auf sein die Sünde nicht bagatellisierendes, sondern allererst groß machendes Versöhntsein durch Christus mit Gott inmitten der von ihrer Versöhnung so wenig ahnenden unversöhnten Welt; schließlich im Hinblick auf sein Unterwegssein in der Welt als Gerechter und Sünder auf das Ziel und Ende hin, wo durch den Tod hindurch die Sünde aufgehoben wird und alles zur Vollendung kommt" (72f.).

In der weiteren Unterteilung wiederholen sich für jeden der drei Hauptteile in je veränderter Reihenfolge dieselben Hauptgesichtspunkte: Glaube, Gott, Welt, Mensch. Im ersten Hauptteil stehen diese Gesichtspunkte in der genannten Reihenfolge: Der Glaube an Gott als den Schöpfer der Welt bestimmt die Situation des Menschen (74). Im zweiten, christologischen Hauptteil nimmt die Darstellung ihren Ausgang von "Gott in Christus", schaut dann auf den "Menschen Jesus" und wendet sich der "von Gott geliebten Welt" zu; und dies alles zielt auf den "Glauben an Jesus Christus" ab (75f.). Der dritte, pneumatologische Hauptteil beginnt mit dem "Menschen in Christus", behandelt sodann den "rechtfertigenden Glauben" (außer der Rechtfertigungslehre die Lehre von Wort und Sakrament sowie die Ekklesiologie) und die "Überwindung und Vollendung der Welt", um in eine Summe des Ganzen, "Gott alles in allem", einzumünden. So steht die Trinitätslehre ähnlich wie bei Schleiermacher erst am Schluß.

Formgesetze dieser Dogmatik sind, daß zugunsten der materialen Dogmatik Prolegomena insgesamt knapp gehalten werden und daß weitestgehend auf historische Materialdarbietung zugunsten der die Sache selbst verantwortenden theologischen Aussage verzichtet wird (vgl. 11, 4). Ein Grundkriterium rechten Umgangs mit den Aussagen des Glaubens ist nach Ebeling, sie in ihrer "konzentrischen Kohärenz" (50) zu erfassen: alle Glaubensaussagen hängen vom Grund des Glaubens her miteinander zusammen und führen auf ihn hin, sind also letztlich immer nur Entfaltung des einen und einzigen Geheimnisses unserer Gemeinschaft mit Gott. Sie verhalten sich nicht additiv zueinander. Es gehört zu den Hauptaufgaben der Rechenschaft über den Glauben, erkennbar werden zu lassen, daß der Glaube ein unteilbares Ganzes ist; wenn es Teile der Glaubensrechenschaft geben kann, so doch nicht Teile des Glaubens selbst (III, 51).

Nach diesem Gesamtüberblick sollen nun die drei Bände im einzelnen dargestellt werden. Die gelegentlichen kritischen Anfragen verstehen sich als ein Mitdenken von einem zumindest ähnlichen Grundansatz relationaler Theologie her. In der Einteilung folge ich den Bänden (römische Zahlen) und ihren Kapiteln (arabische Zahlen mit Punkt).

 

I.

Der eigentlichen Dogmatik gehen Prolegomena (9-76) über Aufgabe, Quellen, Verfahren und Aufbau der Dogmatik voran. Sie lassen keinen Zweifel daran, daß der Glaube primär als etwas zu verstehen ist, "was aus dem Wort entspringt und von dem zugesprochenen Wort lebt als das Sich-Verlassen auf eine Zusage. Auch die grundlegende Bestimmung, daß Glaube Gottesbezug ist, enthält vom biblischen Gottesverständnis her diesen Bezug auf das Wort" (83).

Von daher könnte verwundern, daß Ebeling die materiale Dogmatik dann anders (?) beginnen läßt, nämlich mit einer Besinnung auf das Phänomen des Glaubens. Müßte nicht Ausgangspunkt aller Theologie ausdrücklich das Konfrontiertsein mit der Botschaft sein, die von sich behauptet, "Wort Gottes" zu sein, aber nur im Glauben als "Wort Gottes" erfaßt werden zu können? Die geschichtliche Existenz dieser Botschaft und damit zugleich unser Konfrontiertsein mit ihr sind im voraus zur Glaubenszustimmung von jedermann erkennbar. Die Wahrheit der Botschaft dagegen kann einem letztlich nur in der Weise aufgehen, daß man ihren Inhalt als Antwort gerade auf das Problem der Nichtselbstverständlichkeit von "Wort Gottes" und von Gemeinschaft mit Gott erfaßt. Wie ist nämlich die Rede von einem "Wort Gottes" mit der für Gott in Anspruch genommenen absoluten Transzendenz vereinbar? Der Unterscheidung zwischen der Feststellung der Existenz der christlichen Botschaft und der Glaubenseinsicht in ihre Wahrheit entspricht die Unterscheidung zwischen der historischen und der systematischen Aufgabe der Theologie. Christologisch gewendet geht es letztlich um die Unterscheidung und Inbeziehungsetzung von Menschsein und Gottsein in Jesus. Bringt also Ebeling im Aufbau dieser Dogmatik das systematische Gewicht der Tatsache genügend zur Geltung, daß das Konfrontiertsein mit der christlichen Botschaft der Glaubenszustimmung vorausgeht und daß alle theologische Besinnung, selbst wenn sie anders voranzugehen scheint, de facto darin ihren Ausgangspunkt hat? Selbstverständlich hat das Konfrontiertsein mit der christlichen Botschaft anthropologische und theologische Voraussetzungen, deren man jedoch ebenfalls nur vom Konfrontiertsein mit der christlichen Botschaft her als dessen Voraussetzungen ansichtig wird.

Bei Ebeling setzt die materiale Dogmatik nicht mit dem Konfrontiertsein mit der christlichen Botschaft, sondern mit einer Besinnung auf das Phänomen des Glaubens ein, was "implizit ohnehin der rote Faden des Ganzen" (80) ist. Der Glaube als religiöses Phänomen und als unterschieden vom rationalen Denken sei, "wie immer man ihn beurteilen mag, unzweifelhaft eine Gegebenheit" (79). Dem Glauben kommt also für Ebeling hier genau die Funktion zu, die vielleicht eher der Existenz der christlichen Botschaft zuzuschreiben wäre.

In einer eindringenden Analyse setzt Ebeling Glauben in Beziehung zunächst zum Phänomen des Lebens überhaupt, sodann zu Religion und zum Denken als verschiedenen Lebenswirklichkeiten. So soll schon die einführende Besinnung auf Gott und auf den Glauben dazu anhalten, "das Verhältnis zur Wirklichkeit im ganzen im Auge zu haben, die unabhängig vom Glauben und ohne von Gott zu reden gegeben und als wirklich zu erfahren jedem zumutbar ist" (90). Unter den Stichworten Selbstentfaltung, Potentialität, Endlichkeit, Irreversibilität, Interdependenz, Individualität, Identität, Internität, Bildsamkeit und Sprachlichkeit werden Hauptaspekte des Lebensphänomens entfaltet (96-104). Die Aussagen über das Verhältnis von Glaube und Leben konzentrieren sich auf die Fundamentalunterscheidung zwischen diesem und dem ewigen Leben; es geht dabei um das eine Leben, "jedoch in Hinsicht auf die Problematik dieses Lebens, die gerade im Zeichen des Zerrissenseins und Gespaltenseins, der Nichtidentität steht" (110).

Ebeling definiert sodann Religion als "die geschichtlich geformte vielgestaltige Verehrung einer Manifestation des Geheimnisses der Wirklichkeit" (117). Gewiß handelt es sich um eine vom christlichen Verständnis her beeinflußte und mit seiner Hilfe gewonnene Definition, die sich jedoch tatsächlich daran zu bewähren scheint, daß sie "ein Höchstmaß an Gesamterfassung und an Trennschärfe im einzelnen" (121) für die Untersuchung der einzelnen Religionen mit sich bringt. Sie erlaubt es zugleich, durch die Unterscheidung zwischen allgemeinen religiösen Bedürfnissen und Impulsen einerseits und speziellen religiösen Offenbarungen anderseits auf das Phänomen der Religionslosigkeit mit seiner Tendenz auf Religionsersatz und Kryptoreligion und seiner Sprachlosigkeit, Ausdrucksarmut und Unfähigkeit zur Lebensgestaltung einzugehen (124).

Angesichts des Religiösen überhaupt bestimmt Ebeling das Absolute am Christentum als die "Relativierung christlicher Religion durch das Evangelium" (134) und die "Relativierung der Religionen auf das Evangelium hin" (136). "Das Christliche, worin auch immer es im einzelnen bestehen mag, kommt nur dann als wahr in Betracht, wenn es dem Evangelium gemäß verstanden und in Brauch genommen ist." (135) "Nur in dem Maße, wie alles am Christentum auf Jesus Christus bezogen und auf ihn hin relativiert wird, hat es an der Wahrheit teil." (ebd.) Es bleibt deshalb "die eigentlich missionarische Aufgabe des Christentums, dieses radikale Umdenken in bezug auf die Bedeutung von Religion zu befördern und eben dazu Jesus Christus in aller Welt zu verkünden. Die dabei dennoch sich vollziehende Gewinnung für das Christentum als Religion ist jedoch nicht das Entscheidende, vielmehr dies, daß in bezug auf Religion als ein notwendiges und zugleich doch so problematisches Moment des Menschseins die Wahrheit aufleuchtet." (137)

Der christliche Glaube nimmt damit die Gestalt einer "religiösen Religionskritik" (ebd.) an. Der Glaube wird zum Kriterium der Religion. Gemeint ist damit "die im Christentum selbst aufweisbare und für es charakteristische, von daher aber auch für das Religionsphänomen im ganzen aufschlußreiche Unterscheidung zwischen der Religion als vielgestaltigem Gebilde und dem Evangelium, das von einer enormen religionskritischen Kraft ist, so jedoch, daß dadurch die Religion zu ihrer Wahrheit gebracht werden soll" (138).

Diese von der antireligiösen Religionskritik zu unterscheidende, aus dem Evangelium entspringende religiöse Religionskritik bewirkt, daß sich der entscheidende Gegensatz von Glaube und Unglaube nicht mit dem von Religion und Religionslosigkeit und auch nicht mit dem von Zugehörigkeit zur christlichen Religion und Zugehörigkeit zu einer anderen Religion deckt (ebd.). Einerseits kann das Evangelium nicht ohne Religion existieren, weil es immer nur in Relation zum Gesetz dasein und wirksam sein kann und zur sachgemäßen Interpretation des Gesetzes die religiöse Dimension unumgänglich ist (139). Anderseits kann das Evangelium dann nur in einer Spannung zur Religion laut werden. Deshalb ist das Christentum selbst nicht ohne weiteres als die wahre Religion zu bezeichnen. "Wohl aber kann man sagen: Die im Sinne des Evangeliums in Brauch genommene christliche Religion ist die zur Wahrheit gebrachte Religion." (ebd.)

Zum Verhältnis des Glaubens zur Vernunft weist Ebeling darauf hin, daß die Vernunft als solche ständig von Unvernunft und der Glaube als solcher ständig von Unglauben bedroht ist (155); in der Sprache der biblischen Überlieferung heiße diese Bedrohung "Sünde". "Unter der Sünde als der Macht, welche die Lebenssituation des Menschen faktisch bestimmt, widersteht die Vernunft dem einzigen, was dem Menschen unter der Macht der Sünde Freiheit gewährt, dem wahren Glauben." (156) Hier liegt im Gegensatz zu den Scheinkonflikten der echte Konflikt zwischen Glaube und

Vernunft als die Wurzel auch der Scheinkonflikte: "Die Vernunft als die höchste Möglichkeit der Selbstbetätigung des Menschen widersetzt sich dem Glauben, der das Sündersein des Menschen anerkennt und sein schlechthinniges Abhängigsein von der Gnade bejaht." (ebd.) In der gesamten Dogmatik wird es um diese Fundamentalunterscheidung zwischen dem gehen, was der Mensch aus sich selbst, und dem, was er allein aufgrund der Gnade Gottes vermag (157).

2. Das zweite Kapitel des ersten Teils erläutert die Bedeutung des Wortes "Gott" und gliedert sich in unüblicher Weise nach den verschiedenen Gestalten des Sprachlichseins Gottes: Reden über Gott, Reden zu Gott und Reden von Gott her. Die Gotteslehre hat dabei infralapsarisch einzusetzen, will sie nicht in Situationsvergessenheit geraten, anstatt sich mitten in die wirkliche Situation des Redens von Gott zu begeben und sie in die Reflexion einzubeziehen (169).

