Letzte Aktualisierung:  10. Juni 2006, PK

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Peter Knauer SJ
 

DIE »KATHOLISCHE KIRCHE«

SUBSISTIERT IN DER »KATHOLISCHEN KIRCHE«

Zur ökumenischen Tragweite von Lumen gentium 8,2  

ZUSAMMENFASSUNG: Nach LG 8,2  subsistiert die »katholische Kirche«, von der im Glaubensbekenntnis die Rede ist, in der »katholischen Kirche«. Offenbar ist bei der ersten Nennung die universale Kirche, die Kirche überhaupt und als solche, gemeint, während bei der zweiten Nennung die »katholische Kirche« als eine Einzelkirche gemeint ist. Nichts hindert, daß die eine universale Kirche auch als in anderen christlichen Kirchen subsistierend ausgesagt werden kann. Wo immer überhaupt an Jesus Christus im Sinn seiner Gottessohnschaft geglaubt wird, handelt es sich um ein und denselben Glauben und um ein und dieselbe eine Kirche.
 
In LG 8,1 wird das Geheimnis der Kirche mit dem Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes verglichen. Wie der Sohn Gottes die individuelle Menschennatur Jesu angenommen hat, so habe auf nicht unähnliche Weise der Heilige Geist das soziale Gefüge der Kirche mit sich verbunden. Dementsprechend könnte man in Analogie zur Menschwerdung des Sohnes geradezu von einer Kirchewerdung des Heiligen Geistes sprechen. In der Tat besteht ja das Geheimnis der Kirche darin, daß der Heilige Geist ein und derselbe in Christus und in den Christen ist, eine Person in vielen Personen(1). In n. 8,2 fährt der Text der Konzilskonstitution fort (kursive Auszeichnung von mir): Wenn man diesen Text ein wenig gerafft liest, scheint er eine erstaunliche Formulierung zu enthalten: Die im Glaubensbekenntnis gemeinte katholische Kirche subsistiere in der katholischen Kirche. In einer solchen Formulierung gewinnt der zweimal vorkommende gleiche Ausdruck »katholische Kirche« un<154>vermeidlich eine etwas unterschiedliche Bedeutung. Welche katholische Kirche ist jeweils gemeint? Und von welcher gilt dann die Aussage von UR 3,5: »Denn nur durch die katholische Kirche Christi [per solam enim catholicam Christi Ecclesiam], die das allgemeine Hilfsmittel des Heiles ist, kann man Zutritt zu der ganzen Fülle der Heilsmittel haben«?
 

I. Zur Vorgeschichte von LG 8,2

Im ursprünglichen Schema der Dogmatischen Konstitution über die Kirche, das am 23. November 1962 an die Konzilsväter verteilt wurde, hatte der entsprechende Passus gelautet:

In diesem Vorentwurf wurde anscheinend eine völlige Identifizierung der römisch-katholischen Kirche mit der im Glaubensbekenntnis genannten Kirche Christi vorgenommen und gleichzeitig bestritten, daß sich auch andere christliche Gemeinschaften überhaupt mit Recht als Kirchen bezeichnen dürften.

Im nächsten Schema, das den Konzilsvätern am 22. April 1963 übersandt wurde, lautet der Text:

Neu ist der Hinweis auf die »Elemente der Heiligung« außerhalb des »gesamten Gefüges« der Kirche. Neu ist ferner, daß von der katholischen Kirche, von der im Glaubensbekenntnis die Rede ist, ausgesagt wird, sie sei in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, noch ehe von ihr ebenfalls ausgesagt wird, sie sei mit der vom römischen Bischof und den mit ihm in Gemeinschaft stehenden Bischöfen geleiteten Kirche identisch. Und die vom römischen Bischof geleitete Kirche wird im Text selbst nicht mehr als »römisch« bezeichnet. Ein Grund dafür könnte sein, daß zum Beispiel die mit Rom unierten Ostkirchen sich selber gewöhnlich doch als von der römischen Kirche verschiedene Einzelkirchen verstehen.

Im erneut verbesserten Schema, das am 3. Juli 1964 versandt wurde, sind die weiteren Änderungen schon im damaligen Druck kursiv ausgezeichnet; und es handelt sich hier bereits um den endgültigen Text:

Wichtig ist hier vor allem die Ersetzung des Wortes »ist [est]« durch »ist verwirklicht in [subsistit in]«. Im Bericht(6) für die Konzilsväter wird dazu erläutert: Anstelle von »ist« heiße es nunmehr »ist verwirklicht in«, damit der Ausdruck »besser übereinstimme mit der Behauptung, daß kirchliche Elemente auch anderswo vorhanden sind [adsunt]«. Entsprechend wird das Gefüge der Kirche auch nicht mehr als ihr »gesamtes« Gefüge bezeichnet; der Grund dafür scheint zu sein, daß auch die vermeintlich »anderswo« auffindbaren Elemente in Wirk<156>lichkeit noch immer zu ihrem Gefüge gehören könnten. Ferner wird darauf hingewiesen, daß es jetzt heiße, »man finde« solche Elemente, statt »sie können gefunden werden«, um besser den anderen Aussagen der Konzilskonstitution (z.B. n. 15(7)) zu entsprechen. Und man wollte unterstreichen, daß auch die Kirche selber alle Heiligung und Wahrheit als Gnade empfängt und nicht etwa aus sich selbst hat.

