Letzte Aktualisierung:  10. Oktober 2010, PK


 

Peter Knauer SJ

 

Ignatius von Loyola (1491–1556)

»Gott in allem finden«

  Seit seinen Studien in Paris nannte er sich in lateinischer Form Ignatius. Man mußte ihn lange drängen, bis er mit Unterbrechungen von 1553 bis 1555, ein Jahr vor seinem Tod, einem Mitbruder seine Lebensgeschichte bis zur Gründung der Gesellschaft Jesu, des Jesuitenordens, zum Aufschreiben erzählte. Dieser sogenannte »Bericht des Pilgers« beginnt mit den Worten: »Bis zum Alter von sechsundzwanzig Jahren war er ein den Eitelkeiten der Welt ergebener Mensch und vergnügte sich hauptsächlich an Waffenübung, mit einem großen und eitlen Verlangen, Ehre zu gewinnen.« (BP 1)

Loyola im Baskenland, das heutige KollegIñigo López de Loyola wurde 1491 auf dem Herrensitz Loyola in der Provinz Guipúzcoa geboren. Er war das dreizehnte und letzte Kind einer der baskischen »Hauptfamilien«. Rechnet man von 1491 an 26 Jahre, kommt man auf das Jahr 1517. Der »Bericht des Pilgers« fährt etwas unvermittelt fort: »Und als er so in einer Festung war, welche die Franzosen angriffen ...« und schildert seine Verwundung bei der Verteidigung dieser Festung. Dieses Ereignis ist jedoch auf das Jahr 1521 zu datieren. Die Geschichtsschreiber geraten in Verwirrung.

Wenn man nicht annehmen will, daß sich Ignatius selbst bei seiner Altersangabe getäuscht hat, gewinnt man den Eindruck, es sei im Text etwas ausgefallen bzw. nachträglich entfernt worden. Im Vorwort von Luis Gonçalves da Câmara liest man, Ignatius habe begonnen, ihm »sein ganzes Leben und die Abenteuer als junger Mann klar und deutlich mit allen ihren Umständen zu erzählen« (BP **2). Im überlieferten Bericht finden sich keine solchen »Abenteuer«.

Aus anderen Texten wissen wir: Iñigo war von seinem 16. Lebensjahr an zehn Jahre lang bis 1517 ein sehr ehrgeiziger Page am Hof von Juan Velázquez de Cuellar, des Großschatzmeisters von Kastilien; er sollte für eine höfische Karriere ausgebildet werden. Mit dem Thronantritt von Karl V. (Carlos I) als König von Spanien im Jahr 1516 verlor Velázquez de Cuellar sein Lehen, widersetzte sich erfolglos, mußte kapitulieren und starb verbittert am 2. August 1517. So mag Iñigo zum erstenmal erfahren haben, wie wenig Verlaß auf Karriere und Erfolg ist, und begann bereits in diesem seinem sechsundzwanzigsten Jahr ein ernsthafteres Leben.

1521 aber ist Iñigo schon dreißig Jahre alt. Er steht als Offizier im Dienst von Antonio Manrique de Lara, des Herzogs von Nájera und Vizekönigs von Navarra. Bei der Verteidigung der Festung von Pamplona gegen eine französische Übermacht wird er von einer Kanonenkugel getroffen, die ihm das eine Bein bricht und das andere verwundet. Die Franzosen lassen ihn in seine Heimat transportieren. Auf einige Tage akuter Lebensgefahr folgt ein langes Krankenlager. In Loyola sind ihm die aus seiner Pagenzeit so sehr geschätzten Ritterromane nicht zugänglich. So muß er mit religiöser Lektüre vorlieb nehmen, einem vierbändigen »Leben Christi« von Ludolf dem Kartäuser († 1377) und der »Goldenen Legende«, einem Buch aus dem 13. Jahrhundert über die Heiligen.
  

Aus der Einleitung des Lebens Christi von Ludolf dem Kartäuser: 

»Begleite mit den Aposteln den guten Hirten, der großartige Wunder vollbringt. Sei mit seiner gebenedeiten Mutter und Johannes dem Sterbenden nahe, um mit ihm zu leiden und um ihn zu trauern. Ehrfürchtig und aufmerksam ertaste und berühre die einzelnen Wunden deines Erlösers, der um deinetwillen so gestorben ist. Suche den Auferstandenen mit Maria Magdalena, bis es dir gegeben ist, ihn zu finden. Schau dem nach, der in den Himmel aufsteigt, als stündest du mitten unter den Jüngern am Ölberg.« (5)


Er macht erste Meditationserfahrungen und beobachtet in sich, wie unterschiedlich es auf ihn ein- und nachwirkt, von Ruhmestaten zu träumen oder aber über das Leben der Heiligen nachzudenken. Und er beginnt mit Aufzeichnungen darüber; es sind die ersten Ansätze zu seinem späteren Buch der »Geistlichen Übungen«. Für die Zeit nach seiner Genesung entschließt er sich zu einer Pilgerfahrt nach Jerusalem, um die Stätten des irdischen Wirkens Christi zu verehren.
 

Der »Pilger«

Auf dem Weg nach Jerusalem legt er im Benediktinerkloster auf dem Berg Montserrat in Katalonien eine Lebensbeichte ab. Er bleibt dann für mehr als zehn Monate in dem kleinen Städtchen Manresa am Fuße des Berges; die nahe Hafenstadt Barcelona war wegen Pestgefahr für Reisende verschlossen.

