Letzte Aktualisierung: 10. Juni 2006, PK
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Peter Knauer SJ


Die Priesterweihe der ersten Gefährten


Erschienen in:
Canisius Mitteilungen der Jesuiten Weihnachten 2001, 710.

In der langen Genesungszeit nach seiner Verwundung bei der Verteidigung der Festung von Pamplona begann Iñigo de Loyola aufgrund der Lektüre eines »Lebens Christi« und verschiedener Heiligenleben sich geistlichen Dingen zuzuwenden. »Und die Zeit, die er mit den Hausbewohnern verkehrte, verwandte er ganz auf Dinge Gottes, womit er in ihren Seelen Nutzen bewirkte« (BP 11,1). Man könnte dies als den Anfang seines Weges als Seelsorger bezeichnen.

Er plant eine Wallfahrt nach Jerusalem. Auf dem Weg dorthin bleibt er über zehn Monate in Manresa. Aus dieser Zeit berichtet er: »Über seine sieben Stunden Gebet befaßte er sich damit, einigen Seelen, die ihn dort suchen kamen, in geistlichen Dingen zu helfen.« (BP 26,1) Im Hintergrund steht hier seine eigene Erfahrung, in der Bedrängnis durch schwere Skrupel bei niemandem Hilfe gefunden zu haben (BP 22,4).

Von der Jerusalem-Wallfahrt selbst erzählt er: »Sein fester Vorsatz war, in Jerusalem zu bleiben und immer jene Heiligen Stätten zu besuchen. Und auch hatte er außer dieser Andacht den Vorsatz, den Seelen zu helfen.« (BP 45,3) Allerdings habe er letztere Absicht nicht öffentlich erwähnt. Fürchtete er bereits, dass man ihm dies verbieten würde, weil er keine Studien hatte? Jedenfalls erhielt er ohnehin vom dafür zuständigen Franziskanerprovinzial keine Erlaubnis zu bleiben. Auf der Rückfahrt fragte er sich: »Was tun? Und am Schluss neigte er mehr dazu, eine Zeit zu studieren, um den Seelen helfen zu können [...].« (BP 50,3). Immer noch ist keine Rede davon, dass er Priester werden will.

Die Studien führen ihn von Barcelona über Alcalá und Salamanca nach Paris. »Als er in Alcalá war, übte er sich, geistliche Übungen zu geben und die christliche Lehre zu erläutern; und damit entstand Frucht zur Ehre Gottes. Und es gab viele Personen, die zu großer Kenntnis und Geschmack an geistlichen Dingen kamen.« (BP 57,2f) Seine Tätigkeit kommt der Inquisition in Toledo zu Ohren. Obwohl man ihm keine Häresie nachweisen kann, lautet das Urteil nach zwei Prozessen: Er und seine ersten Gefährten sollten »innerhalb von vier Jahren, in denen sie mehr studiert hätten, nicht von Dingen des Glaubens sprechen, denn sie verstünden keine Wissenschaft.« (BP 62,5) Die Fortsetzung des Studiums in Salamanca führte zum gleichen Ergebnis, diesmal mit 22 Tagen Untersuchungshaft. Ignatius geht nach Paris, um sein Studium intensiv zu Ende zu führen. Dort findet er bleibende Gefährten, aus denen einmal die Gründer der Gesellschaft Jesu werden sollen.

Wegen seiner angeschlagenen Gesundheit raten ihm die Ärzte, für einige Zeit in seine Heimat zurückzukehren. »Gleich zu Anfang, als er ankam, entschloss er sich, jeden Tag die Kinder in der christlichen Lehre zu unterweisen. [...] Außer der christlichen Lehre predigte er auch an den Sonntagen und Festen mit Nutzen und Hilfe für die Seelen, die von vielen Meilen kamen, ihn zu hören.« (BP 88,2.4.) Noch immer ist Ignatius, wenn auch bereits Magister der Universität von Paris, ein Laienprediger. Auch das Buch der »Geistlichen Übungen« hat er als Laie verfasst. Bisher findet sich in den Quellen kein Hinweis darauf, dass er sich auf das Priestertum vorbereitet.

Die Gruppe der Gefährten hatte in Paris das Gelübde abgelegt, sich »in Armut dem Dienst Gottes unseres Herrn und dem Nutzen des Nächsten zu widmen.« Sie wollten »predigen und in Spitälern dienen, usw.« Zugleich gelobten sie, sich in Rom um die Erlaubnis zur Fahrt nach Jerusalem zu bemühen, um dort ihren Plan auszuführen; sollten sie jedoch keine Gelegenheit zur Überfahrt finden oder nicht in Jerusalem bleiben können, wollten sie sich vom Papst senden lassen, wohin er es ihnen befehle (MI FN I, 110f). Der einzige Priester in der Gruppe war zu dieser Zeit Peter Faber. Aber die Seelsorge ist das Ziel der ganzen Gruppe.