Die Ersetzung des »est« durch »subsistit in« stieß bei einigen Konzilsvätern auf Widerspruch. Der Bericht der Konzilskommission vom 30. Oktober 1964 lautet diesbezüglich(8):

Dieser Vorschlag dürfte dem heute am meisten verbreiteten Verständnis des Konzilstextes entsprechen(9). Gleichwohl ist er von der Konzilskommission selbst nicht angenommen worden. Das heute verbreitete Verständnis des Konzilstextes interpretiert diesen von einer Vorform her, die in ihm gerade überwunden werden sollte. Weiter heißt es in dem Bericht: Zur Beurteilung erklärte die Konzilskommission:<157> II. Zur Interpretation des endgültigen Textes

Zunächst ist nach der genauen Bedeutung des Ausdrucks »subsistit in« zu fragen. Die offizielle deutsche Übersetzung mit »ist verwirklicht in« legt die unzutreffende Vorstellung nahe, es sei zunächst nur von der Kirche als einer unsichtbaren Idee die Rede, die überhaupt erst in der unter dem Papst stehenden katholischen Kirche verwirklicht und sichtbar gemacht werde. Aber mit der katholischen Kirche, von der im Glaubensbekenntnis die Rede ist, kann nicht nur eine Idee gemeint sein. Vielmehr heißt es von dieser Kirche von vornherein, sie sei »in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet«. Diese irdische Verfaßtheit und Sichtbarkeit wird ihr noch im voraus zu der Tatsache zugeschrieben, daß sie in der mit dem Papst verbundenen Kirche subsistiere. Sie ist also von vornherein eine geschichtliche Größe und nicht nur eine erst noch zu verwirklichende Idee.

Im Gesamttext der Konzilskonstitution selbst begegnen zwei Formulierungen, die mit dem »subsistit in« einigermaßen austauschbar zu sein scheinen. In n. 26,1 heißt es:

Entsprechend könnte man sagen, daß die im Glaubensbekenntnis als katholisch bezeichnete Kirche in dem Sinn in den verschiedenen Einzelkirchen subsistiere, daß sie in ihnen wahrhaft gegenwärtig ist. Diese Deutung wird dadurch bestä<158>tigt, daß dieser Abschnitt in der dazugehörigen Relatio so zusammengefaßt worden ist: Die andere ähnliche Stelle in der Kirchenkonstitution, nämlich n. 23,1, lautet: Die offizielle deutsche Übersetzung auch dieses Textes ist leider recht ungenau. Es müßte besser heißen: Die Übersetzer haben den Begriff der »ecclesia universalis«, der die Kirche als solche meint, von der im Glaubensbekenntnis die Rede ist, mit dem kirchenrechtlichen Begriff der »ecclesia universa« verwechselt. Im CIC von 1983 kommt nur dieser Begriff vor, nicht aber »ecclesia universalis«(12).

Und nur der Begriff »ecclesia universa« würde treffend mit »Gesamtkirche« übersetzt. Ihrem ursprünglichen Übersetzungsfehler konsequent folgend haben sowohl die Übersetzer der Konzilsdokumente wie die des CIC dann aus den »ecclesiae particulares«, womit »Einzelkirchen« gemeint sind, statt dessen »Teilkirchen« gemacht. Das lateinische Wort particularis (vgl. auch seine Entsprechungen in den romanischen Sprachen) meint aber nicht den Teil, sondern das Besondere, Einzelne. Die Vorstellung der Übersetzer war vermutlich, daß die Gesamtkirche sich in dem Sinne »aus« ihren Teilen zusammensetzt, daß man diese zueinander addieren muß, um die Gesamtkirche zu erhalten. Aber wenn zum Beispiel ein Ring »aus« Gold ist, bedeutet dies ja auch nicht, daß das Gold ein Teil des Ringes sei.

Es gibt die eine Kirche Jesu Christi zwar nur in der Weise, daß sie in vielen »Einzelkirchen« besteht und insofern aus ihnen besteht. Aber dies ist nicht dasselbe wie, daß sie sich aus vielen Teilkirchen »zusammensetzt«; richtig muß <159>man vielmehr sagen, daß sie in der Weise aus »Einzelkirchen« besteht, daß sie in jeder von ihnen voll gegenwärtig ist.