Diese Zeit in Manresa hat Ignatius später seine »Urkirche« genannt. Zunächst führt er ein extremes Büßerleben: »Und er bat in Manresa jeden Tag um Almosen. Er aß nicht Fleisch, noch trank er Wein, selbst wenn man ihn ihm gab. Die Sonntage fastete er nicht; und wenn man ihm ein wenig Wein gab, trank er ihn. Und weil er sehr sorgsam in der Pflege seines Haars gewesen war, [...] entschloß er sich, es so seiner Natur nach gehen zu lassen, ohne es zu kämmen noch zu schneiden noch es mit irgend etwas in der Nacht oder am Tag zu bedecken. Und aus demselben Grund ließ er die Nägel an den Füßen und Händen wachsen, weil er auch darin sorgsam gewesen war.« (BP 19) Damit folgt er damals allgemein verbreiteten Vorstellungen von einem besonders gottgefälligen Leben. Er meint, Gott am ehesten durch eine möglichst große Strenge gegen sich selbst und durch ausgedehnte Gebetsübungen dienen zu können; täglich bringt er es auf »sieben Stunden Gebet auf den Knien« (BP 23). Er macht die Erfahrung großen Trosts, aber auch immer mehr von völliger Trostlosigkeit. Es folgt eine sehr quälende Zeit, in der er von Skrupeln geplagt wird, seine Sünden nie vollständig genug gebeichtet zu haben und dazu auch gar nicht fähig zu sein. Niemand konnte ihm aus diesen Skrupeln heraushelfen; eher förderte die damalige Kirche mit vielen Forderungen und Strafandrohungen solche Skrupel. Oft wurde nur eingeschärft, wie große Anstrengungen man unternehmen müsse, um überhaupt Gottes Gnade zu erlangen. Sein Bericht von diesen Erfahrungen läßt an ähnliche Aussagen seines Zeitgenossen Martin Luther (1483–1546) denken; sie sind einander jedoch nie begegnet.

Ignatius hat es später als ein Von-Gott-selbst-Unterwiesenwerden bezeichnet (BP 27), wie er zu einer neuen befreienden und erlösenden Gesamtschau des Glaubens geführt worden ist. Der in seiner gesamten Schöpfung mächtige Gott schenkt durch die Menschwerdung seines Sohnes Gemeinschaft mit sich. Man muß also nicht mehr Gottes Gnade erst mühsam erringen, sondern sie ist Ausgangspunkt von allem.

Iñigo beginnt, dieses Glaubensverständnis weiterzusagen und damit anderen Menschen zu »helfen«. Er selbst hatte ja niemanden gefunden, der ihm in seiner Seelennot helfen konnte. »Nachdem er von Gott getröstet zu werden begonnen hatte und die Frucht sah, die er in den Seelen durch den Verkehr mit ihnen bewirkte, ließ er von jenen Extremen ab, die er zuvor einhielt.« (BP 29)

Schließlich verläßt er Manresa, um als Bettler die Pilgerfahrt nach Jerusalem durchzuführen. Zu einer solchen Pilgerreise mußte man sich damals zunächst nach Rom begeben und eine päpstliche Erlaubnis einholen. In Jerusalem offenbart er seinen Entschluß, dort zu bleiben und immer die Heiligen Stätten zu besuchen. Aber der Franziskanerguardian als die für das Heilige Land zuständige kirchliche Autorität versagt ihm die Zustimmung. Ignatius berichtet rückblickend: »Seit der genannte Pilger eingesehen hatte, daß es Gottes Wille war, daß er nicht in Jerusalem sei, dachte er ständig bei sich nach: Was tun? Und am Schluß neigte er mehr dazu, eine Zeit zu studieren, um den Seelen helfen zu können; und er entschloß sich, nach Barcelona zu gehen.« (BP 50)

Im Jahr 1524 beginnt Iñigo in Barcelona, als Dreiunddreißigjähriger neben Schulkindern, Latein zu lernen. Dann geht er 1526 an die Universität von Alcalá und wechselt von dort nach Salamanca. Wegen seines für einen Laien ganz unüblichen Eifers, andere Menschen im Glauben zu unterweisen, und weil er bereits erste Gefährten findet, die seine Lebensweise teilen, erscheint er vielen als Illuminat und Schwarmgeist oder eine Art Sektengründer. Er wird mehrmals vor die Inquisition zitiert. Sowohl in Alcalá wie in Salamanca verbringt er einige Wochen im Kerker. Es gelingt der Inquisition jedoch nicht, ihm irgendein Vergehen nachzuweisen. Später wird Ignatius an João III., König von Portugal, schreiben, er habe insgesamt acht Inquisitionsprozesse überstanden, ohne je einen Anwalt genommen zu haben (BU 81).