In einer vorläufigen Bestimmung führt Ebeling als eine erste Erläuterung des Wortes "Gott" den bereits in seiner Religionsdefinition gebrauchten Begriff "das Geheimnis der Wirklichkeit" ein. Mit diesem Begriff soll die Situation gekennzeichnet sein, der der Mensch letztlich ausgesetzt ist (187).

Eine solche vorläufige Bestimmung hat für sich, daß die biblische Tradition tatsächlich auf einen auch sonst bestehenden Gebrauch des Wortes "Gott" Bezug nimmt, der sich sicher so umschreiben läßt. Soll der Gottesbegriff jedoch genau bestimmt und überprüfbar werden, würde es sich m. E. empfehlen, ihn von vornherein direkt aus der Aussage der Geschöpflichkeit der Welt zu bestimmen: Gott ist als der auszusagen, "ohne den nichts ist". Alle Wirklichkeit der Welt verweist in der Weise auf ihn, daß sie ohne ihn überhaupt nicht sein kann. Die Wirklichkeit der Welt ist eine Gegebenheit, deren restlose Relationalität sich daraus erkennen läßt, daß alles in ihr Einheit von Gegensätzen ist; diese Einheit von Gegensätzen läßt sich nur so von der Behauptung eines logischen Widerspruchs unterscheiden, daß man sie als "restloses Bezogensein auf ... / in restloser Verschiedenheit von ..." versteht.

Der hermeneutische Schlüssel zur Gotteslehre ist für Ebeling das Gebet (193). Die Tatsache des Redens zu Gott bringt schärfer die Behauptung des Seins Gottes zum Ausdruck, als es die bloße Existenzaussage tut (213). Das Gebet ist die Wahrnehmung der "Grundsituation" des Menschen in einer konkreten Situation (197). Unter der "Grundsituation" des Menschen versteht Ebeling "diejenige Situation, die für das Menschsein konstitutiv ist und die allen nur denkbaren Situationen des Menschen als letztlich bestimmend zugrundeliegt und in ihnen präsent ist" (189). Die Grundsituation des Menschen besteht letztlich in seiner Geschöpflichkeit. Geschöpflichkeit ist allerdings ein Sachverhalt, der in der Metaphysik-Tradition einer Substanzontologie nicht sachgemäß aussagbar ist; die Substanzontologie stellt hier vielmehr eine "zerstörerische Auswirkung der Sünde" dar (224).

Unter "Substanzontologie" ist diejenige Auffassung zu verstehen, die vom in sich Seienden ausgeht, um es nachträglich mit anderem in Beziehung zu bringen. Die Behauptung der Geschöpflichkeit der Welt erfordert jedoch, in einer "relationalen Ontologie" davon auszugehen, daß das Sein des welthaft Seienden nicht als Selbständigsein, sondern als Abhängigsein zu verstehen ist; und zwar nicht nur im Sinn einer einmaligen Abhängigkeit am Anfang, um überhaupt ins Sein zu treten, sondern im Sinn einer bleibenden Abhängigkeit. "Das Geschaffensein der Kreatur bestimmt ihr Sein als die bleibende konstitutive Relation zu Gott und Gottes zur Kreatur" (221); es soll damit bestritten werden, daß Geschöpflichkeit nur eine zusätzliche Wesenseigenschaft des welthaft Seienden ist; vielmehr ist das welthaft Seiende selbst in seinem Sein Geschaffensein, so daß nichts von ihm übrig bliebe, wenn man sein Geschaffensein wegstreichen könnte.

Diese Grundaussage erscheint mir jedoch bei Ebeling mit einigen problematischen Zusatzaussagen verbunden zu sein, die sich jedenfalls nicht selbstverständlich aus der Grundaussage selbst ergeben. Zu dem Satz "Das Sein der Kreatur ist nicht anders denn als Geschaffensein" fügt Ebeling hinzu: "Das Sein Gottes ist nicht anders denn als Schaffendsein" (221). Geschaffensein besagt nach seiner Auffassung nicht nur die Relation der Kreatur zu Gott, sondern auch "Gottes zur Kreatur" (ebd.). Daß Geschaffensein in seiner eigenen Realität völlig in einer Relation aufgeht, bedeutet also eo ipso auch eine Relation in der umgekehrten Richtung? Gewiß sind wir gewohnt, in der Welt unserer Erfahrung alle Beziehungen letztlich als Wechselbeziehungen zu verstehen. Das Gott-Welt-Verhältnis kann nicht so gedacht werden. So gibt auch Ebeling selbst zu bedenken, daß die Vorstellung einer solchen spiegelbildlichen Relation dazu führt, das Verhältnis doch wiederum als das zweier gegeneinander selbständiger Größen zu verstehen, die erst nachträglich vergleichsweise zueinander in Beziehung gesetzt werden (222).

Ich halte die Einsicht in die Einseitigkeit der Relation des Geschaffenen auf Gott, wonach die Welt jedenfalls niemals konstitutiver Terminus einer Relation Gottes auf sie werden kann, geradezu für den Schlüssel zum Verständnis der christlichen Botschaft und gleichzeitig für den Schlüssel zur Überwindung der gegenseitigen konfessionellen Mißverständnisse. Zunächst scheint mit der Behauptung der Einseitigkeit der realen Relation des Geschaffenen auf Gott jede Gemeinschaft von Menschen mit Gott ausgeschlossen. Aber gerade auf diesem Hintergrund verkündet die christliche Botschaft eine Beziehung Gottes auf die Welt, die nicht an der Welt ihren sie als Beziehung konstituierenden Terminus hat. Die Welt wird aufgenommen in eine Beziehung Gottes auf Gott, in die Liebe des Vaters zum Sohn; und diese Beziehung besteht von Ewigkeit. Erst von daher wird verständlich, daß die christliche Rede von Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist notwendig ist, um überhaupt von einem Heilshandeln Gottes, von Offenbarung und von Gemeinschaft des Menschen mit Gott sprechen zu können.

Als problematisch möchte mir auch Ebelings Auffassung erscheinen, daß das Geschaffensein aller weltlichen Wirklichkeit immer nur dem Glauben zugänglich sei. Die Behauptung der Geschöpflichkeit widerspreche dem unmittelbaren Umgang mit dem kreatürlichen Sein, "bei dem man von einem solchen Ins-Sein-gerufen-Sein nichts vernimmt. Man kann durchaus von einem Sein sprechen, ohne auf den Ruf zu hören, dem es sich verdankt. In diesem Widerspruch zum Augenschein sich zu befinden, ist nun aber in jedem Fall die Situation des Glaubens, sosehr er an den Dingen selbst der Hinweise gewahr wird und Andeutungen vernimmt, die das Unzulängliche des banalen Verständnisses von Sein als in sich selbst gründendem Vorhandensein erkennen lassen." (221f.) Wenn die Geschöpflichkeit der Welt wirklich mit dem Sein der Welt identisch ist und genau in dem Maße besteht, als ein Seiendes überhaupt ist, dann müßte sie m. E. auch an diesem Seienden als solchem ablesbar sein (was nicht ausschließt, daß es zu einer solchen Erkenntnis der Geschöpflichkeit vielleicht einer logischen Vermittlung bedarf und der Augenschein nicht genügt). Die Welt als Gottes Schöpfung ist das von ihm Verschiedene, das auf ihn verweist, während es im Glauben um seine Selbstmitteilung an eben diese Welt aufgrund des "In Christus" ihres Geschaffenseins geht. Das "In Christus" unseres Geschaffenseins ist allerdings nur dem Glauben zugänglich und damit reine Glaubenswahrheit. Nur die Selbstmitteilung Gottes ist allein dem Glauben zugänglich.

Gerhard Ebeling will das Sein der Welt relational als "Zusammensein" mit Gott verstanden wissen (222). Dadurch scheint es möglich zu werden, die infralapsarische Situation als "Störung und Zerstörung" dieses Zusammenseins von seiten des Menschen zu verstehen: "Der Begriff der Störung ist angebracht im Hinblick auf die Unaufhebbarkeit des Zusammenhangs Gottes mit der Welt, der Begriff der Zerstörung dagegen im Hinblick auf das seitens des Menschen aufgekündigte und durch ihn nicht reparable Zusammensein mit Gott. Wie im Zusammensein das Gegenübersein nicht ein Gleichgewicht meint, sondern den unumkehrbaren Richtungssinn von der schlechthinnigen schöpferischen Ursächlichkeit Gottes zur schlechthinnigen Abhängigkeit des Menschen, so kommt dieser Primat Gottes auch darin zum Ausdruck, daß die Betroffenheit des Zusammenseins durch die Sünde das Sein Gottes beim Menschen nicht aufhebt, wohl aber das Sein des Menschen bei Gott" (234).

Nach meinem Eindruck bleibt diese Redeweise noch unklar. Sie hört sich an, als wisse man zuerst um Gott und seine schlechthinnige schöpferische Ursächlichkeit, um von daher die schlechthinnige Abhängigkeit des Menschen aussagen zu können. So schreibt Ebeling: "Die Aussageintention des Begriffs der creatio ex nihilo ... haftet ganz und gar am Gottesgedanken" (309), als sei letzterer das Kriterium für das Verständnis von Schöpfung aus dem Nichts und nicht umgekehrt. Dem entspricht,dass Ebeling in seiner Wiedergabe der traditionellen Gotteslehre die Reihenfolge "via negationis", "via eminentiae", "via causalitatis" (238) wählt, was eigentlich diese Lehre unverständlich werden läßt (vgl. Thomas v. Aquin, De Potentia, q 7 a 5 ad 2); denn wie will man von Gott aussagen, daß er "der ganz andere" sei, ohne zunächst überhaupt das Reden von ihm zu begründen? Auch in II, 352 werden die "via eminentiae" und die "via negationis" nicht im Sinn der genuinen Analogielehre verstanden.

Verhält es sich nicht vielmehr umgekehrt, daß die weltliche Wirklichkeit als in ihrem ganzen Eigensein aufgehend in Relation auf ein solches anderes zu verstehen ist, das nur durch die Restlosigkeit der Relation auf es überhaupt ausgesagt werden kann? Und diese Relation geschöpflicher Abhängigkeit ist als solche als eine einseitige reale Relation der Welt auf Gott auszusagen, die es zunächst noch keineswegs erlaubt, eine Gemeinschaft mit Gott für positiv möglich zu halten. Die christliche Botschaft verkündet, daß tatsächlich eine reale Beziehung Gottes auf die Welt und damit eine Gemeinschaft mit Gott nur in der Weise aussagbar ist, daß die Welt in eine Beziehung Gottes auf Gott, des Vaters zum Sohn aufgenommen wird. Außerhalb des Glaubens bleibt das Aufgenommensein der Welt in die Liebe des Vaters zum Sohn verborgen, und diese Verborgenheit wirkt sich in der Weise aus, daß der Mensch aus der Angst um sich selbst lebt. Das ist mit dem Sündersein des Menschen gemeint. In Ebelings Darstellung scheint mir unverständlich zu bleiben, wie es überhaupt zur Sünde, die das Sein des Menschen bei Gott aufhebt, kommen kann, solange sich der Mensch wirklich in Gottes Liebe geborgen weiß. Muß man nicht sagen, daß Sünde nur möglich ist, wenn und insofern jemand sich nicht in der Gemeinschaft mit Gott weiß?

Ebeling entfaltet im weiteren auch die Lehre von den Attributen Gottes in ganz ungewohnter, aber zum Verständnis sehr hilfreicher Weise vom Gebet her. Die Gott zukommende Anrede entspricht der Heiligkeit Gottes mit ihren beiden Aspekten der Verborgenheit und Nähe (241 f.); das Gott zukommende Lob entspricht der Doxa Gottes, wie sie sich in seiner Ewigkeit und in seiner Schöpfermacht erweist (242f.); das Gott zukommende Vertrauen entspricht seiner Liebe als Gnade und Wahrheit (243f.).