Der Ausdruck »subsistere in« kommt noch an zwei Stellen des Ökumenismusdekrets vor. In UR 4,3 heißt es:

Die andere Stelle ist UR 13,2: Aus dem Vergleich ergibt sich, daß »subsistit in« in LG 8,2 gut mit »gegenwärtig ist in« übersetzt werden kann; vielleicht käme gegenüber einem bloßen »vere adest in« noch die Nuance hinzu, daß es um ein wesenhaftes, bleibendes Gegenwärtigsein geht.

Durch die Ersetzung des »est« durch »subsistit in« ist aber auch der jeweilige unmittelbare Kontext mitverändert worden. Und zwar gilt dies unabhängig von der Frage, wievielen Konzilsmitgliedern, die über den Text abgestimmt haben, solches ausdrücklich bewußt war(13). Solange es hieß, daß die im Glau<160>bensbekenntnis als die »katholische« bezeichnete Kirche einfachhin die römische »katholische« Kirche sei, waren die beiden dann miteinander gleichgesetzten Größen überhaupt nicht voneinander abgehoben. Unvermeidlich tritt aber eine Bedeutungsveränderung auch dieser Begriffe ein, sobald man sagt, die »katholische Kirche« subsistiere in der »katholischen Kirche«. Diese Formulierung ist logisch nur möglich, wenn der Ausdruck »katholische Kirche« in den beiden Fällen nicht mehr in völlig derselben Bedeutung gebraucht wird. Und daraus können sich sogar Folgerungen ergeben, mit denen man ursprünglich gar nicht gerechnet hätte und die einem vorerst vielleicht nicht einmal lieb sind.

Offenbar wird der Begriff »katholische Kirche« zunächst in einer »transzendentalen« und dann in einer »kategorialen« Bedeutung gebraucht. Zuerst ist von der Kirche als solcher und überhaupt die Rede, der Kirche »schlechthin«, also von der »universalen« Kirche, dann aber von einer »Einzelkirche«. Die im Glaubensbekenntnis als katholisch bezeichnete Universalkirche ist in der unter der Leitung des Papstes und der mit ihm verbundenen Bischöfe stehenden Einzelkirche voll gegenwärtig. Aber diese römische katholische Kirche ist nicht mehr selbst die Universalkirche, sondern läßt sich aufgrund der Ersetzung des »est« durch »subsistit« nur noch als Einzelkirche verstehen, in der die Universalkirche sich ausdrückt. Diese Einzelkirche mag dann ihrerseits durchaus auch eine »Gesamtkirche« sein, die in sich viele Einzelkirchen vereinigt. Die im Glaubensbekenntnis »katholisch« genannte Kirche subsistiert in der Kirche, die sich unter den vielen christlichen Kirchen die »katholische« nennt. Letztere stellt sich damit unter einen Normbegriff, den sie dadurch einlösen muß, daß ihre Verkündigung tatsächlich »jedermann angeht«, also sich als »allgemeinverständlich« und »allgemeinverbindlich« erweist. Daß einem diese Forderung auch unangenehm werden könnte, erklärt vielleicht, warum man das griechische Fremdwort gewöhnlich lieber unübersetzt läßt. Es sei ferner darauf hingewiesen, daß von der ursprünglichen Wortbedeutung her die Begriffe »katholisch (= den ganzen Erdkreis betreffend)« und »ökumenisch (= die ganze bewohnte Welt angehend)« eigentlich austauschbar wären. Vielleicht bestünde die besondere Sendung der römischen katholischen Kirche gerade darin, der Einheit aller Kirchen zu dienen.

Die im Glaubensbekenntnis aufgezählten Kennzeichen der Kirche, nämlich Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität, sind Eigenschaften, die mit dem Glauben an das in Jesus Christus selbst ergangene »Wort Gottes« in unauf<161>löslicher Weise verbunden sind. Es ist dieses Wort selbst, das die Kirche als solche (= die Universalkirche) konstituiert. Der Glaube an Jesus Christus ist so grundsätzlich nur ein einziger, heiligend, allen Menschen zu verkünden und von der von Jesus auf den Aposteln gegründeten Kirche ausgehend, daß diese Eigenschaften von ihm untrennbar sind. Diese Eigenschaften können dem Glauben an Jesus Christus auch nicht bloß in einem mehr oder minder hohen Grad zukommen, sondern sie kommen ihm grundsätzlich in unüberbietbarer Weise zu. Auch der Glaube selbst läßt keine unterschiedlichen Grade zu. Als in Lk 17,5 die Jünger um eine Mehrung ihres Glaubens bitten, erläutert ihnen Jesus, daß man den Glauben nicht vermehren kann, sondern daß es nur darum geht, zu erfassen, was man in einem noch so geringen Glauben tatsächlich bereits empfangen hat(14). Es gibt nur unterschiedliche Grade der Entfaltung ein und desselben Glaubens, aber nicht den Unterschied zwischen verschiedenen Stufen der Vollkommenheit des Glaubens.
 

III. Ökumenische Fragen

1) »Mangelhafter« Glaube?