Von 1528 bis 1534 finden wir ihn an der Universität von Paris, wo er sein Studium noch einmal systematisch von vorn beginnt. Die Pariser Studienmethode mit ihren Disputationsübungen hat ihn so überzeugt, daß er sie später zur Grundlage der Ausbildung im Orden gemacht hat.
Scholastische Disputationen: Zunächst hatte ein Verteidiger eine These kurz zu erläutern und zu begründen. Dann mußte ein Opponent gegen die These oder ihre Begründung Einwände vorbringen. Dabei mußte er jeden Einwand als Schlußfolgerung aus einem allgemeinen Obersatz und einem unter diesen fallenden Einzelsatz herleiten. Der Verteidiger mußte daraufhin diesen Einwand mit seiner Begründung wörtlich wiederholen. Dann hatte er auf ihn zu antworten, indem er die Begründungssätze, wenn möglich, entweder negierte oder aber in verschiedene Bedeutungen unterschied, so daß sich die Folgerung nicht mehr daraus ergab. Der Opponent konnte dann seinerseits die negierten Sätze wieder zu beweisen versuchen; oder er hatte darzulegen, warum trotz der Unterscheidungen die Folgerung bestehen blieb. So mußte sich herausstellen, ob die These bzw. ihre Begründung stichhaltig war oder nicht.

Ignatius schrieb seinem Bruder Martín, daß man an dieser Universität in vier Jahren mehr Frucht erlange als anderswo in sechs Jahren (BU 3). Zu seinem Lebensunterhalt für diese Zeit trugen Freunde aus Barcelona bei; er selbst reiste dreimal bis nach Flandern und einmal nach London, um insbesondere von spanischen Kaufleuten Unterstützung zu erbitten.
 

Die Ursprünge der »Gesellschaft Jesu«

In Paris gewinnt Ignatius unter seinen Mitstudenten einige bleibende Gefährten. Er spricht von ihnen in einem Brief als von seinen »Freunden im Herrn« (BU 12aB). Zusammen mit Francisco Javier, Peter Faber, Alfonso Bobadilla, Diego Laínez, Alfonso Salmerón und Simão Rodrigues legt Ignatius am 15. August 1534 in einer Kapelle auf dem Montmartre ein Gelübde ab.
 
Francisco Javier (1506–1552) wurde als der Begründer der Mission in der Kulturwelt des Fernen Ostens später zusammen mit Ignatius heiliggesprochen. Peter Faber (1506–1546) kam als erster Jesuit nach Deutschland und gewann Petrus Canisius für den Orden. Diego Laínez (1512–1565) folgte auf Ignatius als Generaloberer der Gesellschaft Jesu.

Diego Laínez berichtet: »Und da in Paris unsere Absicht noch nicht war, eine Ordensgemeinschaft zu bilden, sondern uns in Armut dem Dienst Gottes unseres Herrn und dem Nutzen des Nächsten zu widmen, indem wir predigen und in Spitälern dienen usw., legten wir das Gelübde ab, wenn wir könnten, zu den Füßen des Papstes, des Stellvertreters Christi, zu gehen und ihn um die Erlaubnis zu bitten, nach Jerusalem zu fahren und, wenn die Möglichkeit bestünde, dort zu bleiben, indem wir uns selbst, und wenn unser Herr sich damit dienen läßt, auch anderen Gläubigen und Ungläubigen nützen; und wenn es innerhalb eines Jahres keine Möglichkeit gäbe, dorthin nach Jerusalem zu fahren, oder falls wir führen, dort zu bleiben, erklärten wir in dem Gelübde, daß es nicht unsere Absicht war, uns weiterhin zur Fahrt zu verpflichten, sondern zum Papst zurückzukehren und seinen Gehorsamsbefehl auszuführen, indem wir gehen, wohin er uns befiehlt.« (MI FN I 110f)

Bei der Erneuerung dieses Gelübdes im Jahr darauf schlossen sich den Gefährten noch der Savoyarde Claude Jay und die Franzosen Jean Codure und Paschase Broët an. Die Gruppe ist nun definitiv international. Laínez beschreibt ihren Zusammenhalt: »Und dieses Gelübde bestätigte und erneuerte ein jeder einmal nach Beichte und Kommunion am Tag unserer Herrin vom August in St. Maria auf dem Montmartre, wo wir es zuerst abgelegt hatten; und nachdem wir es so bestätigt hatten, blieben wir zu einem Mahl in Liebe. Das führten wir auch das Jahr hindurch weiter. Denn in Abständen von soundsoviel Tagen gingen wir mit unserem Mitgebrachten bei einem zu Hause essen, dann wieder bei einem anderen. Dies hat, glaube ich, zusammen mit dem häufigen Einander-Besuchen und Miteinander-Umgehen sehr dazu beigetragen, uns zu erhalten. Und gerade in dieser Zeit hat der Herr uns besonders sowohl in der Wissenschaft geholfen, in der wir ordentlichen Fortschritt machten, indem wir sie immer auf die Ehre des Herrn und den Nutzen des Nächsten hinordneten, als auch darin, füreinander besondere Liebe zu haben und uns auch zeitlich in dem zu helfen, worin wir konnten.« (MI FN I 102–104)

Ignatius selbst beendet seine Studien 1534 mit der Promotion zum Magister in Philosophie. Wegen seiner angeschlagenen Gesundheit kehrt er für einige Monate nach Spanien zurück und besucht dort auch die Angehörigen seiner Freunde.