Bei der weiteren Entfaltung des Gottesbegriffs aufgrund des "Redens von Gott her" bietet Ebeling einen ersten Zugang zu der Lehre von der Offenbarung. Der deus absconditus, von dem alle Wirklichkeit in einer nicht zu hinterfragenden Weise abhängt und "der in seiner Allmacht hinter allem steht, was geschieht, auch hinter dem Schrecklichsten und Fürchterlichsten, hinter all den Sinnlosigkeiten der Geschichte" (256), ist zugleich der deus revelatus, dessen wahrer Wille und dessen Herz in Jesus Christus offenbar geworden sind (257). So ergibt sich im Licht des Inkarnationsglaubens eine äußerste Präzisierung des Offenbarungsverständnisses: "Das Geheimnis der Wirklichkeit wird unendlich geheimnisvoller im Geheimnis der Offenbarung." (ebd.)

3. Erst nach diesen ersten Erläuterungen zum Gottesverständnis geht Ebeling im dritten Kapitel seines ersten Hauptteils auf die Lehre von der Schöpfung und der Erhaltung ein; letzterer Begriff beziehe sich darauf, daß die Welt trotz der Sünde des Menschen im Sein erhalten wird (324). Auch hier wieder scheint Ebeling der Auffassung zu sein, die Schöpfungsaussage sei jedenfalls infralapsarisch sachgemäß nur als Glaubensaussage zu verstehen: "Die creatio ex nihilo ist nur dann als Glaubensaussage verstanden, wenn um der Gottheit Gottes willen die Welt in dem Falle als nichtig geglaubt wird, daß ihr Sein ganz oder teilweise außerhalb des Zusammenseins mit Gott gegründet sein soll" (309); anderseits sei es jedoch "erst in Hinsicht auf die Sünde" notwendig, "von der Schöpfung als einer Sache des Glaubens zu reden" (316).

Meines Erachtens ist allein das Geschaffensein "in Christus", also die Tatsache, daß wir in die Liebe des Vaters zum Sohn hineingeschaffen sind, Sache des Glaubens, nicht aber auch die Tatsache, daß Gott der ist, "ohne den nichts ist". Damit soll nicht bestritten sein, daß diese letztere Aussage erst im Kontext des Wortes Gottes, in dem es um unser In-Christus-Geschaffensein geht, zu einer wohltuenden wird, ja sogar erst in ihrem Kontext ausdrücklich in den Gesichtskreis kommt. Die offenbare Präsenz Gottes in seinem Wort "wäre nicht in einer Gott angemessenen Weise sagbar ohne die Anerkennung seiner Präsenz an allen Orten seiner Herrschaft als Schöpfer" (315). In der Tat, wie sollte die Gemeinschaft des Menschen mit Gott die Angst des Menschen um sich selbst entmachten können, wenn Gott nicht der wäre, der in schlechthin allem, was geschieht, mächtig ist?

Wäre es möglich so fragt Ebeling −, daß Naturwissenschaft einmal der Schöpfungslehre ihre Grundlage entzöge? Seine Antwort lautet: Es verhält sich damit ähnlich wie mit dem rein theoretisch denkbaren historischen Nachweis, Jesus habe nie gelebt, und seiner Auswirkung auf die Christologie (304). Ebeling fährt überraschenderweise fort: "Der hypothetische Irrealis, dem Schöpfungsglauben könnte durch die Naturwissenschaft die Voraussetzung entzogen werden, dürfte, wenn er sich dennoch bewahrheitete, allenfalls eine tiefgreifende Umformulierung des Schöpfungsglaubens zur Folge haben wie jener historisch irreale Fall in bezug auf den Christusglauben." (ebd.)

Muß man nicht eher sagen, daß in beiden Fällen der christliche Glaube nichtig würde? Vgl. dazu Ebelings Aussage in II, 10, daß die Bindung an den historischen Jesus für die christliche Botschaft schlechterdings konstitutiv ist. Die Geschöpflichkeit der Welt und die Historizität Jesu − beides m. E. Vernunftwahrheiten, die nicht selber geglaubt werden können − partizipieren in dem Sinn an der Verläßlichkeit des Glaubens, daß der Glaube Mut dazu macht, es auf jede Infragestellung dieser seiner Grundlagen ankommen zu lassen. Der Glaube gibt die Zuversicht, daß es immer möglich sein werde, solche Infragestellungen zu entkräften.

Es ist m. E. fundamentaltheologisch von allergrößter Bedeutung, daß man den christlichen Glauben immer von einer Immunisierungsstrategie unterscheiden kann. Das ist aber nur möglich, wenn sich angeben läßt, unter welchen Bedingungen er als widerlegt zu betrachten wäre. Der christliche Glaube wäre widerlegt, wenn jemand die Nichtgeschöpflichkeit der Welt oder die Nichthistorizität Jesu nachweisen könnte. Allerdings rechnet der Glaube nicht damit, daß es tatsächlich jemals gelingen werde, solche Nachweise zu führen, und ist deshalb furchtlos bereit, sich mit allen derartigen Versuchen auseinanderzusetzen; denn er ist dessen gewiß, stets auf sie antworten zu können. Glaubensgewißheit sucht geradezu positiv nach jeder Gelegenheit, sich zu bewähren.

Auch im zweiten Band (II, 384) geht Ebeling noch einmal auf dieses Problem der rein hypothetischen Nichthistorizität Jesu ein: "Das überlieferte Selbstverständnis des christlichen Glaubens würde zweifellos schwer getroffen, wenn die Historizität Jesu tatsächlich entfiele." Aber auch dann wäre "nicht zu erwarten, daß zusammen damit schlechterdings alles seine Wahrheit und Kraft einbüßte, was in der christlichen Glaubensüberlieferung beschlossen liegt" (ebd.). Dies erscheint als eine wichtige Präzisierung, bei der der Unterschied zu einer Immunisierungsstrategie angebbar bleibt. Ohne die Historizität Christi wäre der christliche Glaube als solcher tatsächlich widerlegt, was aber noch nicht heißen müßte, daß schlechthin alles an ihm sinnlos ist.

4. Das letzte Kapitel des ersten Teils der Dogmatik bedenkt den Glauben an Gott als den Schöpfer in bezug auf das Menschsein des Menschen.

Auch hier finde ich in Ebelings Text selbst Anzeichen dafür, daß seine Auffassung, Geschöpflichkeit als solche sei nur dem Glauben zugänglich, problematisch bleibt: Das Zentrum des komplexen Sachverhaltes der Gottebenbildlichkeit des Menschen liege darin, daß hier der Schöpfer und die geschaffene Wirklichkeit zueinander in ein Verhältnis gesetzt werden, "das in der bloßen Geschöpflichkeit nicht aufgeht" (377). Die Gottebenbildlichkeit des Menschen will im Unterschied zu dem, was der Mensch als Geschöpf von sich aus ist, als "diejenige Sicht des Menschen verstanden werden, in der der Mensch selbst zur Sache des Glaubens wird" (414).

Für das christliche Verständnis von Sünde ist nach Ebeling die Unterscheidung von Sündersein und Sündetun maßgebend; es handelt sich um die theologische Fundamentalunterscheidung in Hinsicht auf die Sünde. Das Sündersein des Menschen besteht darin, daß er von sich aus ein Ungläubiger ist. Deshalb ist die Grundsünde der Unglaube, und es gibt nichts, was als Folge der Sünde ansprechbar wäre und sich nicht auf diese Wurzel zurückführen ließe (374). Eine Folge der Grundsünde ist die Tatsünde, die in der Lieblosigkeit besteht. Und sie ihrerseits hat als Sündenfolge die Hoffnungslosigkeit (375).


II.

Der zweite Band ist der Christologie gewidmet und setzt mit einer Einführung in diese ein. Während der erste Glaubensartikel von der Schöpfung "ganz allgemeiner Art ist, ausgerichtet auf die Gesamtwirklichkeit aller Zeiten und in ihrem Verhältnis und in enger Nachbarschaft zu außerchristlicher religiöser Weltdeutung, steht der zweite Glaubensartikel im Zeichen eines ganz bestimmten historischen Ereignisses und seiner Bedeutung für das Verhältnis von Gott und Welt" (7).

In der Einführung geht es zunächst um das Verhältnis von Christologie und Soteriologie. "Von Jesus Christus kann nicht die Rede sein, ohne daß vom Heil der Welt gesprochen wird." (5) Christliche Soteriologie ist in bezug auf das Verständnis sowohl von Unheil wie von Heil am Gottesverhältnis orientiert. Nach ihr hat das Unheil als Verkehrung des Verhältnisses zu Gott allein im Menschen, das Heil als die Zurechtbringung dieses Verhältnisses und damit des Menschen selbst allein in Gott seinen Ursprung (9). Deshalb hat christliche Soteriologie ihr inneres Kriterium an der Christologie, die Jesus als den Sohn Gottes bekennt und ihn als den Grund des Glaubens versteht. "Christologie wäre sinnlos ohne das Reden von Gott, das heißt: ohne darüber Auskunft zu geben, wie sich Jesus und Gott zueinander verhalten." (12) Eine entscheidende Probe auf theologische Kohärenz besteht für Ebeling darin, "ob deutlich wird, inwiefern die soteriologischen Aussagen wie etwa die Rechtfertigung aus Glauben  auf Christologie angewiesen sind und sich aus ihr ergeben" (13).

Der Christologie kommt gegenüber der Soteriologie der Primat zu, allerdings recht verstanden nicht vor, sondern innerhalb der Soteriologie selbst (14). Gemeint ist damit letztlich wohl der entscheidende Sachverhalt, daß Jesus Christus als Gottes Wort in Person zwar nur im Glauben als Gottes Wort erkannt, aber nicht erst durch den Glauben zu Gottes Wort gemacht wird. "Das Christliche an der Soteriologie wäre eingebüßt, wenn das, was in Christus erschienen und geschehen ist, und das, was in jedem Glaubenden aufleuchtet und geschieht, unterschiedslos ineinander verschmelzen." (ebd.) Vielmehr ist die Unterscheidung zwischen Christus und dem Glauben an ihn soteriologisch ebenso fundamental wie auf ekklesiologischer Ebene die Unterscheidung zwischen Christus und der Kirche, was auch im Verhältnis des zweiten zum dritten Glaubensartikel zum Ausdruck kommt, nämlich in der Unterscheidung von Christus und Heiligem Geist (ebd.).

Als soteriologische Grundbegriffe kommen vor allem "Erlösung (Befreiung)" und "Versöhnung (Befriedung)" in Frage. Die vorliegende Dogmatik bevorzugt als Leitbegriff "Versöhnung". Er bringt am deutlichsten zum Ausdruck, daß die Ursache allen Unheils im von seiten des Menschen gestörten Gottesbezug liegt (16).

Nach einer kurzen Rezension der Hauptschemata der klassischen Christologie (Inkarnations- und Satisfaktionschristologie einerseits, Theologie des Mittleramtes anderseits) geht Ebeling auf die Notwendigkeit einer Umformung der Christologie angesichts des neuzeitlichen Wirklichkeitsverständnisses ein. "Wie immer das vere Deus in bezug auf Jesus heute vertretbar sein mag, dazu jedenfalls zwingt uns unsere Erkenntnissituation, daß wir am vere homo nichts abbrechen, nicht einem Kryptodoketismus verfallen, von dem die klassische Christologie trotz gegenteiliger Beteuerungen nie ganz frei war. Was es für die Christologie heißt, daß uns Jesus als wirklicher Mensch vorgegeben ist und das vere Deus dies auf keinen Fall abschwächen oder dem gar widersprechen darf, darüber nachzudenken, bietet eine Chance für die heutige christologische Besinnung." (38) Zugleich ist aber "auch im Fall einer solchen Orientierung am Menschen Jesus", die das Anliegen der sogenannten "Christologie von unten" aufnimmt, die eigentliche Intention der "Christologie von oben" zu wahren, die zum Ausdruck bringen will, "daß in Jesus Gott selbst am Werke ist" (ebd.).

5. Das erste (in der Gesamtzählung fünfte) Kapitel des zweiten Bandes "Gott in Christus" nimmt hier den weitaus größten Raum ein (46−362). Unter dem Thema "Der Mensch Gottes" soll hier die Beschäftigung mit Jesus auf das Evangelium hinführen, unter dem Thema "Der Tod Gottes" auf das Wort vom Kreuz und unter dem Thema "Das Leben Gottes" auf das Wort des Lebens; dieses "Gefälle auf das Wort hin" läßt jeweils die Inkarnation in die Inverbation einmünden (65).

Für die ganze Christologie entscheidend ist die Einsicht, daß das rechte Verständnis von der Gotteskindschaft des Menschen überhaupt nur vom Gottesverhältnis Jesu her gewährleistet werden kann und daß auch umgekehrt die exklusive Titulierung Jesu als "Sohn Gottes" nur von daher richtig interpretiert wird, daß alle ihre Gotteskindschaft ihm verdanken (75).