Der gewöhnliche Grund dafür, jemandem die volle Kirchengemeinschaft zu verweigern, ist die Meinung, er habe einen »mangelhaften Glauben«. Gewiß anerkennt man zumindest seit dem II. Vatikanum in unserer Kirche, daß auch andere Christen, die an Jesus Christus glauben, »aus dem Glauben in der Taufe gerechtfertigt sind und Christus eingegliedert sind« (UR 3,1) und damit wirklich zu seinem Leib gehören. Und nicht nur von den einzelnen Glaubenden in den anderen Gemeinschaften gilt, daß sie der Gnade Gottes teilhaft sind, sondern nach UR 3,4 hat sich der Heilige Geist selbst »gewürdigt«, auch ihre Kirchen und Gemeinschaften »trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften«(15) »als Mittel des Heils zu gebrauchen«. Aber weder das anerkannte Eingegliedertsein anderer Christen in Christus noch die Tatsache, daß ihre Kirchen Instrument des Heiligen Geistes geworden sind, scheinen dazu auszureichen, um ihnen zum Beispiel ohne zusätzliche Hindernisse auch Kommuniongemeinschaft zu gewähren. Dies sollte man jedoch im Licht von Apg 10,47 und 11,17 neu bedenken. Nach diesen Texten kann von der Kommunion niemand <162>mit Recht ausgeschlossen werden, der mit uns daran glaubt, daß sein Glaube in der Eucharistie von Jesus selbst lebt.

Eine solche Auffassung, daß andere den christlichen Glauben nur teilweise übernommen haben könnten, setzt die Meinung voraus, daß er aus zueinander zu addierenden Elementen besteht, die man möglichst vollständig aufsammeln muß. Diese Meinung entsteht, wenn man die vielen Glaubensaussagen nur gleichsam katalogisiert, ohne zu erfassen, wie sie einander notwendig implizieren. Sie ist aber möglicherweise selber das Haupthindernis für eine ökumenische Verständigung, sozusagen der Balken in unserem eigenen Auge, den wir entfernen müssen, ehe wir daran gehen können, auch den Splitter im Auge anderer entfernen zu helfen (vgl. Mt 7,3­5).

Könnte es nicht sein, daß alle wirklichen Glaubensaussagen einander notwendig so implizieren, daß sie immer nur die Entfaltung ein und desselben Grundgeheimnisses unserer Gemeinschaft mit Gott sind, welche darin besteht, daß wir uns von Jesus her in sein Verhältnis zum Vater aufgenommen wissen? Deshalb hatte Irenäus von Lyon gelehrt: »Da der Glaube ein und derselbe ist, hat keiner mehr, der viel über ihn sagen kann, und keiner hat weniger, der wenig über ihn sagen kann«(16).

Die Einheit und Einzigkeit des Glaubens an Jesus Christus beruht darauf, daß an Jesus Christus glauben bedeutet, sich aufgrund seines Wortes von Gott mit der Liebe geliebt zu wissen, in der Gott ihm als seinem eigenen Sohn zugewandt ist. Dies ist aber eine Liebe, die an nichts Geschöpflichem ihr Maß hat und insofern auch nicht von der Perspektive des jeweiligen Menschen in ihrer Größe affiziert wird. Man kann diese Liebe Gottes nicht an etwas Geschaffenem ablesen, denn sie hat nicht daran ihr Maß. Sie kann einem nur im Wort gesagt werden und sie wird nur im Glauben erfaßt.

Wir verstehen unter »Wort Gottes« dieses mitmenschliche Wort der Weitergabe des Glaubens, das ursprünglich in Jesus von Nazaret ergangen ist und nun vom Glauben zum Glauben (Röm 1,17) weitergesagt wird und dadurch die Kirche selbst konstitutiert.

Der Inhalt der christlichen Botschaft besteht letztlich in nichts anderem als der Erläuterung dafür, wie sie überhaupt beanspruchen kann, »Gottes Wort« zu sein. Denn der Anspruch einer Botschaft, »Wort Gottes« zu sein, ist auch in seiner bloßen Möglichkeit zunächst einmal alles andere als selbstverständlich. Wie kann man behaupten, daß der Gott, »ohne den nichts ist«, der aber selbst in unzugänglichem Licht wohnt (1 Tim 6,16), Gemeinschaft mit sich schenkt? <163>Eine Selbstzuwendung Gottes zur Welt läßt sich nur in einem trinitarischen Gottesverständnis so aussagen, daß nicht die Welt das Maß seiner Liebe wird. Gott wendet sich der Welt mit einer Liebe zu, die von Ewigkeit her als der Heilige Geist die Liebe des Vaters zum Sohn ist.

Als »Gottes Wort« ist die christliche Botschaft die offenbar werdende liebevolle Zuwendung Gottes zu uns in mitmenschlichem Wort. Um aber im Ernst von »Gottes Wort« sprechen zu können, muß man sich auf die Menschwerdung Gottes berufen können. Nur so wird die Rede von Gottes Selbstmitteilung in der Weise des Wortes verständlich.

