Letzte Aktualisierung:  30. November 2011, PK

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Peter Knauer SJ



Die Kirchenkritik der Mystiker

... für das wahre Gespür in der streitenden Kirche

Ignatius von Loyola (14911556)


Gedruckt in:
Die Kirchenkritik der Mystiker – Prophetie aus Gotteserfahrung, Band II: Frühe Neuzeit, hrsg. v. Mariano Delgado und Gotthard Fuchs unter Mitarbeit von David Neuhold, Fribourg: Academic Press ISBN 3-7278-1503-5; Stuttgart: W. Kohlhammer ISBN 3-17-018892-5. 2005, 163–181.

ZUSAMMENFASSUNG:
Die Kirchenkritik von Ignatius von Loyola kann nur zwischen den Zeilen ausfindig gemacht werden; z.B. wenn ein Brief, der aus Anlass der Papstwahl von Marcellus II. geschrieben wurde, mit demjenigen verglichen wird, den er nach der Wahl von Paul schreiben ließ. Ignatius hat es vorgezogen, Personen direkt auf ihre Verfehlungen hinzuweisen. Aber seine Forderung von dem Weißen, das ich sehe, glauben, dass es schwarz ist, wenn die hierarchische Kirche es so bestimmt (Geistliche Übungen, n. 365) hat nichts zu tun mit der Unterdrückung des Augenfälligen bzw. der Kritik, sondern es handelt sich um einen allgemeinen Grundsatz des Glaubens. Was wir glauben, bleibt unter seinem Gegenteil verborgen: Im gekreuzigten sehen wir den auferstandenen Christus, in einer Kirche, die noch immer einen großen Reformbedarf aufweist, sehen wir die Gegenwart des Heiligen Geistes

Im Folgenden sollen vor allem Originaltexte[1] zur Sprache kommen. Kirchenkritik drückt sich bei Ignatius von Loyola nur in einer sehr zurückhaltenden Weise aus; oft kommt erst durch den Vergleich verschiedener Texte heraus, worin genau der Kritikpunkt liegt. Gonçalves da Câmara berichtet über die Sprechweise von Ignati­us:

    „Die Weise des Vaters zu sprechen ist ganz über Dinge, mit sehr wenigen Worten und ohne jede Reflexion über die Dinge, sondern in einfacher Erzählung. Und auf diese Weise überlässt er denen, die zuhören, die Reflexion und dass sie die Folgerungen aus den Prämissen ziehen. Und auf diese Weise überzeugt er wunderbar, ohne irgendeine Neigung zur einen oder anderen Seite zu zeigen, sondern indem er einfach erzählt. Was er an Kunstfertigkeit anwendet, ist: Die wesentlichen Punk­te, die überzeugen können, berührt er alle, und andere, die nichts beitragen, lässt er weg, wie es notwendig erscheint. (Memoriale, n. 227)

1) Zwei einführende Zitate

Es könnte zunächst scheinen, als gebe es für Ignatius überhaupt keine Kirchen­kritik. Berühmt ist in seinen Geistlichen Übungen unter den „Regeln für das wahre Gespür, das wir in der streitenden Kirche haben müssen die dreizehnte Regel:

    „Wir müssen immer festhalten, um in allem das Rechte zu treffen: Von dem Weißen, das ich sehe, glauben, dass es schwarz ist, wenn die hierarchische Kirche es so bestimmt, indem wir glauben, dass zwischen Christus unserem Herrn, dem Bräutigam, und der Kirche, seiner Braut, der gleiche Geist ist, der uns leitet und lenkt zum Heil unserer Seelen. Denn durch den gleichen Geist und unse­ren Herrn, der die Zehn Gebote gegeben hat, wird gelenkt und geleitet unsere heilige Mutter Kir­che. (GÜ, n. 365)