Der Skopus des christologischen Dogmas von Chalkedon besteht darin, die Vereinung von Gott und Mensch in Jesus Christus in einer Weise zu verstehen, daß ihre Unterschiedenheit nicht nur gewahrt bleibt, sondern überhaupt erst klar ans Licht kommt. Die verbreitete Auffassung vom christologischen Dogma ist: man dürfe weder das Gottsein der Person Jesu Christi so "überbetonen", daß darunter das Menschsein zu kurz kommt, noch dürfe man umgekehrt so auf dem Menschsein insistieren, daß infolgedessen das Gottsein gemindert, wenn nicht preisgegeben wird. Aber gerade diese Vorstellung von einem anzustrebenden Mittelwert, einem Ausbalancieren zweier konkurrierender Faktoren verfehlt völlig die Intention der christologischen Grundformel "vere Deus - vere homo". In Wirklichkeit soll gerade das "vere Deus" das "vere homo" sichern, und umgekehrt (78). Die "sogenannte rechtgläubige Christologie" steht dagegen "nicht unbegründet in dem Verdacht, sich nicht an ihre eigenen Grundregeln gehalten und die Vereinung Gottes und des Menschen in Jesus Christus zuweilen mittels einer Verwischung ihrer Unterscheidung zum Ausdruck und so gerade nicht zur Geltung gebracht zu haben" (79).

Die Einheit und Unterscheidung von Gottsein und Menschsein in Jesus soll der "Menschwerdung des Menschen", nämlich der Menschlichkeit des Menschen, zugute kommen. Denn was in Jesus geschehen ist, ist nicht für ihn, sondern für uns geschehen (113). Für das Verständnis dieses Sachverhalts stellt Ebeling einige allgemeine Leitsätze auf, die sich alle aus dem Grundverständnis des Evangeliums ergeben: "Dementsprechend hat zum einen das Empfangen den Primat vor dem Geben, das Handeln Gottes vor dem Handeln des Menschen. Zum andern muß alles so bedacht werden, daß die Ausstrahlung in die Weite des Lebens- und Weltbezugs dadurch zustandekommt, daß das von Jesus ausgehende Licht auf den Brennpunkt des Gewissens des Einzelnen hin gebündelt wird. Ferner ist das, was dem zeitlichen Leben dienen soll, auf die Frage hin zu prüfen, inwiefern dem zeitlichen Leben mit dem ewigen Leben gedient ist und warum letztlich nur mit ihm. Und endlich ist darauf zu achten, daß die Eindrücke von Not und Schuld, von Versagen und Enttäuschung, von Zweifel und Angst nicht überspielt und verkleinert werden und dennoch der Grund zur Freude und Gewißheit die Oberhand behält." (123f)

Der "Tod Gottes" im Kreuzestod Jesu will von daher in einer Weise verstanden werden, daß die Verkündigung der Auferstehung das Kreuz nicht aufhebt, sondern aufrichtet (131); die Ostererfahrung ist als solche eine Erfahrung mit dem Tod Jesu (160).

Im Rahmen seiner Überlegungen über den Tod Jesu als Versöhnungsgeschehen behandelt Ebeling ausführlich die Lehre von der Sündlosigkeit Jesu (177−191). "Die Aussage der Sündlosigkeit Jesu ist nur als Bekenntnis dessen vertretbar, dem die Erscheinung Jesu die Freiheit vermittelt hat, sich selbst als Sünder zu wissen, ohne dadurch über die Sündlosigkeit Jesu zu erschrecken und sich deshalb von ihm geschieden zu fühlen, im Gegenteil, gerade daraufhin mit ihm verbunden zu sein." (179) Das Verhältnis des Sündlosen zu den Sündern besteht nicht darin, daß er die sogenannten Gerechten auf der Seite liegen läßt und sich den sogenannten Sündern widmet. "Vielmehr ist gerade dies seine Weise, sich der sogenannten Gerechten in ihrer Sünde anzunehmen, daß er ihrem Urteil widerspricht und ihnen das Recht abspricht, sich auf Gott zu berufen. Damit spricht er sie als Sünder an, doch nicht voll Verachtung und mit dem Verlangen nach Vergeltung, sondern nicht weniger als die sogenannten Sünder mit Liebe. Denn er gibt sich ihnen preis, liefert sich ihnen ohnmächtig und schutzlos aus, ist zum Leiden bereit. So verhält sich nicht der Haß, auch nicht die verbitterte Resignation, sondern allein die Liebe." (183)

Gott hat Jesus "zur Sünde gemacht" (2 Kor 5,21), insofern Jesu Gekreuzigtwerden in der Konsequenz seiner Sündlosigkeit liegt: "Sie gerät notwendig in den Verdacht, der Sünde mit untauglichen Mitteln zu begegnen und ihr darum zu Recht zu unterliegen eine Art Hochmut, der zu Fall geführt hat." (186) "Wer sich angesichts der Macht der Sünde herausfordernd mit dem Willen Gottes identifiziert und vor der Welt Gott zu vertreten wagt, der gerät damit eben an den Ort, den Gott in dieser Welt der Sünde einnimmt: an den Ort seines Verachtet- und Ausgestoßenseins." (ebd.)

Es gibt ein doppeltes Nein Gottes zur Sünde. Gottes Nein zur Sünde ist der Tod des Sünders; aber zugleich sagt Gott in der Weise Nein zur Sünde, daß er den Sünder von ihr wegreißt und ihm an seinem eigenen Leben teilgibt (197). Dieses doppelte Nein zur Sünde läßt sich jedoch nicht auf ein einfaches Nein zur Sünde und ein einfaches Ja zum Sünder reduzieren; denn dann würde aus dem Verständnis des Heils das Sterben ausgeklammert. "Das Wort vom Kreuz faßt das Heil so, daß der Tod darin integriert ist. Nicht das kann als Heil gelten, wofür es des Todes Jesu am Kreuz nicht bedürfte. Deshalb kann ebensowenig dasjenige als Heil gelten, was keinen Bezug zum eigenen Sterben hat und für dieses belanglos ist. Es kann auch nicht das als Heil gelten, was nicht erst im Tod zur Vollendung kommt." (218)

Die Verkündigung der Auferstehung ist so zu deuten: "Mit welchen apokalyptischen Vorstellungen auch immer das Osterereignis expliziert werden mag, dem Sinne nach muß es auf die Grundaussage hinauslaufen, daß Jesus und Gott angesichts des Kreuzes zusammengehören und daß deshalb dem gestorbenen Jesus das Leben Gottes zuzusprechen sei. Allein zu diesem Zweck wird, mit welchen Sprachmitteln auch immer, Christologie ausgebildet." (309) Die Verkündigung der Auferstehung läßt sich nicht losgelöst von der Heilsbedeutung des Todes Jesu verstehen, sondern nur als deren Explikation (308). Angesichts seines Todes an die Gottessohnschaft Jesu zu glauben, bedeutet also, seine Auferstehung zu bekennen.

Was berechtigt heute zum Glauben an die Auferstehung Christi und damit an das eigene ewige Leben? "Zwischen zwei Hauptsätzen des christlichen Glaubens besteht ein enger Zusammenhang: daß der Glaube aus dem Hören kommt (Röm 10, 17) und daß der Zugang zum erhöhten Christus allein über den Menschen Jesus und somit über den Gekreuzigten führt." (311) Nur aufgrund eines Wortes, dem man anders als im Glauben nicht gerecht werden kann, ist der Glaube möglich. "Daß der Glaube blind glaubt, kennzeichnet, dem rechten Sinne nach, nicht sein Verhältnis zu dem Wort, aus dem er entspringt − in dieser Hinsicht ist der Glaube vielmehr ein Erleuchtetwerden −, sondern betrifft sein Verhältnis zu dem täuschenden Augenschein, der ihm widerspricht und gegen den anzuglauben ist. Die Blindheit nach dieser Seite hin ist darum kein Mangel, sondern die Folge einer Überlegenheit; nicht ein zufälliges Nichtbeachten, sondern eine willentliche Nichtbeachtung dessen, was sich dem Glauben widersetzt." (311f)

Die christologische Thematik führt zu einem entsprechenden Verständnis der Gottesattribute der Liebe (Gnade und Wahrheit), der Heiligkeit (Verborgenheit und Nähe) und der Doxa (Ewigkeit und Schöpfermacht) Gottes. Immer geht es um Attribute, an denen Gott teilgibt. Die Fülle des Lebens, an der Gott teilgibt, besteht in der Lebenshingabe, damit aber gerade "nicht in dem Ideal perfekter Lebensbewältigung und schon gar nicht in dem Phantom der Selbstverwirklichung" (279). Deshalb sind auch die Bilder vom ewigen Leben in eschatologischer Erfüllung, "− das Freudenmahl, der unangefochtene Friede und das anbetende Schauen Gottes−", Symbole der Lebenserfüllung, "die auf Erfahrungen in diesem Leben Bezug nehmen, freilich nicht auf Erfahrungen im Zeichen der Selbstverwirklichung, sondern auf Erfahrungen des Geführt-, Beschenkt- und Verwirklichtwerdens" (361).

In diesem Zusammenhang kehren im Kern die gleichen Fragen zurück, die bereits zum ersten Hauptteil zu stellen waren. Ebeling selbst erklärt, daß die Bestimmungen eines philosophischen (!) Gottesbegriffs zwar vom biblischen Gottesverständnis her der Kritik unterliegen, aber nicht einfach in der Weise beiseite geschoben werden können, daß man auf derselben Ebene das Entgegengesetzte behauptete, also etwa "zugunsten der Leidensfähigkeit Gottes das Attribut der Unwandelbarkeit streicht oder zugunsten seines Weltbezugs dessen Unumkehrbarkeit außer acht läßt: daß nicht er sich der Welt, vielmehr die Welt sich Gott verdankt" (352).

Es gibt also auch für Ebeling durchaus einen "philosophischen Gottesbegriff", dem ein gewisses Recht zukommt. Wieweit aber geht Ebeling auf das ihm offenbar latent gewärtige Problem der Einseitigkeit der Relation des Geschaffenen auf Gott ein? Seine eigenen Formulierungen legen eine deutlichere Unterscheidung zwischen einer bereits der Vernunft erkennbaren Schöpfermacht Gottes und seiner Selbstmitteilung in der Versöhnung nahe: Die Gotteserfahrung selbst ist "von der Polarität betroffen, die zwischen Schöpfung und Versöhnung besteht, zwischen dem Leben Gottes, das zum kreatürlichen Leben führt, und dem Leben Gottes, das zum Auferstehungsleben führt, zwischen der Schöpfermacht, die bis zu einem gewissen Grade auch die Vernunft [!] als Allmacht beeindruckt, und der Schöpfermacht, die als Allmacht der vergebenden und neuschaffenden Liebe in der Rechtfertigung des Gottlosen und im Erwecken der Toten zum Leben deshalb allein dem Glauben aufgeht, weil sie in Gestalt der Ohnmacht auftritt" (360).

Ein solcher Satz möchte wie eine Korrektur von Aussagen des ersten Hauptteils erscheinen und würde ganz der traditionellen Unterscheidung von "Natur" (Geschöpflichkeit als solcher, die noch nicht göttliche Selbstmitteilung ist, sondern das von Gott Verschiedene, das auf ihn verweist) und "Gnade" (göttlicher Selbstmitteilung) entsprechen. Zugleich bliebe es möglich, von der übernatürlichen Erhöhung der "Natur" zu sprechen: von der gleichen Wirklichkeit, die mit der Vernunft als geschöpflich erkennbar ist, wird im Glauben ausgesagt, sie sei "in Christus" geschaffen, d. h. von Anbeginn aufgenommen in die Liebe des Vaters zum Sohn.

6. Die bisherigen christologischen Darlegungen sind weitgehend ohne den Bezug auf die synoptische Tradition vom Leben Jesu ausgekommen. Es ist aber eine entscheidende Frage, was es für die Christologie bedeutet, wenn man dem Menschen Jesus historisch ("rein menschlich") begegnet. Denn es ist "dem Glauben entschieden zu bestreiten, daß er als solcher, unabhängig von historischer Tatsachenermittlung oder gar in Widerspruch zu ihr, für die Historizität als solche einstehen könnte" (383).