Die im »Wort Gottes« geschehende und offenbar werdende Liebe Gottes anzuerkennen, bedeutet einen Glauben, der das Erfülltsein vom Heiligen Geist ist. In einem solchen Glauben stimmt man nicht nur faktisch mit allen anderen Glaubenden überein, sondern kann auch nur übereinstimmen. Denn alle Sachverhalte, deren Erkenntnis von der Perspektive abhängt, in der sie jeweils gesehen werden, werden von verschiedenen Subjekten auch verschieden gesehen, und man kann nie völlig mit anderen in dieser Sicht übereinstimmen. Der christliche Glaube ist jedoch genau umgekehrt solcherart, daß man in ihm streng genommen, wenn überhaupt, dann nur völlig übereinstimmen kann. Denn wir glauben etwas, das sein Maß nicht an irdischen Perspektiven und überhaupt an nichts Geschaffenem hat, sondern ein und dasselbe, die ewige Liebe des Vaters zum Sohn ist, in die wir aufgenommen sind.

Die große Theologie des Mittelalters konnte deshalb formulieren: »Dem Glauben kann nichts Falsches zugrundeliegen [fidei non potest subesse falsum]« (vgl. DH 1534). Ein solcher Satz ist überhaupt nur unter der Bedingung sinnvoll, daß er besagt: Als Glaubensaussagen im Sinn einer Selbstmitteilung Gottes verstehbare Aussagen, die dennoch falsch sind, sind überhaupt nicht herstellbar. Denn als Glaubensaussagen im Sinn einer Selbstmitteilung Gottes verstehbare Aussagen müssen Aussagen sein, in denen selbst genau das geschieht, wovon sie sprechen, nämlich Gottes liebevolle Zuwendung zu uns in dem mitmenschlichen Wort der Weitergabe des Glaubens. Wenn sie tatsächlich so verstehbar sind, dann sind sie notwendig »aus sich« wahr (vgl. DH 3074). Für andere Dinge Glauben zu beanspruchen, führt nicht zu einer verständlichen, aber falschen, sondern nur zu einer von vornherein unverständlichen Aussage. Sie läßt sich dann auch beim besten Willen nicht mehr im Sinn einer Selbstmitteilung Gottes verstehen. Dadurch (und nicht erst durch registrierende oder gar behördlich überwachende Maßnahmen) ist die Reinerhaltung des Glaubens in seiner »Vollständigkeit und Unversehrtheit« gewährleistet.

<164>Die Kirchenkonstitution sagt in n. 12,1: »Die Gesamtheit der Gläubigen [universitas fidelium], welche die Salbung von dem Heiligen haben (vgl. 1 Joh 2,20 u. 27), kann im Glauben nicht irren.« Wenn das Konzil gleichzeitig auch anderen Christen wirklichen Glauben an Jesus Christus zuschreibt (vgl. das obige Zitat aus UR 3,1), dann gehören auch sie zu der Gesamtheit der Glaubenden, die deshalb im Glauben nicht irren können, weil der Glaube das Erfülltsein vom Heiligen Geist ist und sich auf ein Wort bezieht, das nur als »aus sich wahr« verstanden werden kann, weil es von etwas spricht, was in ihm selber geschieht, nämlich von Gottes liebevoller Zuwendung zu uns in jenem menschlichen Wort, das aufgrund der Menschwerdung des Sohnes selber Gottes Wort ist.

Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität sind Eigenschaften, die nicht nur der Kirche, sondern dem christlichen Glauben selbst in unverlierbarer und unüberbietbarer Weise zukommen. Nur aufgrund dieses Sachverhalts kann auch unsere eigene Kirche diese Eigenschaften sich selber als unverlierbar zuschreiben.
 

2) Die Kirche als das fortdauernde Geschehen der Weitergabe des Wortes Gottes

Die eine Kirche Jesu Christi, die wir im Glauben als einzig, heilig, katholisch und apostolisch bekennen, besteht in dem fortdauernden Geschehen der Weitergabe dieses »Wortes Gottes«, in welchem Gott sich selber uns schenkt. Denn der Begriff »Wort Gottes« ist nur sinnvoll, wenn man ihn in einer unüberbietbaren Bedeutung versteht, die auch keine Ergänzungen zuläßt. Wort Gottes ist das Geschehen der Selbstmitteilung Gottes in dem mitmenschlichen Wort der Weitergabe des Glaubens. Dies ist von vornherein ein gemeinschaftliches, und zwar kirchliches Geschehen. Niemand hat den Glauben aus sich selbst, sondern jeder muß ihn von bereits Glaubenden verkündet bekommen. Und die Tatsache, daß auch der Glaube aller zusammen, also der ganzen Gemeinde, noch immer vom Hören kommt, findet ihren Ausdruck im kirchlichen Amt, welches gegenüber dem ganzen »Leib« »in der Person Christi als Haupt [in persona Christi capitis]« handelt. Damit wird auch die von Christus gewollte Amtsstruktur »ohne Minderung« überall da bewahrt (vgl. LG 27,2), wo wirklicher christlicher Glaube besteht. Diese katholische, also alle Menschen angehende Kirche ist die Universalkirche oder die Kirche als solche.