[164] Auf den ersten Blick scheint dies zu bedeuten, dass man annehmen solle, dass die Kirche immer Recht hat. Was für die Vernunft Augenschein ist, wäre dann als bloßer Schein abzutun. Aber zu diesem Urteil kommt man nur, wenn man die Genauigkeit der ignatianischen Sprache verkennt. Der Text lautet keineswegs: Von dem, was mir weiß scheint, glauben, dass es schwarz ist. Es wird nicht dementiert, dass das als weiß Gesehene tatsächlich weiß ist. Vielmehr wird eine allgemeine Glaubensregel aufgestellt. Sie besagt, dass alle Glaubensaussagen die Struktur einer absconditas sub contrario [Verborgenheit unter dem Gegenteil] haben. Man sieht den Menschen Jesus, den auch Pilatus sehen konnte, und glaubt den Sohn Gottes, den Pilatus nicht sehen konnte. Man sieht den Gekreu­zigten und glaubt den Auferstandenen. Man sieht eine Kirche, die eine Gemein­schaft von sündigen Menschen in dieser Welt ist, und glaubt die Gegenwart des Heiligen Geistes. Man glaubt immer von einer gesehenen, den Sinnen zugäng­lichen Wirklichkeit etwas dem Augenschein Entgegengesetztes. Die Glaubens­wahrheit in bezug auf eine gesehene Wirklichkeit ist nur einer Erkenntnis im Heili­gen Geist zugänglich. Es geht in jeder Glaubenswahrheit um ein Zusammen von geschaffener Wirklichkeit und der Selbstmitteilung des ewigen Gottes.

Diese Regel hat jedoch nichts damit zu tun, dass Kritik an der Kirche verdrängt werden müsste oder gar dass die Vernunft nicht mehr gelten solle.

In denselben Regeln für das wahre Gespür, das wir in der streitenden Kirche haben müssen, gibt es noch ein anderes Beispiel, das sich wie Verdrängung von Kirchenkritik anhören könnte.

    „Wir müssen bereitwilliger sein, sowohl Satzungen, Empfehlungen wie Gewohnheiten unserer Vor­gesetzten zu billigen und zu loben. Denn wenngleich einige nicht so [wie es wünschenswert ist] sind oder wären, würde das Reden dagegen, sei es beim Predigen in der Öffentlichkeit oder beim Darlegen vor dem einfachen Volk, mehr Murren und Ärgernis als Gewinn bewirken. Und so würde das Volk gegen seine Vorgesetzten, seien es zeitliche oder geistliche, unwillig werden. Wie es also Schaden bringt, in Abwesenheit über die Vorgesetzten schlecht zum einfachen Volk zu reden, so kann es Gewinn bringen, von den schlechten Gewohnheiten zu denjenigen selbst zu sprechen, die ihnen abhelfen können. (GÜ, n. 362)

Es geht jedoch auch hier nicht darum, Missstände geheimzuhalten oder zu ver­schleiern. Ignatius empfiehlt vielmehr, sich an diejenigen selbst zu wenden, die für die Misstände verantwortlich sind, anstatt hinter ihrem Rücken zu agieren. Ignati­us gebraucht für einen solchen Umgang mit Vorgesetzten an anderer Stelle den Ausdruck christliche Freiheit (Sa, nn. 661, 817).

2) In chronologischer Reihenfolge

Ignatius ist in einer Kirche aufgewachsen, in der die christliche Botschaft kaum mehr als befreiendes Evangelium ausgelegt wurde. Vielmehr schien die[165]se Bot­schaft weithin darauf hinauszulaufen, das Heil unter viele Bedingungen zu stellen, die man ganz genau zu erfüllen hätte. Als Ignatius in seiner Büßerzeit wie es scheint, aufgrund eines solchen Verständnisses in Manresa in schwere Skrupel geriet, gab es niemanden, der ihm helfen konnte; diese Aussage stellt eine sehr fundamentale Kirchenkritik dar, wenn sie auch nicht in der Gestalt einer Kirchen­kritik formuliert ist. Sein Bericht lautet:

Doch darin begann er, viele Mühen mit Skrupeln zu haben. Denn obwohl die Generalbeichte, die er auf dem Montserrat abgelegt hatte, mit ziemlicher Sorgfalt gewesen war und ganz, wie gesagt, schriftlich, schien ihm doch zuweilen, dass er einige Dinge nicht gebeichtet hatte. Und dies machte ihm viel Kummer. Denn obwohl er es beichtete, blieb er nicht zufriedengestellt. Und so begann er, einige geistliche Menschen zu suchen, die ihm von diesen Skrupeln abhelfen könnten. Aber nichts half ihm. Und am Schluss sagte ihm ein Doktor vom Dom, ein sehr geistlicher Mann, der dort pre­digte, eines Tages in der Beichte, dass er alles aufschreiben solle, woran er sich erinnern könne. Er tat es so. Und nachdem er gebeichtet hatte, kehrten ihm doch die Skrupel wieder, wobei sich die Dinge jedesmal verfeinerten, so dass er sich sehr bedrängt fand. Und obwohl er fast erkannte, dass jene Skrupel ihm viel Schaden bewirkten, so dass es gut wäre, sich von ihnen zu lösen, konnte er es doch bei sich nicht fertigbringen. Er dachte manchmal, dass es ihm Abhilfe wäre, wenn ihm sein Beichtvater im Namen Jesu Christi geböte, keines der vergangenen Dinge zu beichten. Und so verlangte er danach, dass der Beichtvater es ihm gebiete. Doch hatte er nicht die Kühnheit, um es dem Beichtvater zu sagen.