Die Differenz zwischen Jesus als Verkündiger und Jesus Christus als Verkündigtem besteht historisch unbestreitbar und erstreckt sich auf den Verkündigungsinhalt selbst. Aber bereits Jesu eigene Verkündigung läßt sich nicht bloß nach ihren Lehrinhalten ohne die Beziehung auf seine Person bestimmen (388). Und die Verkündigung nach seinem Tod und seiner Auferstehung will nicht nur wie Jesus reden, sondern beansprucht, in seinem Namen zu sprechen.

Christologische Aussagen tun nun das, was historische Aussagen strikt unterlassen: sie machen das Göttliche zum Subjekt historischer Vorgänge. Ist das nicht "Mythos"? Die Forderung der Entmythologisierung hat nicht das Ziel, mythische Sprachelemente auszumerzen, sondern will es ermöglichen, von ihnen "einen besonnenen, verantwortbaren Gebrauch zu machen" (396). Die existentiale Interpretation − "sofern existential nicht als individualistisch oder innerlich mißverstanden wird, sondern das Weltverhältnis menschlicher Existenz in sich begreift" (395 f.) ist die "einzig sachgemäße, dem Mythischen gerecht werdende historische Interpretation" (396). Die christologische Interpretation Jesu ist und bleibt jedoch auf ein sprachliches Instrumentarium angewiesen, "das entsprechend dem von ihr wahrgenommenen unmittelbaren Lebensinteresse in den Bereich der Symbolsprache gehört" (405).

Als Hauptnenner von Wort und Verhalten Jesu ist seine "Vollmacht" zu nennen. Vollmacht kommt weder Dingen noch Menschenmassen zu, sondern ist wesentlich "einer Person zugeordnet" (412), und es gibt sie nur "in Zuwendung zum andern hin, als Einwirkung auf ihn, und zwar wiederum in bezug auf dessen Sein als Person" (413). "Zur Eigenart von Vollmacht gehört es, daß sie durch das Wort ausgeübt wird" (414), aber im Gegensatz etwa zu einem so oder so gearteten "Machtwort". Was mit Vollmacht gemeint ist, kann einem am ehesten aufgehen, wenn man nach dem fragt, was allein durch das Wort geschehen kann (417). Damit ist nicht der Gegensatz zu zeichenhaften Handlungen gemeint, die ja selbst "Wortzeichen" sein können; der Laut ist nicht die einzige Weise, Worte kundzutun (415). Es geht jedoch um "alle Weisen von Belehrung und Zuspruch, Weisung und Trost, die das Leben begleiten und in gewisser Weise das Lebensnotwendigste sind" und die Eingriffe darstellen, "die im Unterschied zu den Handlungen nicht Unmittelbares bewerkstelligen, vielmehr den Menschen auf seine wie auch immer begrenzte Freiheit hin ansprechen" (417). Jesu Vollmacht besteht in einer Glaubenszumutung, "wo alles, was den Menschen betrifft, in dem Betroffensein durch Gott begriffen ist" (456).

In bezug auf die Vollmacht in Jesu Verhalten kommt in den evangelischen Wunderberichten "beachtlicherweise der Gesichtspunkt überhaupt nicht vor, daß Wunder geglaubt sein wollen und Glaube deshalb Wunderglaube ist. Vielmehr liegt alles Gewicht darauf, daß der Glaube selbst von wunderbarer Macht ist." (464)

Wie die Christologie am historischen Jesus Anhalt hat, gibt Ebeling durch die Formel "implizite Christologie" (475) an. Christologie ist nicht etwas, was unmittelbar bei Jesus zu beziehen ist, wohl aber ist sie die durch ihn selbst herausgeforderte Antwort auf ihn. Dies ist das Verhältnis expliziter zu impliziter Christologie. "Würde uns nicht die Erscheinung Jesu, sein Wort und sein Verhalten, vor Augen sein und immer neu vor Augen treten, so verlöre die Christologie ihre Situierung im Leben. Denn sie hat nur dann Sinn, wenn sie die Antwort auf die Begegnung mit Jesus ist." (476)

7. Das kurze dritte Kapitel des zweiten Hauptteils handelt von der "von Gott geliebten Welt" (477−496). Es erläutert in bezug auf die anthropologischen Grundbestimmungen der Welt − "Sehnsucht", "Haß" und "Friede" −, wie "sich vor ihnen Christus darstellt" und inwiefern sich diese Mächte der Welt "seiner Herrschaft beugen und deshalb auch denen, die Gott lieben, zum Besten dienen müssen" (482).

"Wenn als Grund der Sendung Jesu Christi in die Welt die Liebe Gottes zur Welt angegeben wird, dann muß der Welt, wie sie ist, eine entsprechend sorgfältige, liebevolle Aufmerksamkeit zuteil werden" (486), was gleichwohl nicht bedeutet, daß irgendeine Qualität der Welt selbst der Grund für Gottes Liebe zu ihr wäre.

8. Das abschließende Kapitel des zweiten Bandes stellt ein noch einmal den ganzen Band zusammenfassendes Summarium der Christologie dar. "Wer Jesus für den Glauben ist, das muß im Hinblick auf das Menschsein in seiner Beziehung zu Gott und zur Welt ausgesagt werden." (500) Die aus der reformatorischen Theologie hervorgegangene Lehre vom Amt Christi als Priester und König bedeutet − relationaler Ontologie entsprechend −. eine Transponierung der Zwei-Naturen-Lehre auf die Problemebene der Zwei-Reiche-Lehre (ebd.). Für Gerhard Ebeling erwächst daraus ein christologisches Schema, das die Frage, wer Jesus für den Glauben ist, mit drei symbolartigen Wendungen beantwortet: "Er ist das Wort Gottes, der Bruder der Menschen, der Herr der Welt." (502) Dem entsprechen jeweils Glaube, Liebe und Hoffnung in ihrem Gegensatz zu Unglaube, Haß und Angst (505).

Es gehört dabei zum Wesen des Glaubens, daß der Glaubende selbst Zeuge Christi ist und nicht bloß Zeuge von Zeugen in einer sich immer mehr von Christus entfernenden Kette (520). Die Erfüllung der Abrahamsverheißung ist nichts anderes als die Eröffnung des Glaubens für alle (522). Glauben bedeutet dann, den Gesamtzusammenhang des Lebens von dem in Jesus Christus eröffneten Gottesverhältnis her bestimmt und erschlossen sein zu lassen (526).

In aller rechten Menschlichkeit ist in einer ähnlichen Weise die Relation zu Gott implizit, wie in bezug auf Jesus von einer impliziten Christologie die Rede ist. "Aber wie erst von der expliziten Christologie her deren Impliziertsein in Jesus erkannt wird, so wird auch erst von der denkbar schärfsten Explikation der Gottesrelation des Menschen her deren Präsenz in allem Menschsein erkennbar." (536)

Gerade diesem Sachverhalt kommt m. E. eine für heutige Christologie grundlegende Bedeutung zu. Nach dem Zeugnis der Evangelien weiß sich Jesus von dem gleichen Gott gesandt, den er im Gewissen der Menschen am Werk sieht; und niemand kann sich definitiv seinem Wort entziehen, ohne in Willkür zu verfallen.

Der Aussage jedoch, daß die Liebe zu Gott überhaupt nicht anders sein kann denn als Liebe zum Nächsten, ja daß sie nur ein Symbol für letztere ist, so daß Glaube nichts anderes als Mitmenschlichkeit wäre, ist nach Ebeling entschieden zu widersprechen. An der Zweiheit von Liebe zu Gott (= Glaube) und Nächstenliebe ist gerade um ihrer Einheit willen festzuhalten. Der Glaube als die Bejahung des eigenen Geliebtwerdens ist das Umgreifende und Bedingende. Die Zweiheit des Doppelgebots beschreibt nichts anderes als "die innere Logik der Liebe selbst, in deren Geschehen der Mensch zu einem Bindeglied zwischen der empfangenen Gottesliebe und der weitergehenden Liebe zum Nächsten wird" (536f.).

 

III.

In der Einleitung zum dritten Band wird als dessen Leitmotiv bestimmt, die christologische Verklammerung von Pneumatologie und Eschatologie und ihre innere Einheit darzustellen (32). Das Gemeinsame von beidem soll mit dem Begriff "Vollendung" gefaßt werden. Wie steht es mit der Vollendung dessen, daß Gott der Schöpfer und Versöhner der Welt ist? Es geht dabei um ein Geschehen, "in dem die Gegenwart bereits eschatologisch gefüllt und von Vollendungsgewißheit bestimmt ist. Wie das Bekenntnis zu Jesus, von dem dieses Geschehen ausgeht, den Charakter von Christologie hat, und das heißt: von perfektischer Eschatologie, so wird das Folgegeschehen im Zeichen des Christusbekenntnisses zu einem Ineinander präsentischer und futurischer Eschatologie. Die Aussagen darüber nehmen folgerichtig den Charakter von Pneumatologie an. Denn der heilige Geist macht das perfektische Eschaton, von dem er herkommt, gegenwärtig und richtet zugleich auf das eschatologische Futur aus, weil er selbst bereits dessen Präsenz ist." (46)

In den Mittelpunkt rückt dabei erneut die theologische Fundamentalunterscheidung zwischen Gott und Welt: Wie kann der Mensch seinen Ort zugleich in Christus und in der Welt haben, und was folgt daraus für Zeit und Ewigkeit? (54)

Im dritten Artikel des Glaubensbekenntnisses liegt nach Ebeling der Kern reformatorischer Theologie. Wird die "Rechtfertigung allein aus Glauben" durch die Heiligung überboten, oder ist letztere ganz von ersterer her zu verstehen?

Die Lehre von der Rechtfertigung allein aus Glauben zielt darauf ab, nicht die guten Werke zu bestreiten, sondern sie überhaupt erst zur Geltung zu bringen. Es sind Werke, die aus der Gemeinschaft mit Gott hervorgehen; sie sind sozusagen selbstvergessen allein auf das Ziel ausgerichtet, das die Tat erreichen will: "daß eine bestimmte Notlage abgewandt, einer Erwartung entsprochen, eine Bitte erfüllt, eine Freude bereitet, ein Mensch glücklich gemacht wird. Solche guten Werke leben davon, daß sie unbeachtet bleiben, zumindest von denen, die sie vollbringen. Als gute Werke sind sie dann grundsätzlich nicht steigerungsfähig. Auch die verborgensten und geringsten sind vollkommen. Sie sind das allerdings nicht unter dem Gesichtspunkt der meßbaren Zweckerfüllung. Danach beurteilt mögen sie unbeholfen und überbietbar sein. Dagegen hängt die Vollkommenheit eines guten Werkes daran, daß es situationsgerecht ist in dem radikalen Sinne, wonach Liebe das in höchstem Sinne Benötigte und Gebotene ist." (36f.)

9. Das erste (in der Gesamtzählung neunte) Kapitel des dritten Bandes handelt vom "Menschen in Christus". Während die Christologie auf das verwiesen hatte, was in Christus ohne uns ein für allemal vollbracht ist, erläutert die Pneumatologie, was sich in uns beständig an uns ereignet, aber nicht aus uns selbst. Dabei ist es "keineswegs so, daß der Mensch nur insoweit in Christus ist, wie das Sein in Christus an ihm bereits vollstreckt ist" (68). Die Diskrepanz zwischen dem Sein in Christus und dem tatsächlichen Verhalten "gehört, so verwunderlich das klingt, mit in das Sein in Christus hinein. Der Mensch in Christus ist keineswegs der radikal neue, der sündlose Mensch." (ebd.) Aber "daß von dem Menschen, wie er ist, ohne die Vorbedingung seiner Veränderung durch das Geistgeschehen, das Sein in Christus ausgesagt werden kann, ist nur von daher begreifbar, daß von der Menschheit überhaupt gesagt werden kann, sie habe ihren konstitutiven Ort und damit ihr Sein in Christus" (69f.). Es besteht dabei ein Begründungszusammenhang von der universalen Ausrichtung des Christusgeschehens und der Ausrichtung des Geistgeschehens auf den Einzelnen als solchen, weshalb an Christus glauben nie und nimmer heißen kann, die Kategorie des Einzelnen zu mißachten. Ganz allgemein gilt, daß auch das Soziale erkrankt und verdirbt, wenn die Verantwortung des Einzelnen Schaden leidet (74).