Von diesem fortdauernden Geschehen der Weitergabe des Wortes Gottes ist aber zu sagen, daß es in vielen voneinander verschiedenen Sprachgemeinschaf<165>ten geschieht. Es handelt sich dabei nicht nur um verschiedene Muttersprachen, sondern auch um unterschiedliche theologische Sprachen innerhalb derselben Volkssprachen; dies ist damit vergleichbar, daß man sowohl mit arabischen wie mit römischen Ziffern richtig rechnen kann. Hier handelt es sich um die verschiedenen Einzelkirchen. Insofern sie überhaupt Kirchen sind, weil sie aus dem Glauben an Jesus Christus als Sohn Gottes leben, subsistiert in ihnen die eine Kirche Jesu Christi. Sie subsistiert tatsächlich in der Kirche, die sich die katholische römische nennt, so daß diese Kirche mit Recht beanspruchen kann, den vollen Glauben an Jesus Christus zu repräsentieren. Aber das gibt ihr nicht auch schon das Recht, zu bestreiten, daß die gleiche eine katholische Kirche Christi auch in anderen christlichen Gemeinschaften »wirklich gegenwärtig ist«(17). Denn es ist gar nicht möglich, in mangelhafter Weise an Jesus Christus zu glauben. Man kann im Sinn der Selbstmitteilung Gottes nur entweder wirklich an ihn glauben oder gar nicht. »Niemand kann sagen, Jesus ist Herr, außer im Heiligen Geist« (1 Kor 12,3). In diesem Verständnis ist zum Beispiel der Arianismus oder heute die Lehre der Zeugen Jehovahs kein Glaube an Jesus Christus als den dem Vater wesensgleichen Sohn Gottes und damit überhaupt nicht christlicher Glaube; diese Lehren verkennen, daß keine bloß geschöpfliche Qualität jemals ausreichen könnte, Gemeinschaft mit dem ewigen Gott zu begründen.

Aber bestehen nicht doch auch zwischen den verschiedenen christlichen Kirchen große Glaubensdifferenzen? Leugnen nicht viele Kirchen, was die römische Kirche behauptet, zum Beispiel die Unfehlbarkeit des Papstes? Fehlt ihnen nicht, was sie als wesensnotwendig ansieht, nämlich überhaupt das Papsttum und manches andere? Daraus scheint zu folgen, daß die eine Kirche Christi in den von der katholischen römischen getrennten Kirchen nur in einer abgeschwächten Form subsistieren kann.

Auf diese Einwände ist zu antworten: Wenn wirklich eine an Jesus Christus im Sinn seiner Gottessohnschaft glaubende Kirche eine Glaubenswahrheit einer anderen christlichen Kirche leugnet, wird man davon ausgehen müssen, daß die gleichen Worte von beiden Kirchen unterschiedlich verstanden werden, so daß <166>beide in ihrem jeweiligen Sinn recht haben. Als Beispiel: Wenn in den lutherischen Kirchen das Prinzip »die Schrift allein« gilt, klingt dies wie eine Bestreitung des Prinzips unserer Kirche, daß erst »Schrift, Tradition und Lehramt« zusammen die ganze Offenbarung ausmachen. Aber das Wort »Schrift« hat in diesen beiden Maximen eine unterschiedliche Bedeutung. Katholisch ist der Text der »erst noch sachgemäß zu verstehenden« Heiligen Schrift gemeint (und der Sinn dieser Schrift ist die Kirche als das Geschehen der Weitergabe des auch heute lehramtlich zu verkündenden Glaubens). Lutherisch dagegen ist die Schrift als »bereits in dem Sinn verstanden« gemeint, in dem sie Wort Gottes ist. Und diesem Sinn kann nichts hinzugefügt werden, weil Wort Gottes per definitionem das letzte Wort über alle Wirklichkeit ist.

So wird von evangelischen Christen in bezug auf die päpstliche Unfehlbarkeit nur das von katholischer Seite bisher nicht offiziell ausgeräumte Mißverständnis geleugnet, die Unfehlbarkeit des Papstes sei automatisch bereits immer dann gegeben, wenn er das Gefühl des Rechthabens hat und daraufhin Unfehlbarkeit beansprucht. Unsere Kirche hat es bisher versäumt, die Kriterien der Unfehlbarkeit zu benennen, an die der Papst selber sich zu halten hat, will er vermeiden, anstatt unfehlbar unverständlich zu reden.