Der erste Hinweis auf die Priesterweihe aller findet sich im Bericht über die Ankunft der Gefährten in Venedig, wo sie nach der Romreise wieder zusammenkommen wollten: »Dort in Venedig ließen sich die, die noch nicht geweiht waren, für die Messe weihen.« (BP 93,9)

In einem Brief an einen Freund in Barcelona schreibt Ignatius am 24. Juli dieses Jahres: Der Papst habe »denen, die Priester waren, die Ermächtigung, Beichten zu hören und von allen bischöflichen [den Bischöfen zur Lossprechung vorbehaltenen] Fällen loszusprechen« gegeben. Darüber hinaus »gab er denen, die nicht Priester waren, die Anerkennungs- oder Erlaubnisschreiben ohne Erwähnung eines Besitz- oder Pfründentitels, daß jedweder Bischof sie an drei Festtagen oder drei Sonntagen zu Priestern weihen könne«, also ohne dass sie die sonst vorgesehenen größeren Zeitabstände einhalten müssten. »So haben wir, als wir hierher nach Venedig gekommen waren, alle am Tag des heiligen Johannes des Täufers den Empfang aller Weihen einschließlich der Priesterweihe beendet, und wir waren sieben, welche die Weihen empfingen. Wir haben dafür jede Gunst und jedes vorstellbare Wohlwollen erfahren, so sehr, daß wir selber auswählen konnten, ob wir Priester werden wollten ›auf den Titel der freiwilligen Armut oder genügender Ausbildung oder von beidem‹. Wir wählten ›auf den Titel von beidem‹ und legten in die Hände des hiesigen Legaten des Papstes das Gelübde ständiger Armut ab, nicht von ihm genötigt, sondern von unserem Willen bewegt. Und für diese Priesterweihe gaben sie uns zwei Bischöfe, die beide uns weihen wollten; wir hatten zu tun, dem einen abzusagen, weil wir nicht von beiden geweiht werden konnten. Nachdem so alle diese Dinge sowohl in Rom als auch in Venedig abgeschlossen waren und alles kostenlos, ohne Geld dabeizuhaben, gab uns der gleiche Delegat die vollständige Vollmacht, daß wir in der ganzen Herrschaft von Venedig öffentlich und privat predigen, unterweisen und die Schrift auslegen dürften, ebenso Beichten zu hören und von den Fällen loszusprechen, die den Bischöfen, Erzbischöfen und Patriarchen reserviert sind. All dies habe ich angeführt, [...] um unsere größte Belastung und Beschämung zu erkennen zu geben, wenn wir es nicht nutzen werden, wo Gott unser Herr uns so sehr hilft. Ohne es zu erbitten noch zu wissen, scheint es, daß uns alle Dinge und von uns ersehnten Mittel zuhanden kommen. Es möge seiner göttlichen Güte gefallen, uns seine Gnade einzugießen, damit wir auf Erden nicht die Gunsterweise und Gnade verbergen, die er uns immer erweist und uns – so hoffen wir – immer erweisen wird, wenn es von uns aus nicht fehlt.« (BU 40)

Aus dem Bericht könnte man diesen Eindruck gewinnen: Den Gefährten, die sich vor der erneuten Zusammenkunft in Venedig nach Rom begeben hatten, um die Erlaubnis für die Überfahrt zu erlangen, sei erst dort nahegelegt worden, alle aus der Gruppe sollten die Priesterweihe empfangen. Gehört sie zu den »Mitteln«, die die Gefährten empfangen, ohne darum gebeten zu haben? Ging die Initiative dazu vom Papst Paul III. aus, nachdem die Gefährten durch Vermittlung von Dr. Ortiz zu einer theologischen Disputation vor ihm eingeladen worden waren?

Über diese Szene wird nur von Rodrigues und von Bobadilla berichtet. Nach Rodrigues haben die Gefährten nur um den Segen und die Erlaubnis zur Überfahrt gebeten und außerdem die Erlaubnis zu den Weihen erhalten (Mon R 486f); nach Bobadilla (Mon. B. 661) baten sie selber »darüber hinaus« um das Privileg, von einem beliebigen Bischof geweiht werden zu können. Wer ist auf diese vermutlich damals höchst ungewöhnliche Idee gekommen?

Es scheint, dass Ignatius danach viele innere Bestätigung für diesen Vorschlag erfuhr: »Vor allem, als er sich in Venedig vorbereitete, Priester zu werden, und als er sich vorbereitete, die Messe zu lesen, hatte er auf allen diesen Reisen große übernatürliche Heimsuchungen« (BP 95,4). Nach seiner Priesterweihe wartete Ignatius noch bis zum Weihnachtstag des Jahres 1538, also anderthalb Jahre, bis er seine erste Messe feierte. Vermutlich hatte er immer noch gehofft, sie in Jerusalem feiern zu können. Er schreibt an seine Verwandten am 2. Februar 1539 nur in einem Nachtrag: »Am vergangenen Weihnachtstag habe ich in der Kirche Santa Maria Maggiore in der Kapelle, in der die Krippe steht, in welche das Jesuskind gelegt worden ist, mit seiner Hilfe und Gnade meine erste Messe gehalten.« (BU 52)

Das Geistliche Tagebuch von Ignatius handelt dann vor allem von seiner Erfahrung in der Feier der täglichen heiligen Messe, die zum Mittelpunkt seines Lebens geworden ist. So heißt es einmal: »Als ich das Allerheiligste Sakrament in den Händen hielt, kam mir von innen ein Sprechen und ein inniges Bewegtwerden, ihn niemals für den ganzen Himmel oder für die Welt oder usw. zu verlassen, und ich verspürte neue Regungen, geistliche Andacht und Freude.« (GGJ 374)

 


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