In der scholastischen Gnadenlehre ist nach Ebelings Auffassung die Fundamentalunterscheidung des biblischen Denkens zwischen geschaffenem und ungeschaffenem Sein gegenüber der rezipierten Begrifflichkeit griechischen Denkens durchaus zur Geltung gekommen, ungleich weniger deutlich jedoch die andere Fundamentalunterscheidung zwischen Sünde und Gnade. Für die Scholastik ist das Hauptmotiv der Gnade nicht das Problem der Sünde, sondern das der Endlichkeit und Zeitlichkeit, das Begrenztsein des Menschen auf seine natürlichen Kräfte (87). Die Scholastik scheint auf diesem Hintergrund die Gnade als eine ebenfalls geschaffene, wenn auch nunmehr übernatürliche Ausstattung zu verstehen, die nur die geschöpflichen Kräfte steigert. Demgegenüber betont reformatorische Theologie, daß es "die Unheiligkeit des Menschen" ist, "die ihn zum Adressaten des heiligen Geistes macht", eine Unheiligkeit allerdings, "die nur auf dem Grunde seiner geschöpflichen Auszeichnung durch Geist möglich ist" (111).

M. E. würde dieser vermeintliche Gegensatz der Hochscholastik zum reformatorischen Denken, das die Unterscheidung von Sünde und Gnade betont, durch den Hinweis auf die Einseitigkeit der realen Relation des Geschaffenen auf Gott überbrückt. Wenn nämlich auch in der Sicht der Hochscholastik wenigstens bei ihren besten Vertretern schlechthin keine geschaffene Qualität als solche ausreicht, Gemeinschaft mit Gott zu begründen, dann ist das Motiv der Gnade tatsächlich nicht, irgendwelche Fähigkeiten des Menschen zu steigern, sondern ihm überhaupt erst die positive Möglichkeit zur Gemeinschaft mit Gott zu eröffnen. Das Verständnis und die Überwindung der evangelisch-katholischen Differenz hängt wohl an der Einsicht in diese in heutiger Theologie fast allgemein verdrängte Problematik.

Es ist das Anliegen reformatorischer Theologie, die Lehre vom Heiligen Geist nicht "in eine Gnadenlehre zu transponieren, bei der das, was von Gott her geschieht, im Medium der menschlichen Fähigkeiten und ihrer Wandlungen dargestellt wird und der Geber hinter den Gaben zu verschwinden droht" (113); daß Gottes Handeln unabhängig vom Menschen und seiner Erfahrung ist, soll jedoch gerade nicht bedeuten, daß es mit dieser Erfahrung nichts zu tun hat.

Die Weise, wie der Heilige Geist auf den Menschen einwirkt, erläutert Ebeling durch den Hinweis auf den Gewissensbegriff, der allerdings erst "geradezu gegen den Strom schwimmend" gewonnen und gereinigt werden muß. Die Theologie ist hier "genötigt, mit ihrer Begriffsbildung bis in die anthropologischen Sachverhalte allgemeiner Art selbständig vorzustoßen, nicht in willkürlicher monologischer Festsetzung, sondern im Dialog nach vielen Seiten hin" (115). Die christliche Botschaft erfordert also auch einen philosophischen Neuansatz.

In seiner Analyse des Geistbegriffs nennt Ebeling als hermeneutisches Prinzip: "Gerade weil es um die Erfassung einer spezifisch christlichen Aussage geht, verdienen alltägliche Aussagen Berücksichtigung, selbst wenn sie zu ihr keine Beziehung zu haben scheinen. Denn wozu stünde der christliche Glaube etwa seinerseits nicht in Beziehung?" (126) Auch "der Genuß irdischer Güter oder die Rettung aus Gefahren" wird "durchaus mit Recht Gott verdankt", wobei sich aber "eben das Verdanken keineswegs von selbst einstellt" (135 f.).

Nach reformatorischer Auffassung ist der christlichen Theologie überhaupt "die Aufgabe gestellt, die Heillosigkeit des Menschen im Widerspruch so streng zu fassen, daß sie sich nicht auf einen partiellen Bereich einschränken läßt und daraufhin als gar nicht so ernst gemeint etwa widerrufen läßt" (137). Es geht dabei um etwas völlig anderes als die vernünftige Feststellung, daß der Mensch gut und böse in wechselnden Graden ist. Denn die Begriffe der Heillosigkeit und der Erlösung meinen Sachverhalte, die nicht steigerungsfähig sind (151). Es besteht hier eine Differenz zwischen dem Glaubensurteil und dem moralischen Urteil über den Menschen.

So entschieden jedoch für den Glaubenden gilt, daß er nicht mehr heillos dran ist, sondern erlöst ist, ist er keineswegs ausschließlich der neue Mensch. Ihm bleibt vielmehr, solange er lebt, ein Kampf auferlegt. In diesem Kampf zwischen Geist und Fleisch steht das Leben des Christen in einer doppelten Ausrichtung: Es ist "ein Leben unter der Herrschaft Christi im Zeichen des Neuen und auf dessen Vollendung hin"; zugleich aber "hat der Christ an dieser Welt teil und ist für sie mitverantwortlich, hat an der Aufgabe mitzutragen, die Welt und das allgemeine Leben darin trotz der Auswirkungen der Sünde so erträglich wie möglich zu gestalten, darum auch am politischen Handeln mitzuwirken, in dem es nicht um Erlösung und Vollendung der Welt geht, sondern um ihre Erhaltung in aller Vorläufigkeit und Unvolkommenheit" (156). Letzteres ist nicht mit dem Reich Gottes zu verwechseln!

So wird noch einmal deutlich, was es damit auf sich hat, daß der Mensch als Werk Gottes zu verstehen ist. Da es um den homo peccator geht, hat der Gedanke der creatio ex nihilo eine Verschärfung gegenüber dem Schöpfungsglauben erfahren. Daß der Gottlose von Gott angenommen wird, ist die unüberbietbare Erfüllung der creatio ex nihilo (161). Durch die betonte particula exclusiva kommt in der reformatorischen Tradition das sola gratia mit der creatio ex nihilo zur Deckung, ohne doch die zwischen ihnen bestehende Spannung aufzuheben (167).

Auch eine solche Aussage wird m. E. nur unter der bei Ebeling leider nicht explizit formulierten Voraussetzung verständlich, daß aufgrund der Einseitigkeit der realen Relation des Geschaffenen auf Gott keine geschöpfliche Qualität als solche Gemeinschaft mit Gott begründen kann, so daß Gemeinschaft mit Gott nur noch in einem trinitarischen Gottesverständnis ausgesagt werden kann: Wir sind in die Liebe Gottes zu Gott, des Vaters zum Sohn aufgenommen. Denn nur dann ist der in der Gnade sich selbst mitteilende Gott der, "ohne den nichts ist", und das Geschaffensein läßt sich umgekehrt allein im Glauben als ein "In Christus"-Geschaffensein verstehen. Dann ist die Allmacht Gottes als die Macht seiner Liebe bestimmt und seine Liebe als Allmacht.

Von besonderer Wichtigkeit ist in diesem Zusammenhang Ebelings Erläuterung des Freiheitsbegriffs, dessen Inanspruchnahme hauptsächlich paulinischer Theologie zu verdanken ist. So sehr der Freiheitsbegriff in der christlichen Theologie erst wieder durch die Reformation in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt sei, bleiben auch hier die Auswirkungen noch weit zurück hinter dringenden geschichtlichen Erfordernissen. "Die Kirchengeschichte und die von ihr bestimmte allgemeine Geschichte stellen unbestreitbar, aufs Ganze gesehen, keine strahlende Geschichte der Freiheit dar, obschon hier die Anzeichen von Unfreiheit besonders auffallen und z. T. überhaupt erst als solche empfunden werden dank einer trotz allem die Kirchengeschichte durchziehenden Leuchtspur der Freiheit." (182)

Die reformatorische Lehre vom servum arbitrium sprengte die traditionelle Gestalt der Frömmigkeit, und die Lehre von der libertas christiana sprengte die überkommene Gestalt von Kirche (181); gegen die vermeintliche Selbstverständlichkeit des liberum arbitrium steht nun das Wunder der libertas christiana (185), denn erst die Bejahung der schlechthinnigen Abhängigkeit von Gott ist das Versetztsein in schlechthinnige Freiheit.

Im Rahmen einer bloßen Substanzmetaphysik mit ihrem Kausalschema kann das Verhältnis zwischen Gott und Mensch letztlich, selbst wenn man Gott als causa prima bezeichnet, nur im Schema partieller Abhängigkeit und partieller Freiheit vorgestellt werden. Man verliert sich in hoffnungslose Widersprüche, "weil von der Setzung eines in sich selbständigen Menschen ausgegangen wird, über dessen Beziehung zu Gott zusätzliche Aussagen gemacht werden sollen" (187). Umgekehrt muß die reformatorische Lehre, daß der freie Wille nichts sei, solange als eine sinnlose und unmenschliche These erscheinen, als man das Gottesverhältnis im Schema des Weltverhältnisses denkt (188). In der Lehre vom servum arbitrium geht es jedoch in Wirklichkeit darum, daß Gott niemals Gegenstand des menschlichen Handelns sein kann und daß sich die Freiwilligkeit ihm gegenüber nur als Geschenk des Heiligen Geistes verstehen läßt (190).

Die entgegengesetzte Auffassung, die zugleich eine Abkehr von der Erbsündenlehre bedeuten würde, hat in Wirklichkeit einen ungemein freiheitsbedrohenden Aspekt. Denn keine noch so freiheitlichen Verhältnisse garantieren ihren freiheitlichen Gebrauch. Der emanzipatorische Grundzug der heutigen Zeit kann die Lebensgrundlage der Freiheit, die Zusammengehörigkeit mit anderen, zerstören; die Energiekrise ist nur ein grobes Beispiel für die Selbstzerstörung der Freiheit (183).

10. Nach dem "Menschen in Christus" ist Thema des zehnten Kapitels der "rechtfertigende Glaube". Glaube ist erst dann als Glaube verstanden, wenn er als das begriffen ist, wozu der Mensch aus eigener Kraft und Vernunft nicht fähig ist (192).

In der Sicht Ebelings geht die dem Sinn nach Luther zugeschriebene Frage: "Wie kriege ich einen gnädigen Gott?" von der unbestrittenen Voraussetzung aus, daß von Gott Gnade und Heil zu erwarten sind, während der Frager nur daran zweifelt, ob und wie er diese Erwartung auch auf sich selbst beziehen dürfe (203 f.). Man könne diese Frage wohl nur dann in ihrer Schärfe stellen, wenn man bereits Heil von Gott erfahren hat: "Die confessio peccati kann schwerlich aufkommen, wo ihr nicht durch die confessio laudis der Boden bereitet ist, was dann selbstverständlich auch wiederum umgekehrt gilt." (204)

Vielleicht erschwert diese Deutung der Frage nach dem gnädigen Gott in Wirklichkeit das Verständnis der Rechtfertigungslehre. Die Frage bezieht sich m. E. nicht auf den Unterschied zwischen einen allgemeinen An-Sich und seiner Anwendung auf den Einzelnen, sondern wiederum auf den bereits mehrfach genannten Sachverhalt, daß schlechthin keine geschöpfliche Qualität als solche zur Begründung von Gemeinschaft mit Gott ausreichen kann. Daß nichts Geschaffenes das Maß der Liebe Gottes zu uns sein kann, hält man allerdings in der Tat erst dann aus, wenn man durch das Wort des Glaubens erfahren hat, daß Gottes Liebe zur Welt im voraus dazu die Liebe Gottes zu Gott, des Vaters zum Sohn ist.

Gegenüber dem Versuch, die Frage nach der Rechtfertigung durch die Sinnfrage zu ersetzen, gibt Ebeling zu bedenken, daß der Mensch sich damit selbst zum Forum der Rechtfertigung macht, so daß sich der Sinn des Daseins an seiner Begreifbarkeit durch den Menschen entscheidet (207). Demgegenüber lautet die schlichteste Zusammenfassung der Rechtfertigungslehre: "Friede mit Gott durch Jesus Christus" (Röm 5, 1) (221). "Der Mensch ist darauf angewiesen, bejaht, anerkannt zu werden, ein Urteil zu empfangen, das ihn für recht erklärt. Und er ist vom Grunde seines Wesens her bestrebt, sich dieses ja, diese Anerkennung selbst zu verschaffen und sich selbst zu rechtfertigen, selber das Urteil zu sprechen. Das ist auch dann der Fall, wenn diese Struktur des Selbstruhms in das Gegenteil umschlägt und zur Verzweiflung an sich selbst, zur Selbstverdammung wird, in die Gott und die Welt mit hineingerissen werden. Dieses Urteil ist dem Menschen entzogen. Es wird nicht einfach verboten, sondern es wird hinfällig, es erübrigt sich, es wird töricht und lächerlich kraft der Bejahung, die dem Menschen in Jesus Christus und um seinetwillen zugesprochen ist. Mit der Freiheit vom Selbstruhm vor Gott tritt dann allerdings auch eine Befreiung von der Selbstrechtfertigung im Umgang mit dem Mitmenschen ein." (222) Dann gibt der Glaube auch die Freiheit, sich sachlich zu verhalten und die Liebe den obersten Gesichtspunkt der Sachlichkeit sein zu lassen (245). Die Sinnfrage wird nicht mehr durch die Vermischung mit der Rechtfertigungsfrage aufgebläht; die Sinnfrage kommt in Wirklichkeit um so mehr zu ihrem Recht, je begrenzter und bescheidener sie angesetzt wird (ebd.).