Die geplante gemeinsame Jerusalemfahrt fand jedoch nicht statt. Türkische Korsaren ließen in diesem Jahr (1537) von den italienischen Häfen keine Pilgerschiffe durch. Die Gruppe begibt sich statt dessen nach Rom, um sich dem Papst für Aussendungen im Dienst der Kirche zur Verfügung zu stellen. Unterwegs überlegen sie, wie sie sich nennen sollen. Darüber schreibt Juan de Polanco, der spätere langjährige Sekretär des Ordens: »Der Name ist ›die Gesellschaft Jesu‹, und dieser Name wurde angenommen, bevor sie nach Rom kamen. Als sie unter sich besprachen, wie sie sich gegenüber jemandem nennen sollten, der sie fragen würde, was für eine diese ihre Gemeinschaft sei, die aus neun oder zehn Personen bestand, begannen sie damit, sich dem Gebet zu widmen und nachzudenken, welcher Name der angebrachteste wäre. Und angesichts dessen, daß sie untereinander kein Haupt hatten und keinen anderen Oberen als Jesus Christus, dem allein sie zu dienen wünschten, schien ihnen, sie sollten von demjenigen den Namen nehmen, den sie als Haupt hatten, und sich ›die Gesellschaft Jesu‹ nennen.« (MI FN I 203f)

Bestärkt wurde Ignatius selbst in dieser Namensgebung durch eine Vision, die ihm in der Kapelle von La Storta kurz vor Rom zuteil wurde; er erwähnt diese Vision später mit den Worten, daß »der Vater ihn zu seinem Sohn gestellt« (BP 96) habe. Und Diego Laínez verteidigt den Namen der »Gesellschaft Jesu« als einen Namen, der eigentlich das Christsein überhaupt bezeichnet und zunächst gar nicht eine Besonderheit der Jesuiten meint: »Wenn der hl. Paulus alle Christen ›Gesellschaft Jesu‹ nennt, dann können auch wir uns so nennen. Der hl. Paulus im ersten Korintherbrief: ›Treu ist Gott, durch den ihr berufen seid in die Gesellschaft seines Sohnes Jesu Christi unseres Herrn.‹ [1 Kor 1,9]« (MI FN II 134)

Christsein besteht für Ignatius darin, Gottes Liebe nicht erringen zu müssen, sondern von ihr als der Liebe des Vaters zum Sohn auszugehen, die zugleich der ganzen Welt gilt. Dieses Verständnis führte ihn zu einer »Vertrautheit mit Gott«, die er auch mit den Ausdrücken »Gott unseren Herrn in allen Dingen suchen« oder »Gott unseren Herrn in allen Dingen finden« oder »sich Gottes freuen« bezeichnet. Der Wahlspruch der Gesellschaft Jesu lautet dementsprechend: »Alles zu größerer Ehre Gottes«.

Ignatius schreibt 1548 an Francisco de Borja, den Herzog von Gandía, der sich seiner geistlichen Begleitung anvertraut hatte und später selbst in den neuen Orden eintrat: Er solle seine Gebetszeiten lieber einschränken und die Zeit für gute Gespräche und seine staatlichen Aufgaben nutzen. Denn es sei »ohne Zweifel eine größere Tugend der Seele und eine größere Gnade, sich seines Herrn in verschiedenen Ämtern und an verschiedenen Orten zu freuen, als in einem allein.« (BU 466)

Ignatius von Loyola, Kopie eines frühen GemäldesDen Studierenden des Ordens empfahl Ignatius, sich »darin zu üben, die Gegenwart unseres Herrn in allen Dingen zu suchen, wie im Umgang mit jemand, im Gehen, Sehen, Schmecken, Hören, Verstehen und in allem, was wir tun; denn es ist wahr, daß seine göttliche Majestät durch Gegenwart, Macht und Wesen in allen Dingen ist.« (BU 1854)
  

Weiter heißt es in diesem Brief: 
»Und diese Weise zu meditieren, indem man Gott unseren Herrn in allen Dingen findet, ist leichter, als wenn wir uns zu den abstrakteren göttlichen Dingen erheben und uns ihnen mühsam gegenwärtig machen. Und diese gute Übung wird, indem sie uns bereit macht, große Begegnungen mit dem Herrn bewirken, auch wenn es in einem kurzen Gebet ist. Und darüber hinaus kann man sich darin üben, Gott unserem Herrn vielmals seine Studien und deren Mühen darzubringen, indem man darauf sieht, daß wir sie aus Liebe zu ihm annehmen und unser Gefallen zurückstellen, damit wir seiner Majestät in etwas dienen, indem wir denen helfen, für deren Leben er gestorben ist.« (ebd.)


So besteht für Ignatius die eigentliche Aufgabe der Gesellschaft Jesu darin, dieses grundlegende Glaubensverständnis weiterzugeben. Das geistliche Leben ist nun nicht mehr, wie man es immer wieder mißverstanden hat, nur ein Sektor neben anderen Tätigkeiten, sondern umfaßt alles; und darin kann man Frieden finden.

Die Gruppe der Pariser Theologen kommt 1537 nach Rom. Papst Paul III. geht auf ihr Angebot ein; er beginnt, die ersten mit Aufträgen auszusenden. Für die Gruppe stellt sich die Frage, ob ihre Zusammengehörigkeit damit ihr Ende gefunden hat. Weil sie untereinander sehr verschiedener Auffassung sind, entwickeln sie zuerst eine Methode, mit dieser Frage umzugehen. Sie beschließen, an einem Tag solle jeder Argumente vorbringen, die gegen eine Ordensgründung sprächen; und am nächsten Tag solle ebenfalls jeder Argumente für eine Ordensgründung nennen, unabhängig davon, welcher Meinung er selber sei. So sollten überhaupt alle relevanten Argumente pro und kontra auf den Tisch kommen, ohne daß derjenige, der sie äußert, fürchten müßte, von den anderen schräg angesehen zu werden. Auf eine solche Methode waren sie stolz; sie gehörte von nun an zu ihrer »Weise des Vorangehens«. Sie ist noch heute für den Orden wichtig.