Doch ohne dass er es ihm sagte, gebot ihm der Beichtvater schließlich, er solle nichts von den vergangenen Dingen beichten, wenn es nicht eine so deutliche Sache wäre. Doch da er alle jene Dinge für sehr deutlich hielt, nützte dieses Gebot nichts; und so verblieb er immer mit der Mühe.


Zu dieser Zeit wohnte der Genannte in einer kleinen Zelle, die ihm die Dominikaner in ihrem Klo­ster gegeben hatten. Und er verharrte in seinen sieben Stunden Gebet auf den Knien, wobei er ständig um Mitternacht aufstand, und in allen weiteren schon genannten Übungen. Aber in ihnen allen fand er keine Abhilfe für seine Skrupel, nachdem schon viele Monate vergangen waren, dass sie ihn peinigten. Und einmal begab er sich, weil er sehr von ihnen bedrängt war, in das Gebet, und mit dessen Glut begann er, mit lauten Worten zu Gott zu schreien und zu sagen: Komm mir zu Hilfe, Herr, denn ich finde keine Abhilfe bei den Menschen und bei keinem Geschöpf. Denn wenn ich dächte, sie finden zu können, wäre mir keine Mühe zu groß. Zeige mir du, Herr, wo ich sie finden soll; denn auch wenn es nötig wäre, hinter einem Hündlein herzulaufen, damit es mir die Abhilfe gäbe: Ich werde es tun!’

Als er in diesen Gedanken war, kamen ihm oft Versuchungen mit großem Ansturm, sich durch ein großes Loch zu stürzen, das diese seine Zelle hatte; und es war neben der Stelle, wo er das Gebet hielt. Doch da er erkannte, dass es Sünde war, sich zu töten, schrie er wiederum:
Herr, ich werde nichts tun, was dir entgegen ist! Und er wiederholte diese Worte so wie die früheren viele Male.

Und so kam ihm die Geschichte von einem Heiligen in den Sinn, welcher, um von Gott eine Sache zu erlangen, die er sehr ersehnte, viele Tage ohne Essen blieb, bis er sie erlangte. Und indem er darüber eine gute Weile nachdachte, entschloss er sich am Schluss, es zu tun. Er sagte bei sich selbst, dass er weder essen noch trinken würde, bis Gott für ihn gesorgt hätte oder der Tod bereits ganz nahe zu sehen wäre. Denn für den Fall, dass es ihm geschehen sollte, sich in den letzten Zügen
[2] zu sehen, so dass er, wenn er nicht äße, alsbald sterben müsste, beschloss er, Brot zu erbitten und es zu essen 
als ob tatsächlich er es in jener letzten Stunde hätte erbitten oder essen können. (BP, nn. 22B24)

[166] Der Bericht zeigt, wie zerstörerisch sich ein Grundmissverständnis auswirken kann. Ignatius wurde bis hin zu Selbstmordgedanken getrieben. Auch der letzte Satz stellt eine kritische Beurteilung seiner eigenen überkommenen Frömmigkeit dar. Wiederholt weist Ignatius darauf hin, dass er noch blind und ohne geistliches Verstehen war (BP, nn. 7,4; 9,2; 14,1; 20,1; 21,5). Der Bericht fährt fort:

    „Dies geschah an einem Sonntag, nachdem er die Kommunion empfangen hatte. Und die ganze Woche verharrte er, ohne irgend etwas in den Mund zu steken. Dabei unterließ er nicht, die ge­wohnten Übungen zu machen, auch zu den Gottesdiensten zu gehen und kniend sein Gebet zu halten, auch um Mitternacht, usw.