Im Rahmen der Frage nach der Glaubensgerechtigkeit behandelt Ebeling ausführlich das Verhältnis von Wort und Sakrament, die das "Lebensmittel des Glaubens" (249) sind.

Für das Verständnis der Rede von "Wort Gottes" muß "der Mensch selbst als der Adressat des Wortes Gottes und deshalb in Hinsicht auf seine Grundsituation mit in Betracht kommen, damit allererst erfaßt wird, warum er überhaupt des Wortes Gottes bedarf" (252). Dafür ist die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium der unentbehrliche hermeneutische Schlüssel. Unter der Gesetzeserfahrung ist letzten Endes die Lebenswirklichkeit selbst zu verstehen. "Die Charakterisierung des Menschseins als Sein unter dem Gesetz hat vom Gesetz nicht als einem Kodex auszugehen, sondern als etwas, was in und mit dem Leben selbst immer schon in Aktion ist." (268) Die geschichtliche Vielfalt von Lebensordnungen läßt sich als Vielzahl von Deutungen dieses Gesetzes auffassen (271), wobei nur das das Gewissen binden kann, "was nicht als fremde und zusätzliche Forderung zum Menschsein hinzutritt, sondern den Menschen selbst in seiner Lebenswirklichkeit zur Sprache bringt" (272). Das Gesetz fordert unbedingt auf Grund dessen, was bedingungslos gegeben wurde (279).

Dieses Gesetz wird nun vom Evangelium her auf zwei verschiedene Weisen interpretiert. Zum einen greift die Evangeliumsverkündigung korrigierend, erhellend und auch motivierend in das unabhängig davon bereits in Gang befindliche Wirken des Gesetzes ein. "Säkularisate" dieser christlichen Interpretation sind heute mannigfach Bestandteile des öffentlichen und privaten Bewußtseins (281). Die entscheidende Interpretation des Gesetzes vom Evangelium her besteht jedoch in der Aufdeckung dessen, was das Gesetz wirkt und was sich der Mensch von ihm erhoffen kann: Das Evangelium führt zu der Erkenntnis, daß das Gesetz zur Rechtfertigung unfähig ist. Die innere Logik des Seins unter dem Gesetz läuft nur "entweder darauf hinaus, die Anstrengung zur Selbstrechtfertigung aufs äußerste zu steigern, wozu auch immer raffiniertere Methoden der Selbsttäuschung und Selbstberuhigung gehören, oder darauf, zu verzagen und schließlich abzustumpfen und zu resignieren" (284).

Erst das Evangelium von der Gemeinschaft mit Gott von Jesus Christus her durch den Heiligen Geist ermöglicht es dem Menschen, sich dienend für andere hinzugeben, ohne weiterhin auf Selbstbestätigung angewiesen zu sein (287). Die so erfolgende "Bescheidung zur Weltlichkeit" erweist sich als wahrhaft geistlich (288). So sehr das Gesetz als fordernde und anklagende Macht durch das Evangelium erledigt ist, kommt nun sein Inhalt ungeschmälert und treffend zum Ausdruck. Der Glaubende ist nach einer Formulierung Luthers fähig, der jeweiligen Situation entsprechend "neue Dekaloge zu machen" (vgl. WA 39, 1; 47,27) (294). Was man unter dem Gesichtspunkt der Autonomie zu vertreten pflegt, findet seine wahre Erfüllung im Glauben und seinem Verhältnis zum Gesetz; denn die Nächstenliebe enthält die Zumutung, die konkrete Anwendung der sittlichen Forderung selbst herauszufinden. Dies ist eine Bestimmung des Inhalts des Gesetzes, die von Gesetzlichkeit völlig frei ist (276).

Gegenüber dem Wort als solchem liegt das Besondere des Sakraments an der besonderen Gestalt, die das Wort darin annimmt (296). Das Sakrament kann nie den Anfang machen, sondern setzt immer die Verkündigung voraus. Evangelische Sakramentenlehre will als Kampf für die Sakramente verstanden werden und will der falschen Auffassung wehren, als seien die Sakramente eine vorgeschriebene Bedingung, bei deren Absolvierung erst etwas vermittelt wird, was bei der Relation von Wort und Glaube noch aussteht. Den Sakramenten ist damit der Charakter zeremonialgesetzlicher Notwendigkeit genommen, was aber nicht heißt, daß sie zu Adiaphora werden, denn sie sind ja Bezeugung des Evangeliums (300).

Nach Ebeling besagt die katholische Sakramentenlehre, daß der Glaube durch eine sakramental vermittelte Formierung durch die Liebe überboten werden müsse, um zu einer dann erst wirklichen Vereinigung mit Gott zu führen. Dazu schreibt Ebeling in einer seiner schärfsten Formulierungen, "daß rebus sic stantibus eine Kirchengemeinschaft mit der römischen Kirche nicht möglich ist" (315). Allerdings wird man sich bei dieser Formulierung daran erinnern dürfen, daß sich nach Ebelings eigener Auffassung "Urteile kontroverstheologischer und konfessionskundlicher Art heute nur noch mit dem Aufgebot historischer Untersuchung und interpretatorischer Auseinandersetzung vertreten" lassen. Dies verbiete zwar nicht notwendig eine Bezugnahme auf charakteristische Formeln und Phänomene der Konfessionsgeschichte, wohl aber den Anspruch, die dogmatische Aussage als Beschreibung der faktischen Konfessionsdifferenz vorzubringen (166).

Der reformatorische Protest mag in der Tat auf naheliegende Mißverständnisse in bezug auf die katholischen Lehraussagen aufmerksam machen, von denen diese ausdrücklicher und deutlicher abgehoben werden sollten. Ich vermag jedoch nicht zu sehen, daß die offiziellen Aussagen des katholischen Lehramtes tatsächlich mit Recht im Sinne dieser Mißverständnisse zu interpretieren sind oder auch nur sich widerspruchsfrei so interpretieren lassen. Was Ebeling angreift, ist nicht die tatsächliche katholische Lehre. Ebelings Meinung, nach katholischer Lehre komme die Gnade "solo Sacramento" zustande (329), hat keinen Anhalt an den katholischen Lehrdokumenten. Ich sehe in der offiziellen katholischen Lehre nirgends geleugnet, daß sich die Sakramente letztlich nur als Zeichen des angenommenen Wortes Gottes verstehen lassen, die unterstreichen, was Unüberbietbares in der Annahme der Selbstmitteilung Gottes in seinem Wort geschehen ist und geschieht. Umgekehrt kann ich an Ebelings positiven Aussagen nichts entdecken, was wirklich im Widerspruch zu genuiner katholischer Lehre stünde. Die Frage nach der Zahl der Sakramente ist ja eine Frage engerer oder weiterer Bestimmung des Begriffs des Sakramentes.

Die Leiblichkeit der Sakramente hat nicht den Charakter der Dinglichkeit (318); sie sind auch nicht auf einen "Befehl" Jesu zurückzuführen, sondern sie sind Handlungen, in denen man sich dem anbefiehlt, was in Jesus Christus der Welt gegeben ist (ebd.). Die Sakramente sind Empfangshandlungen, weshalb niemand ein Sakrament an sich selbst vollziehen kann (321). Durch Taufe und Abendmahl ereignet sich der Glaube als das Sein in Christus "in der Weise leiblicher Handlung als Einbeziehung in bestimmte Situationen des Lebens Jesu, und zwar in diejenigen, in denen sich sein Leben und Sterben als ein Ganzes darstellt, als Hingabe für die anderen" (323). Das Sakrament verleiht keine andere Gabe, als sie das Wort verleiht, wenn es sie auch anders verleiht (322).

Dennoch gilt, daß die Kirche als geschichtliche Institution erst durch die Sakramente konstituiert wird, weshalb auch die Gemeinde der Ort ist, wo die Sakramente vollzogen werden (324). Aber bereits wer mit dem Glauben in Berührung gekommen ist, befindet sich im Wirkungsbereich der Kirche (331).

Für das reformatorische Glaubensverständnis von der Kirche ist entscheidend, daß die Frage, was die Kirche ist, nicht die Frage überwuchern darf, was sie zu Kirche macht, und das ist ja offensichtlich nicht sie selbst (334). In seinen Aussagen über die Kirche verwendet Ebeling die Termini "Partikularkirche" und "Universalkirche" etwas anders, als dies gewöhnlich in katholischen Texten der Fall ist (abgesehen davon, daß sich in der deutschen katholischen Theologie für "ecclesia particularis" die sprachlich doch wohl falsche Übersetzung "Teilkirche" eingebürgert zu haben scheint; richtig wäre "Einzelkirche", denn das Wort "particularis" meint nicht den Teil, sondern die Besonderheit). Ebeling versteht unter Partikularkirche "die geschichtliche Einzelgestalt von Kirchen aller Größenordnungen" (356), die jeweils die Kirche Gottes überhaupt repräsentieren (337). Der Begriff Universalkirche bedeutet dagegen die prinzipiell nicht organisatorisch darstellbare, allein Gott offenbare wahre Kirche (356), nicht aber eine Art über die Einzelkirchen hinausgehende "Aufstockung" von Ekklesia Gottes als ganzer (337). Ein Zeichen der echten Universalität auch einer Partikularkirche könne es sein, gelten zu lassen, daß der Leib Christi seine Glieder auch außerhalb der organisierten Kirchen hat (384).

In der Tat gilt auch nach katholischer Lehre, daß die eine Kirche Jesu Christi in den einzelnen Kirchen und nicht noch einmal daneben oder darüber subsistiert (vgl. II. Vatikanum, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Nr. 8,2 und 26, 1); so wie der Begriff "Universalkirche" in der katholischen Kirche gebraucht wird, meint er den Verbund einer Reihe von Partikularkirchen, der selber wie seine einzelnen Gliedkirchen Ort der Subsistenz der einen Kirche Christi ist. Die eine Kirche Christi subsistiert nicht anders denn in Partikularkirchen, die untereinander das Band der Einheit zu wahren haben. Und dieser einen Kirche sind auch Menschen, die nur "anonym" glauben, zugeordnet (vgl. ebd., Nr. 16).

Zur Überwindung der heutigen Relevanzkrise der Kirche bedarf es nach Ebeling "eines solchen Einsatzes der Kirche, in dem sie hinter dem einzigen zurücktritt, was sie glaubwürdig zu machen imstande ist"; zum anderen ist es notwendig, "daß Erfahrung von Gemeinschaft in Freiheit ermöglicht wird" (351). Die Vermittlung von Lebenserfahrung wäre bereits ein Akt frei machender Freiheit; die "Ausrichtung auf den Punkt, an dem die Überwindung der Einsamkeit und der Gewinn wahrer Freiheit identisch werden, dürfte kaum in den Verdacht kommen, am heutigen Menschen vorbeizugehen". Und schließlich wäre es nötig, "die Erfahrung des Gebrauchtseins zuzumuten" (352). Die vielfache Überforderung der Pfarrer und kirchlichen Mitarbeiter ist oft die Folge einer mangelnden Inanspruchnahme brachliegender Kräfte. Der gelegentlichen Klage, daß die Predigthörer überfordert werden, stellt Ebeling die Bemerkung entgegen, man habe im allgemeinen eher darüber zu klagen, daß die Predigt den Hörer "durch eine spezifische Art der Anspruchslosigkeit strapaziert" (ebd.).