Paul III. bestätigt die OrdensgründungDie Gefährten kamen in langen abendlichen Beratungen schließlich zu der einstimmigen Auffassung, sie sollten auf der Grundlage, für päpstliche Aussendungen zur Verfügung zu stehen, einen Orden unter einem gemeinsamen Oberen gründen. Sie legten dem Papst eine »Formula Instituti« mit fünf Kapiteln zur Bestätigung vor; es gehe ihnen darum, »besonders auf den Fortschritt der Seelen in Leben und christlicher Lehre und auf die Verbreitung des Glaubens abzuzielen durch den Dienst des Wortes, Geistliche Übungen und Liebeswerke und namentlich durch Unterweisung von Kindern und einfachen Menschen im Christentum«.

Neu an diesem Ordensprojekt ist, daß man auf gemeinsames Chorgebet und eigene Tracht verzichtet, damit sich alle Mitglieder möglichst frei dem Dienst für andere widmen können. Als Ziel des Ordens wird in den späteren »Satzungen der Gesellschaft Jesu« ganz allgemein bestimmt, »den eigenen Seelen und den Seelen der Nächsten zu helfen, das letzte Ziel zu erreichen, für das sie geschaffen sind« (Sa 307). Jerónimo Nadal, ein Vertrauter von Ignatius und früher Kommentator der Satzungen, erläutert: »Die Gesellschaft kümmert sich um diejenigen, um die sich sonst niemand kümmert, oder wo der, der es tun sollte, es nur nachlässig tut.« (MHSI 90a, 126)

Traditionell werden die Orden in kontemplative oder aktive eingeteilt, je nachdem sie sich mehr dem Gebet oder dem Dienst an den Nächsten widmen. Das Ideal der Gesellschaft Jesu besteht darin, daß man sich aufgrund des eigenen Sich-geborgen-Wissens in der Liebe Gottes dem Dienst an den Mitmenschen widmet und so auch in der Aktivität kontemplativ bleiben kann.

Mündlich approbiert Papst Paul III. die »Formula Instituti« bereits im selben Jahr 1539. Die schriftliche Bestätigung in der Bulle »Regimini militantis ecclesiae« läßt allerdings noch ein Jahr auf sich warten. Die kurialen Behörden entwickeln gegenüber dem ungewohnten Projekt manche Bedenken, die erst mühsam ausgeräumt werden müssen.

Im Jahr 1541 wählt die Gruppe der Gründer Ignatius als ihren Oberen. Sie beauftragen ihn und Jean Codure, Satzungen für den Orden aufzustellen. Jean Codure stirbt im gleichen Jahr, so daß Ignatius bis 1547 mit der Arbeit allein bleibt. Aber von da an findet er einen sehr begabten und geschickten Mitarbeiter in seinem Sekretär Juan de Polanco.
 

Die »Geistlichen Übungen« und die »Satzungen der Gesellschaft Jesu«

Durch ihre Predigten und ihren Einsatz für die Armen macht die Gruppe in Rom großen Eindruck. Schon bald schließen sich junge Menschen dem neuen Orden an. Besonders die dreißigtägigen »Geistlichen Übungen« oder »Exerzitien« motivieren viele zu einer solchen Entscheidung.

Das Buch der »Geistlichen Übungen« erscheint in einer ersten gedruckten Ausgabe auf Latein im Jahre 1548. Es ist als Anleitung für denjenigen gedacht, der andere bei solchen Übungen begleitet. Als »Geistliche Übungen« bezeichnet Ignatius zunächst ganz allgemein »jede Weise, das Gewissen zu erforschen, sich zu besinnen, zu betrachten, mündlich und geistig zu beten, und anderer geistlicher Betätigungen« oder auch »jede Weise, die Seele darauf vorzubereiten und einzustellen, alle ungeordneten Anhänglichkeiten von sich zu entfernen und, nachdem sie entfernt sind, den göttlichen Willen in der Einstellung des eigenen Lebens zum Heil der Seele zu suchen und zu finden.« (GÜ 1)
 
  

Die Einleitung der »Geistlichen Übungen«: 
GEISTLICHE ÜBUNGEN, UM ÜBER SICH SELBST ZU SIEGEN 
UND SEIN LEBEN ZU ORDNEN, OHNE SICH DURCH IRGENDEINE ANHÄNGLICHKEIT BESTIMMEN ZU LASSEN, DIE UNGEORDNET WÄRE.
Damit sowohl der, der die geistlichen Übungen gibt, wie der, der sie empfängt, mehr Hilfe und Nutzen haben, ist vorauszusetzen, daß jeder gute Christ bereitwilliger sein muß, die Aussage des Nächsten zu retten, als sie zu verurteilen; und wenn er sie nicht retten kann, erkundige er sich, wie jener sie versteht, und versteht jener sie schlecht, so verbessere er ihn mit Liebe; und wenn das nicht genügt, suche er alle angebrachten Mittel, damit jener, indem er sie gut versteht, sich rette.