    Doch als der andere Sonntag gekommen war, an dem es nötig war beichten zu gehen, sagte er zu seinem Beichtvater auch  da er ihm sehr im einzelnen zu sagen pflegte, was er tat , wie er in dieser Woche nichts gegessen habe. Der Beichtvater gebot ihm, diese Enthaltung abzubrechen. Und obwohl er sich bei Kräften fand, gehorchte er doch dem Beichtvater. Und er fand sich an diesem und dem Tag darauf frei von den Skrupeln. Doch am dritten Tag, der der Dienstag war, begann er, als er im Gebet war, sich an die Sünden zu erinnern. Und so wie eine Sache, die sich an einem Faden aufreiht, musste er an eine Sünde nach der anderen aus der vergangenen Zeit denken; und ihm schien, dass er verpflichtet sei, sie noch einmal zu beichten. Doch am Schluss dieser Gedanken kam ihm ein Widerwille gegen das Leben, das er führte, mit einigem Ansturm, es zu lassen. Und damit wollte der Herr, dass er wie aus einem Traum aufwachte. Und da er bereits einige Erfahrung der Verschiedenheit der Geister durch die Lektionen hatte, die Gott ihm gegeben hatte, begann er, auf die Mittel zu schauen, durch die jener Geist gekommen war. Und so entschloss er sich mit großer Klarheit, keine Sache von den vergangenen mehr zu beichten. Und so blieb er von jenem Tag an frei von jenen Skrupeln. Er hielt es für gewiss, dass Gott unser Herr ihn um seiner Barmher­zigkeit willen hatte befreien wollen. (BP, n. 25)

Die Hilfe, die Ignatius benötigt und doch bei den begegnenden und von ihm be­fragten Theologen und Amtsträgern der damaligen Kirche nicht findet, wird ihm so versteht er seinen Weg letztlich von Gott selbst zuteil, indem ihm das neu aufgeht, was in der christlichen Botschaft wirklich gesagt wird. Ignatius be­schreibt das Letztere und ähnliche Erfahrungen als ein Belehrtwerden durch Gott selbst:

    „In dieser Zeit behandelte Gott ihn auf die gleiche Weise, wie ein Schullehrer ein Kind behandelt, wenn er es unterweist. Und sei es, dass dies wegen seiner Ungebildetheit und seines groben Ver­standes war oder weil er niemanden hatte, der ihn unterwiesen hätte, oder wegen des festen Wil­lens, den ihm Gott selbst gegeben hatte, ihm zu dienen: Er urteilte deutlich und hat immer geurteilt, dass Gott ihn auf diese Weise behandelte; ja, wenn er daran zweifelte, würde er meinen, gegen seine göttliche Majestät zu sündigen. (BP, n. 27,4B5)

So beginnt er nun selber, anderen Menschen helfen zu wollen, ihnen die Hilfe weiterzugeben, die er für sich erfahren hatte. Zum Beispiel besteht das eigentliche Ziel seiner Wallfahrt nach Jerusalem gerade darin, den Seelen helfen wollen:

    „Sein fester Vorsatz war, in Jerusalem zu bleiben und immer jene Heiligen Stätten zu besuchen. Und auch hatte er außer dieser Andacht den Vorsatz, den Seelen zu helfen. Und zu diesem Zweck hatte er Empfehlungsbriefe für den Guardian bei sich, die er ihm gab. Und er sagte ihm seine Ab­sicht, dort zu seiner Andacht zu bleiben, aber nicht den zweiten Teil, den Seelen [167] helfen zu wollen; denn dies sagte er niemandem, während er den ersten Teil viele Male öffentlich gemacht hatte. (BP, n. 45)

Vielleicht befürchtete er bereits, dass man ihm für seine Absicht, den Seelen zu helfen, Schwierigkeiten bereiten würde, weil er nicht studiert habe (vgl. BP, nn. 62,5f; 64,4  65,6; 68,8). Tatsächlich wird man ihm immer wieder Steine in den Weg legen. Insgesamt musste er acht Inquisitionsprozesse durchstehen.