Mit der Fundamentalunterscheidung zwischen der Kirche und dem, was sie zur Kirche macht, soll ausgesagt werden, daß der Grund der Kirche Jesus Christus ist. Auf die historische Frage nach dem Ursprung der Kirche läßt sich präzise antworten, daß Jesus nicht ihr Gründer, sondern ihr Grund ist, und zwar in der Ganzheit seiner Person, seines Lebens und Sterbens (359); deshalb wäre es auch völlig abwegig, an Jesu Stelle die ersten Christgläubigen als die Gründer der Kirche anzusehen (ebd.).

Die Sammlung der Kirche zum Gottesdienst muß immer im Dienst derjenigen Sendung stehen, die zur Sammlung des Volkes Gottes führt. Dabei wird "die wache und tätige Aufmerksamkeit gerade auch auf die leiblichen Nöte der Menschheit zum Kriterium dafür, ob die Kirche der Welt die Botschaft von der Liebe Gottes wirklich aus Liebe und in Liebe ausrichtet" (364).

Von der Funktion des kirchlichen Amtes gilt, daß zwar nicht seine Vollmacht, wohl aber das Recht und die Pflicht, sie auszuüben, auf kirchlicher Berufung beruht; dabei charakterisiert zwischengemeindlicher Beistand nach evangelischem Verständnis alle kirchenleitenden Funktionen (368).

11. Eschatologie ist die Rückstrahlung des Glaubens an den Heiligen Geist von der Welt (386); so handelt dieses 11. Kapitel von der "Überwindung der Welt". Der christliche Glaube hat dabei "keine Verheißung eines innergeschichtlichen Heilszustandes und darum auch keine Möglichkeit, entsprechende Utopien zu unterstützen" (395); er macht vielmehr von der Illusion einer Vollendung in diesem Leben und innerhalb der Geschichte frei. Das Nein zur Umdeutung der Ewigkeitshoffnung in ein innergeschichtliches Hoffnungsziel kann nach Ebeling heute nicht scharf genug ausgesprochen werden (435). Auch umgekehrt besteht zu Unheilsprophetien nur insoweit ein Recht, als sie sich aus rationaler Einschätzung der Situation ergeben (396).

Christliche Eschatologie betrachtet die Ewigkeit als die Tiefendimension der Zeit (420), wobei die Ewigkeitsaussagen als Ausdruck der Überlegenheit über die Zeit notwendig futurischen Richtungssinn haben (424). Zum Glauben und zu seinen Früchten, dem Lieben und Hoffen, braucht man nicht viel Zeit, sondern nur den Augenblick, den aber ganz und in ungeteilter Hingabe. Dieser Augenblick wird geradezu zur Quelle von Zeit (421).

"Wie der christliche Glaube wahrer Glaube, Glaube schlechthin zu sein beansprucht und die christliche Liebe keine Sonderliebe sein will, sondern wirkliche Liebe, Erfüllung dessen, was Liebe im reinsten Sinne sein kann und soll, so muß auch die christliche Hoffnung dabei behaftet werden, daß sie dem menschlichen Verlangen nach Hoffnung gerecht wird und ihm den Zugang öffnet zu berechtigter, gewisser, nicht zu enttäuschender Hoffnung." (428) Diese Feststellung wäre mißverstanden, wenn man ein bestimmtes Modell menschlicher Hoffnung zum Maßstab dessen machen wollte, was von der christlichen Hoffnung zu halten sei (ebd.). Das Christentum proklamiert im übrigen die Erfüllung aller Weissagungen in Christus und bestreitet damit die Möglichkeit neuer echter Weissagung (443).

In bezug auf Aussagen futurischer Eschatologie empfiehlt Ebeling, sie "testweise auf ein simul zu reduzieren", nämlich "auf die eine Aussage, daß die Doxa Gottes, wie sie sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat, endgültig zu ihrem Recht kommt" (464).

Das Verständnis von der Auferstehung der Toten würde durch alles verfälscht, was sich nicht in die spes purissima in purissimum deum (WA 5; 166,18) fügt (464). Die Leiblichkeit der Auferstehung bedeutet, daß vor Gott der Mensch als ganzer erscheint, nicht bloß in der Einheit von Leib und Seele, sondern auch in der Ganzheit seines Leibeslebens (465). Dann führt das "Gericht nach den Werken" alle Rechtfertigung aus den Werken ad absurdum (470).

12. "Gott alles in allem" ist das Schlußkapitel und Summarium der Dogmatik überschrieben. Gott soll in seinen Werken als der erkannt werden, der größer als alle seine Werke ist (475). Gott wäre nicht Gott, wenn er nicht in allem verborgen am Werk wäre (488); dies ist zwar keine Erklärung des Bösen, wohl aber gilt dann, daß selbst die Macht des Bösen ohne Gott nicht sein kann. "Es wird so oft dahergeredet, nach Auschwitz und Hiroshima könne man nicht mehr an Gott glauben. Abgesehen davon, daß dies wohl dem Grad nach, aber nicht der Art nach die Präsenz des Bösen in der Welt verändert hat, wäre doch zu fragen, ob nicht heute die Kraftlosigkeit des Glaubens an Gott gerade darauf zurückzuführen ist, daß man dem ausweicht, auch die Fürchterlichkeit solcher Geschehnisse mit Gott zusammenzudenken." (ebd.) Der Glaube läßt "auch in den dunkelsten Stunden der Geschichte, der Welt wie des eigenen Lebens, die Gewißheit nicht fahren, in der Hand und unter der Herrschaft Gottes zu sein, auch wenn nichts als das nackte Gegenteil davon zu erkennen ist" (489). Hat nicht die Schwäche der traditionellen Gottesbeweise ihren Grund "in der künstlichen Ausklammerung des Bösen" (ebd.)?

Unter dem "Reich Christi" versteht Ebeling die gegenwärtige Zeit der Christus-Verkündigung und des Glaubens an ihn. Es ist also "zwischen dem Reich Christi als der im Kommen begriffenen Herrschaft Gottes und dem Reich Gottes als der zur Vollendung gekommenen Herrschaft Christi zu unterscheiden" (498). Schlechterdings ausgeschlossen ist jedoch, "das Reich Gottes durch geschichtliches Handeln des Menschen in der Geschichte selbst herzustellen, so daß es als eine neue und endgültige Geschichtsperiode zu gelten hätte" (502). Daß wir anderseits überhaupt über das Reich Gottes in seiner Vollendungsgestalt Aussagen machen können, beruht allein "auf dem, was wir davon in diesem Leben und an dieser Schöpfung erfahren, und darauf, daß wir zugleich über dieses Leben und diese Schöpfung hinausgewiesen werden, weil sie nicht, unsere ewige Bleibe sind" (506).

So wird das Theodizeeproblem in neuer Weise im Sinn der Selbstrechtfertigung Gottes gefaßt. Die Antwort des christlichen Glaubens beruht darauf, "daß der Problemgehalt anders erfaßt ist und sogar die Fragerichtung selbst eine Umkehrung erfährt" (514). Gegenüber einer Theodizee, die die Leiden des Einzelnen auf ein Weltganzes verrechnen will, deckt sich für den christlichen Glauben "das, was für das Ganze gilt, mit dem, was für den Einzelnen uneingeschränkt gilt und ihm zuteil wird" (516). Es stellt dagegen "eine Verkehrung des Christlichen dar, wenn die Rechtfertigung daraus geschöpft wird, daß der Einzelne gewissermaßen zum Dünger der Weltgeschichte wird. So sehr gerade vom christlichen Glauben her der Gedanke der Hingabe des eigenen Lebens für andere und damit auch für die Zukunft der Welt wichtig werden kann, ist er doch nicht der Grund, sondern die Folge des Rechtfertigungsgeschehens." (ebd.) Im christlichen Verständnis werden gerade die Sachverhalte, die das Theodizeeproblem am brennendsten machen, nämlich daß der Ungerechte am Leben bleibt und der Unschuldige leiden muß, zur eigentlichen Antwort auf die Theodizeefrage. Die Selbstrechtfertigung Gottes geschieht als die Rechtfertigung des Menschen durch Gott (518).

Nach dem Verfahren dieser Dogmatik durchzieht die Gotteslehre das Ganze, sie kommt jedoch erst in der Prädestinationslehre und dann der Trinitätslehre zum Abschluß. In der Prädestinationslehre geht es nicht um die Beugung unter ein dunkles Fatum, sondern darum, auch das Unbegreifliche in das Licht zu rücken, das von Gott her aufgegangen ist (523). "Weil allein in Gottes Entscheidung das Heil liegt, eben deshalb und allein deshalb gibt es Heilsgewißheit." (527) Ob und wie "eine Trennung zwischen der Sünde und dem Sünder" eintreten wird, ist uns jedoch völlig verborgen und gehört zu dem, was der Glaube, ohne es zu begreifen, Gott anheimstellt (528).

Vielleicht wäre an dieser Stelle zu fragen, ob man nicht unterscheiden muß zwischen einer bloß weltanschaulichen Apokatastasislehre, die völlig abzulehnen ist, und einem dem Glauben gemäßen Sinn einer Apokatastasislehre. Im weltanschaulichen Sinn würde man sich, ohne selbst bereits Gottes Gnade annehmen zu wollen, mit der Vorstellung künftiger Gnade begnügen, was ja gerade die Ablehnung der gegenwärtig angebotenen Gnade ist. Wer so denkt, dem ist zu sagen, daß er sich einer Illusion hingibt und in Wirklichkeit auf dem Standpunkt, auf dem er sich befindet, keinerlei wirkliche Hoffnung hat. Aber gibt es nicht auch einen dem Glauben gemäßen Sinn der Apokatastasislehre? Hat nicht, wer bereits jetzt im Glauben lebt, Hoffnung für alle Menschen und ist innerhalb des Glaubens dessen gewiß, daß niemand im Himmel fehlen wird, für den doch Christus sein Leben gegeben hat? Denn "Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen, um sich aller zu erbarmen" (Röm 11, 32).

Eine entschlossene Konzentration darauf, was heute vom christlichen Glauben her an Lebensnotwendigem zu sagen wäre, würde eine weitgehende Reduktion der Dogmatik bewirken (530), wobei dann dem trinitarischen Dogma die entscheidende hermeneutische Funktion für alle Glaubensaussagen zukäme (532). In der Trinitätslehre geht es letztlich um "das Zusammensein des Menschen mit Gott zwischen Gott und Gott" (542). Sinnvoller als nach Analogien für die Trinität zu suchen, scheint es deshalb zu sein, das Sein des Menschen zwischen Schöpfung und Vollendung als das Sein des angenommenen Sünders den nächstliegenden Sachverhalt sein zu lassen, von dem her das trinitarische Gottesverständnis erhellt werden kann (ebd.).

Tatsächlich geht es in der Trinitätslehre darum, daß eine Gemeinschaft des Menschen mit Gott nur so ausgesagt werden kann, daß er in die Liebe Gottes zu Gott, des Vaters zum Sohn, die der Heilige Geist ist, aufgenommen wird.

Völlig haltlos ist nach Ebeling der Gedanke, die trinitarische Gottesaussage in ein heilsgeschichtliches Nacheinander aufzulösen, als werde Gott erst heilsgeschichtlich zum trinitarischen Gott (542). Allerdings kann die Lehre von der innergöttlichen Trinität ihre Aufgabe allein dann sachgemäß erfüllen, wenn sie an dem orientiert ist, was durch die Offenbarung in der Geschichte kund geworden ist (543). Wie Gottes äußerstes Werk, so ist auch sein innerstes Wesen Liebe (544). Deshalb ist der Glaube nichts anderes als ein Sich-von-Gott-geliebt-Wissen.

Für diese ganze Dogmatik ist der Begriff der "Fundamentalunterscheidung" kennzeichnend: gemäß dem christologischen Dogma geht es in überhaupt allen theologischen Aussagen um unterscheidende Inbeziehungsetzung anstelle von Vermischung oder Trennung von Gott und Welt. In dieser Dogmatik wird überall die christliche Botschaft in ihrem Bezug auf die Erfahrung interpretiert. Viel zu denken geben die ausführlichen Analysen von Grunderfahrungen, auf die sich der Glaube bezieht: Leben, Freiheit, Gewissen, Vollmacht. Es handelt sich um eine reformatorische Rechenschaft über den Glauben, die m. E. mit Recht beanspruchen kann, über den christlichen Glauben als solchen Rechenschaft zu geben. Die reformatorische Unterscheidung von Gesetz und Evangelium, die hier eingeübt wird, ist ein hermeneutisches Instrument, das auch für katholische Theologie außerordentlich hilfreich wäre.



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