PRINZIP UND FUNDAMENT
Der Mensch ist geschaffen, um Gott unseren Herrn zu loben, ihm Ehrfurcht zu erweisen und ihm zu dienen und mittels dessen seine Seele zu retten; und die übrigen Dinge auf dem Angesicht der Erde sind für den Menschen geschaffen und damit sie ihm bei der Verfolgung des Ziels helfen, zu dem er geschaffen ist. Daraus folgt, daß der Mensch sie soweit gebrauchen soll, als sie ihm für sein Ziel helfen, und sich soweit von ihnen lösen soll, als sie ihn dafür hindern. Deshalb ist es nötig, daß wir uns gegenüber allen geschaffenen Dingen in allem, was der Freiheit unserer freien Entscheidungsmacht gestattet und ihr nicht verboten ist, indifferent machen. Wir sollen also nicht unsererseits mehr wollen: Gesundheit als Krankheit, Reichtum als Armut, Ehre als Ehrlosigkeit, langes Leben als kurzes; und genauso folglich in allem sonst, indem wir allein wünschen und wählen, was uns mehr zu dem Ziel hinführt, zu dem wir geschaffen sind.


Hauptsächlich geht es in den Geistlichen Übungen darum, meditierend mit dem Leben Jesu Christi vertraut zu werden und auf diesem Hintergrund auch das eigene Leben zu betrachten. Ignatius rät sehr davon ab, den Übenden lange Vorträge über den Gegenstand der Meditation zu halten. Er traut den Übenden zu, daß sie selbst innerlich erfassen können, worum es in den Evangelien geht. 

»Die Geschichte selbständig durchzugehen und zu bedenken und etwas zu finden, was sie ein wenig mehr erläutern und verspüren läßt, dies ist von mehr Geschmack und geistlicher Frucht, als wenn der, der die Übungen gibt, den Sinn der Geschichte viel erläutert und erweitert hätte. Denn nicht das viele Wissen sättigt und befriedigt die Seele, sondern das Innerlich-die-Dinge-Verspüren-und-Schmecken« (GÜ 2).

Anstatt bestimmte Gebetsweisen vorzuschreiben, lehrt Ignatius, daß jeder nach der für ihn selbst am meisten hilfreichen Gebetsweise suchen solle.

Ein bezeichnendes Beispiel für die Anleitungen, die Ignatius für die Meditation gibt, ist sein Hinweis zum Vaterunser. Man könne es so beten, daß man bei jedem einzelnen Wort so lange verweilt, als man »Bedeutungen, Vergleiche, Geschmack und Tröstung in zu diesem Wort gehörigen Erwägungen findet« (GÜ 252).

Die »Geistlichen Übungen« enthalten nicht nur Meditationsanleitungen. Es geht in ihnen auch darum, Lebensentscheidungen wie eine Berufswahl so zu treffen, daß sie der Grundhaltung des Glaubens entsprechen. Ignatius empfiehlt, sich nicht nur objektiv Gründe für und gegen verschiedene Möglichkeiten vor Augen zu stellen, sondern auch subjektiv über längere Zeit auf das innere Echo zu achten, das bei dem Gedanken an diese oder jene Entscheidung entsteht. Zudem stellt er eine Reihe von »Regeln zur Unterscheidung der Geister« auf; diese Regeln sollen zu unterscheiden helfen, ob man auf einem guten Weg geht oder sich selber etwas vormacht. Eine solche Regel lautet: »Zur Zeit der Trostlosigkeit niemals eine Änderung machen, sondern fest und beständig in den Vorsätzen und dem Entschluß stehen, in denen man an dem solcher Trostlosigkeit vorangehenden Tag stand, oder in dem Entschluß, in dem man in der vorangehenden Tröstung stand.« (GÜ 318)

Die ersten Gefährten, die zusammen mit Ignatius den neuen Orden gegründet hatten, waren ausgebildete Theologen. Aber bald wurde klar, es würde schwer sein, nur aus solchen, die ihre Studien bereits hinter sich hatten, Nachwuchs für den neuen Orden zu gewinnen. Gute und wissenschaftlich Ausgebildete würden sich nur in geringer Zahl finden, und von den wenigen würden »die meisten bereits von ihren bisherigen Anstrengungen ausruhen wollen«, heißt es in der Begründung dafür, warum man sehr früh begann, Studienkollegien zu errichten (Sa 308). Man hoffte, junge Menschen gut ausbilden und ihnen auch bei einem langen Studium ihre ursprüngliche Begeisterung erhalten zu können. Bald wurden diese Studienkollegien auch für solche geöffnet, die nicht selber Jesuiten werden wollten. Dies war der Ursprung der immer ausgedehnteren Tätigkeit des Ordens in höheren Schulen und Universitäten und seines Engagements für humanistische Bildung.

Ignatius als Verfasser der Satzungen der Gesellschaft JesuAuch die Erarbeitung der »Satzungen der Gesellschaft Jesu« hat sich wie die der »Geistlichen Übungen« über viele Jahre erstreckt. Es handelt sich weniger um ein Gesetzbuch als vielmehr um eine Art »Reiseführer« für den Weg des Eintretenden.