Gegenüber dem Anschein, daß den evangelischen Kirchen die Institution eines Lehramts oder andere Strukturen der katholischen Kirche überhaupt fehlen, ist auf eine hilfreiche ökumenische Denkform hinzuweisen. Viele Strukturen der katholischen Kirche sind zwar vom Wesen der Kirche her »notwendig möglich«; aber man darf sie deshalb nicht für absolut notwendig erklären; sie können deshalb auch latent bleiben, bis sie aufgrund einer besonderen Notwendigkeit wieder aktuiert werden. Zum Beispiel gehört Konziliarität zum Wesen der Kirche, und deshalb ist es notwendig möglich, Konzilien abzuhalten. Aber es hat Jahrhunderte ohne Konzil gegeben, ohne daß deshalb die Kirche zu bestehen aufgehört hätte.

Die verschiedenen Einzelkirchen, in denen allen die eine Kirche Jesu Christi subsistiert, verdunkeln diese Subsistenz in sich selber in dem Maße, in welchem sie sich der Anerkennung dieser Subsistenz in den anderen Einzelkirchen versagen. Es scheint genau dies zu sein, was nach UR 4,11 sogar die römische katholische Kirche selbst hindert, »die Fülle der Katholizität unter jedem Aspekt in der Wirklichkeit des Lebens auszuprägen«. Die primatiale Hirtenaufgabe Petri würde gerade darin bestehen, sich nach seiner eigenen Bekehrung (vgl. Lk 22,32) anstatt für sein eigenes Anerkanntwerden für die Anerkennung der Subsistenz der einen katholischen Kirche in allen Gemeinschaften, <167>die an Jesus Christus glauben, einzusetzen. Seine eigene Ehre bestünde erst in der Ehre aller Kirchen (vgl. DH 3061).

Das Kriterium der Kircheneinheit ist allein der Glaube an Jesus Christus im Sinn seiner Gottessohnschaft, wonach wir nur in der Anteilhabe an seinem Verhältnis zum Vater Gemeinschaft mit Gott haben können. »Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich« (Mt 12,30). Sonst aber gilt, daß mit uns Gemeinschaft bereits hat, wer uns nicht bekämpft und uns den rechten Glauben nicht bestreitet: »Wer nicht gegen uns ist, ist für uns« (vgl. Mk 9,40). Im Kontext dieser Bibelstelle geht es darum, daß andere, die im Namen Jesu Dämonen austreiben, nicht deshalb daran zu hindern sind, »weil sie uns nicht nachfolgen«; in der Sicht Jesu müssen sie das nicht.

In einer solchen Sicht wird die römische katholische Kirche nicht etwa geringer bewertet als bisher. Ihre Bedeutung ist nämlich größer, wenn die in ihr gegenwärtige Gnade nicht auf sie beschränkt ist, sondern sie als diese Einzelkirche über sich hinausweist und sichtbar macht, was es letztlich mit allen christlichen Kirchen auf sich hat. Es ist wie mit den Sakramenten. In der heiligen Kommunion sind wir auf das innigste mit Christus selbst verbunden. Aber diese Verbindung bleibt nicht auf den Augenblick des Kommunionempfangs beschränkt, sondern die Kommunion verdeutlicht zugleich, wie innig unsere Verbindung mit Christus überhaupt ist: Unser Glaube lebt immer von ihm selbst, so wie das irdische Leben von Speise und Trank genährt wird. Und gerade in diesem Über-sich-Hinausweisen besteht die eigentliche Würde der Eucharistie. Und so ist es auch mit unserer römischen katholischen Kirche.
 
 


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1. Vgl. LG 7,7: »... gab er uns von seinem Geist, der als der eine und gleiche im Haupt und in den Gliedern wohnt«; vgl. auch Heribert Mühlen, Una Mystica Persona ­ Die Kirche als das Mysterium der heilsgeschichtlichen Identität des Heiligen Geistes in Christus und in den Christen: Eine Person in vielen Personen, München-Paderborn-Wien 31968.

2. Der dritte Satz dieses Textes ist als Can. 204 § 1 auch in den CIC von 1983 eingegangen.

3. Acta Synodalia Sacrosancti Concilii Oecumenici Vaticani II (= ASSCOV) 1,4; 15. Hermeneutisch sei dazu dies angemerkt: Es wäre durchaus vorstellbar, daß bereits dieser Text vom Konzil angenommen worden wäre und wir dann auch mit ihm leben müßten. Man müßte dann nach einer bereits von Sixtus IV. lehramtlich formulierten theologischen Regel (DH 1407) zwischen dem Sinn unterscheiden, in dem der Text wahr wird, und einem sich unmittelbar aufdrängenden falschen Verständnis.