Nach dem Noviziat von zwei Jahren legt man die Gelübde von Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam ab. Es folgt das Philosophie- und Theologiestudium; die Studenten werden als Scholastiker bezeichnet. Nach dem Studium findet ein einjähriges Terziat statt, das der weiteren geistlichen und pastoralen Ausbildung dient. Die volle Eingliederung in den Orden geschieht durch die letzten Gelübde. Den innersten Kreis des Ordens bilden die Professen, die Priester sind und außer den Gelübden von Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam auch das Gelübde ablegen, dem Papst für Aussendungen im Dienst des Glaubens zur Verfügung zu stehen. Einen weiteren Kreis bilden die Koadjutoren (Mithelfer), die nur die ersten drei Gelübde ablegen. Auch sie sind größtenteils Priester; es werden auch Laien aufgenommen, die als Brüder verschiedene Handwerke ausüben. 

Das Arbeitszimmer von IgnatiusDer Orden wird von einem Generaloberen geleitet, dem ein Rat von Assistenten zur Seite steht; der Generalobere seinerseits ist der vom Gesamtorden gewählten Generalkongregation unterstellt, die aber nur zur Generalswahl oder zu sehr wichtigen Entscheidungen zusammentritt. Auch die untergeordneten Provinz- und Ortsoberen haben immer ein Gremium von Beratern.
In den Satzungen geht es darum, die in den »Geistlichen Übungen« als geistliche Haltung grundgelegte Christusnachfolge in einer Art Abstieg in den Alltag immer mehr sowohl im individuellen wie im sozialen Sinn zu »verleiblichen«. Jeder, der eintritt, wird zum Mitbegründer eines Ordens, der sich auch als ganzer als einen einzigen »Leib« versteht. Der ausgebildete Jesuit wird sich aus eigenen Stücken und aus eigener Einsicht für die Weitergabe des Glaubens und die Förderung von Gerechtigkeit einsetzen. An die Stelle vieler Gesetze tritt die persönliche Begleitung durch den Oberen, mit dem man bespricht, was man tut. Die Satzungen wollen dazu anleiten, auf kreative Weise jeweils auf die vielen »besonderen Umstände von Personen, Zeiten und Orten« einzugehen. Eine entscheidende Bestimmung legt fest, daß »außer dem ausdrücklichen Gelübde, das die Gesellschaft gegenüber dem jeweiligen Papst hat, und den drei anderen wesentlichen Gelübden Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam« die Satzungen selbst, ihre Erläuterungen und sonstige Gebräuche des Ordens nie »unter Sünde«, d. h. unter Belastung des Gewissens verpflichten (Sa 602).

Besonderes Gewicht legt Ignatius auf die Einübung eines Gehorsams, der darin besteht, »mit großer Bereitschaft, geistlicher Freude und Ausdauer« (Sa 547) Aufträgen gerecht zu werden. »Verstandesgehorsam« nennt Ignatius die Bereitschaft, mit der eigenen Einsicht dazu beizutragen, daß alle Aufgaben im Sinn des Oberen und der Zielsetzung des Ordens erfüllt werden. Nur gegenüber dem Eigenwillen und dem eigenen Vorteil soll der Gehorsame wie »blind« und »tot« sein. Umgekehrt ist es die Aufgabe der Oberen, ihre Mitbrüder so gut wie möglich einzusetzen und sie für die Ausführung ihrer Sendung auf jede erdenkliche Weise zu unterstützen.

Über die Praxis dieses Gehorsams berichtet Luis Gonçalves da Câmara in seinem »Memoriale«, einer Art Tagebuch über Ignatius aus dem Jahre 1555: »Ich erinnere mich, daß er einen Pater zu rufen pflegte, wenn er ihn schickte, um Angelegenheiten von viel Gewicht mit großen Personen von Rom zu verhandeln, und daß er ihm sagte: ›Kommt her; ich will, daß ihr geht und diese Angelegenheit mit dem Kardinal Soundso verhandelt; und ich will euch sie erfassen lassen. Ich ziele dies und dies an, und dafür boten sich mir diese und diese Mittel an.‹ Und nachdem er ihm die ganze notwendige Kenntnis und Unterweisung gegeben hatte, fügte er hinzu: ›Aber ich will, daß ihr dort die Mittel anwendet, von denen der Herr euch lehrt, daß sie die angebrachtesten sind, und ich lasse euch in aller Freiheit, daß ihr tut, was euch am besten scheint.‹ Zuweilen verhielt er sich mir gegenüber auf diese Weise; und wenn ich am Abend zurückkam, war die erste Sache, die er mich fragte: ›Kommt ihr zufrieden mit euch?‹ Er setzte voraus, daß ich die Sache mit Freiheit verhandelt hätte und daß alles, was ich getan hatte, von mir sei.« (269)

Deshalb hat Ignatius auch großen Wert darauf gelegt, daß die einzelnen Mitglieder selber Initiativen ergreifen und dem Oberen vorschlagen, was sie sich selbst oder zusammen mit anderen als dienlich für das Ziel des Ordens überlegt haben. Er wünschte, daß eventuelle Einwände und Gegengründe gegen eine Entscheidung des Oberen rechtzeitig und notfalls auch mehrmals zur Sprache gebracht werden, wenn man nur dem Oberen die letzte Entscheidung überließ (Br. 5400a). Eine Grenze des Gehorsams ist nur da gegeben, wo man gegen sein Gewissen handeln würde, z. B. jemandem Unrecht täte.

So lebt von 1540 an der einstige »Pilger« Ignatius ortsfest in Rom; jemand beschrieb ihn als »ein Spanierlein, klein, etwas hinkend, mit fröhlichen Augen« (Memoriale 180); und er galt als einer der »höflichsten und zuvorkommendsten Menschen« der Stadt (ebd. 290).

Der neue Orden wächst rasch. Im Todesjahr von Ignatius hat die »Gesellschaft Jesu« schon etwa 1000 Mitglieder in 11 Ordensprovinzen; es gibt Missionen in Indien, Japan, Brasilien, Äthiopien und am Kongo. Berühmt in der Geschichte des Ordens sind die Indianer-Reduktionen in Uruguay und Brasilien im 17. und 18. Jahrhundert. Die Jesuiten führten die Indianer zu größeren Gemeinwesen zusammen, wo sie sich gegen Sklavenjäger schützen konnten. In China versuchten die Jesuiten eine Inkulturation der christlichen Botschaft unter Beibehaltung dort vorgefundener Sitten wie der Ahnenverehrung; ihr diesbezüglicher Streit mit anderen Orden wurde 1742 von Papst Benedikt XIV. definitiv gegen sie entschieden.

Der politische Einfluß der Jesuiten und ihre besondere Bindung an den Papst waren Hauptgründe dafür, daß insbesondere die Höfe von Spanien und Frankreich aus dem Geist der Aufklärung einen solchen Druck auf Papst Clemens XIV. ausübten, daß er schließlich nachgab und am 21. Juli 1773 die Gesellschaft Jesu aufhob. Nur in Rußland konnte sie weiter existieren, weil Zarin Katharina sich weigerte, das päpstliche Breve zu veröffentlichen. Aber im Jahr 1814 wurde der Orden von Papst Pius VII. erneut auch gesamtkirchlich zugelassen. Heute (1996) umfaßt der Orden weltweit 22.580 Mitglieder.

Von Ignatius sind von 1524 bis 1556 im ganzen 6815 Briefe erhalten; die meisten dieser Briefe gehen an Mitglieder des Ordens. An Nichtjesuiten sind 1514 Schreiben gerichtet; zu den Adressaten gehören Papst und Kaiser, Könige und Fürstenfamilien, Bischöfe und Äbte, Ordensschwestern, Mütter und Väter junger Jesuiten sowie städtische Gremien. Diese Briefe sind heute in 12 Bänden der Monumenta Historica Societatis Jesu veröffentlicht. Sie bilden (wohl neben dem von Melanchthon) eines der größten erhaltenen und edierten Briefcorpora des 16. Jahrhunderts.

Die meisten der erhaltenen, von Ignatius selbst oder in seinem Auftrag von Juan de Polanco geschriebenen Briefe stammen aus seinen letzten zehn Lebensjahren. Sie sind großenteils dadurch bewahrt geblieben, daß der Sekretär Zusammenfassungen, Entwürfe oder Abschriften archiviert hat.
Totenmaske von Ignatius
Ignatius war in diesen Jahren immer wieder durch ein fiebriges Gallenleiden sehr behindert, das man damals weder richtig zu diagnostizieren noch zu behandeln wußte. Daran starb er am 31. Juli 1556. Im Jahr 1609 wurde er seliggesprochen. Heiliggesprochen wurde er von Gregor XV. am 12. März 1622 zusammen mit u. a. Francisco de Javier und Teresa von Avila.

Die ignatianische Spiritualität wird im Orden mit einem paradox klingenden Satz zusammengefaßt: »Dies sei die erste Regel für alles, was zu tun ist: Vertraue so auf Gott, als hinge der gesamte Erfolg der Dinge von dir, nichts von Gott ab; wende ihnen jedoch so alle Mühe zu, als werdest du nichts, Gott allein alles tun.« Das Vertrauen auf Gott soll sich im selbstlosen, uneingeschränkten und gut bedachten Einsatz aller eigenen Fähigkeiten erweisen.


Literatur:
Ignatius von Loyola, Deutsche Werkausgabe, übersetzt von Peter Knauer,
Band I: Briefe und Unterweisungen, Würzburg 1993;
Band II: Gründungstexte der Gesellschaft Jesu, Würzburg 1998.

Ignacio Tellechea, Ignatius von Loyola »Allein und zu Fuß« – Eine Biographie, Zürich 1991.

Ignatius von Loyola und die Gesellschaft Jesu 1491–1556, hrsg. v. Andreas Falkner und Paul Imhof, Würzburg 1990.



 
Erläuterung der angewandten Siglen, jeweils gegebenenfalls mit Band, Nummer des Textabschnittes bzw. Nummer des Briefes oder Seitenzahl:
BP = Ignatius von Loyola, Bericht des Pilgers, Leipzig 1991.
BU = Ignatius von Loyola, Briefe und Unterweisungen, Würzburg 1993.
GGJ = Ignatius von Loyola, Gründungstexte der Gesellschaft Jesu, Würzburg 1998.
= Ignatius von Loyola, Geistliche Übungen – Nach dem spanischen Autograph übersetzt von
          Peter Knauer, Würzburg 1998.
Memoriale = Luis Gonçalves da Câmara, Memoriale,    Erinnerungen an unseren Vater Ignatius, als Manuskript gedruckt.
MHSI = Monumenta Historica Societatis Iesu.
MI FN = Monumumenta Ignatiana, Fontes Narrativi.
Sa = Ignatius von Loyola, Satzungen der Gesellschaft Jesu, in: Ignatius von Loyola, Gründungstexte der Gesellschaft Jesu, Deutsche Werkausgabe Band II, Würzburg 1998.

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