4. ASSCOV 2,1; 219-220.

5. ASSCOV 3,1; 167f.

6. ASSCOV 3,1; 177.

7. In diesem Text werden die verschiedenen Elemente aufgeführt, die in unterschiedlichem Maß den voneinander getrennten Kirchen dennoch gemeinsam sind. Unter anderem wird gesagt, es bestehe eine »gewisse wahre Verbindung im Heiligen Geist«; handelt es sich dabei wirklich nur um ein »Element«?

8. ASSCOV 3,6; 81f.

9. Dies bedarf wohl keiner Belege. Noch eine Stufe weiter zurück wendet sich die Glaubenskongregation in einer Stellungnahme zu dem Buch von Leonardo Boff, Igreja, Carisma e Poder (Petropolis 1981): »Das Konzil hatte jedoch das Wort subsistit eigentlich deshalb gewählt, um klarzustellen, daß es nur eine einzige Subsistenz der wahren Kirche gibt, während außerhalb ihres sichtbaren Gefüges nur elementa Ecclesiae existieren, die ­ da sie Elemente der Kirche selbst sind ­ zur Katholischen Kirche tendieren und hinführen (LG 8).« (AAS 77 [1985] 758­759) Das Konzil wollte zwar sagen, daß es nur eine einzige subsistierende Kirche gibt; aber nirgends ist von nur einer einzigen Subsistenz die Rede oder davon, daß sonst »nur« Elemente der Kirche vorhanden sein. Zur Auseinandersetzung mit der Auffassung der Glaubenskongregation vgl. Francis A. Sullivan, Le sens et l'importance de la décision de Vatican II de dire, à propos de l'Eglise du Christ, non pas qu'elle « est » mais qu'elle « subsiste dans » l'Eglise catholique romaine, in: Vatican II ­ Bilan et Perspectives ­ Vingt-cinq ans après (1962­1987), hrsg. v. René Latourelle, Bd. 2, Montréal-Paris 1988, 299­314. Faktisch widerspricht inzwischen auch der Papst selbst der Formulierung der Glaubenskongregation; vgl. unten Anm. 17.

10. Vgl. ASSCOV 3,1; 188 bzw. LG 14,2: »Jene werden der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert, die, im Besitze des Geistes Christi, ihre ganze Ordnung und alle in ihr eingerichteten Heilsmittel annehmen und in ihrem sichtbaren Verband mit Christus, der sie durch den Papst und die Bischöfe leitet, verbunden sind, und dies durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung und Gemeinschaft.«

11. ASSCOV 3,1; 176.

12. Vgl. Xaverius Ochoa, Index verborum ac locutionum Codicis Iuris Canonici, Città del Vaticano 21984, 159.

13. Auch bei Konzilstexten gilt für die Auslegung eine Maxime, die für gesetzgebende Texte einmal vom Bundesverfassungsgericht in der folgenden Weise formuliert worden ist und seitdem häufig zitiert wird: »Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt. Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit der nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können.« BVerfGE 1, 299, 312. Zum Beispiel hatten im Jahre 1949 die Väter des Grundgesetzes bei ihrer Erklärung: »Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit« (GG 2,1) sicher noch nicht ausdrücklich daran gedacht, daß unter dieses Recht auch einmal Reisefreiheit fallen könnte. Dennoch entspricht eine heutige Anwendung von GG 2,1 auch auf Reisefreiheit voll und ganz dem Gehalt dieser Bestimmung. Ähnlich wollen Konzilstexte die Kirche nicht auf den damaligen unmittelbaren Bewußtseinsstand der Konzilsteilnehmer festlegen, sondern sie müssen daraufhin gedeutet werden, daß ein und derselbe Glaube auch für künftige Zeiten überzeugend ausgesagt werden soll. Nur mit dieser Grundannahme wird man auch der eigentlichen Absicht der Konzilsteilnehmer gerecht.

14. In Lk 17,5 ist im Realis zu übersetzen: »wenn ihr Glauben habt«; die verbreiteten Übersetzungen im Irrealis sind falsch und verkehren den Sinn der Stelle völlig.

15. Etsi defectus illas pati credimus. Aber kann es im eigentlichen Sinn ein »Glaubens«-Gegenstand sein, daß andere Kirchen an Mängeln leiden?

16. Adversvs haereses I, 10, 2 (SC 264, 160, 46­48).

17. Tatsächlich schreibt Johannes Paul II. selbst in seiner Enzyklika »Ut unum sint«, 11,3: »In dem Maße, in dem diese Elemente [der Heiligung und der Wahrheit] in den anderen christlichen Gemeinschaften vorhanden sind, ist die eine Kirche Christi in ihnen wirksam gegenwärtig«. Die Frage ist hier nur noch, ob es denn so etwas wie eine unterschiedlich gestufte, eventuell nur mangelhafte Gegenwart der einen Kirche Christi in einer Einzelkirche wirklich geben kann. Kann eine »wahre Verbindung im Heiligen Geist«, wie sie nach LG 15 zwischen den verschiedenen Kirchen besteht, in sich selber mangelhaft sein?



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