Da es ihm nicht erlaubt wird, in Jerusalem zu bleiben, stellt er diese Überlegung an:

    „Seit der genannte Pilger eingesehen hatte, dass es Gottes Wille war, dass er nicht in Jerusalem sei, dachte er ständig bei sich nach: Was tun? Und am Schluss neigte er mehr dazu, eine Zeit zu studieren, um den Seelen helfen zu können; und er entschloss sich, nach Barcelona zu gehen. (BP, n. 50)

Seine Hauptunterweisung für andere besteht darin, sie zu lehren, Gott unseren Herrn in allem zu finden. Es geht dabei um den Gegensatz zu einem nur sekto­riellen Verständnis des geistlichen Lebens, als wären nur bestimmte Ausschnitte des Lebens geistlich, etwa die Zeiten ausdrücklichen Gebets. Dies war weithin die herrschende Auffassung, die dann gewöhnlich die Aufforderung im Gefolge hatte, diese Zeiten auszudehnen; die schlimmere Folge war, dass man ein schlechtes Gewissen haben musste, wenn dies nicht gelang. Ignatius versteht das geistli­che Leben anders. Es geht ihm darum, dass man Gottes Liebe nicht erst erringen muss, sondern aufgrund der christlichen Botschaft von ihr ausgehen kann. Diese Botschaft sagt, dass Gottes Liebe nicht an uns selbst ihr Maß hat, so dass man in Gottes Liebe nur mehr oder minder geborgen ist, je nachdem, wie man es jeweils verdient. Vielmehr hat Gott von vornherein keine andere Liebe als die ewige Liebe zwischen Vater und Sohn, in welche die Welt hineingeschaffen worden ist. Wo man sich das sagen lässt, kann man aus der Geborgenheit in der Liebe Gottes leben. Dann wird überhaupt jede liebevolle Tätigkeit des sich so verstehenden Menschen zu einer Weise, Gott zu dienen und ihn zu ehren. Das ausdrückliche Gebet wird dadurch nicht überflüssig, sondern bleibt notwendig, um in dieser Grundhaltung zu bleiben. Dieses Verständnis und diese Lehre sind, obwohl es sie immer in der Kirche gegeben hat, im Vergleich zur herrschenden Praxis seiner Zeit und vielleicht gegenüber dem mitgebrachten Vorverständnis eines jeden Men­schen jederzeit neu.

Es liegt diesem Verständnis die Einsicht zugrunde, dass der christliche Glaube darin besteht, sich in das Verhältnis Jesu zu Gott aufgenommen zu wissen. An Jesus Christus als den Sohn Gottes glauben bedeutet, sich selber und die ganze Welt von Gott mit der Liebe angenommen zu wissen, in der er als Vater seinem eigenen Sohn von Ewigkeit her zugewandt ist. Der Sohn Gottes ist Mensch ge­worden, um uns dies in menschlichem Wort offenbaren zu können. Dieses Grund­verständnis findet seinen treffendsten Ausdruck im Na[168]men des späteren Ordens, der eigentlich gar kein Ordensname ist, sondern ein Programmwort für das Ver­ständnis von Christsein überhaupt.

Ignatius hat in der Abschlusszeit seines Studiums in Paris eine Gruppe von bleibenden Gefährten gefunden, die miteinander das Gelübde ablegten, in Armut und Ehelosigkeit zu leben und nach Jerusalem zu gehen oder, falls dies nicht möglich sein sollte, sich dem Papst für Sendungen zur Verfügung zu stellen. Juan de Polanco berichtet, wie auf dem Weg der Gruppe nach Rom der Name ent­stand, noch bevor sie ausdrücklich planten, einen Orden zu bilden:

     „Bezüglich des Namens der Gesellschaft und wie er zustande kam und bestätigt wurde usw., ist das, was ich durch Information und Schriften von den Vätern der Gesellschaft selber habe erfahren können, das folgende: Der Name ist die Gesellschaft Jesu, und dieser Name wurde angenommen, bevor sie nach Rom kamen. Als sie unter sich besprachen, wie sie sich gegenüber jemandem nen­nen sollten, der sie fragen würde, was für eine diese ihre Gemeinschaft sei, die aus neun oder zehn Personen bestand, begannen sie damit, sich dem Gebet zu widmen und nachzudenken, welcher Name der angebrachteste wäre. Und angesichts dessen, dass sie untereinander kein Haupt hatten und keinen anderen Oberen als Jesus Christus, dem allein sie zu dienen wünschten, schien ihnen, sie sollten von demjenigen den Namen nehmen, den sie als Haupt hatten, und sich die Gesellschaft Jesu nennen. Und in dieser Sache des Namens hatte P. Magister Ignatius soviele Heimsuchungen von dem, dessen Namen sie nahmen, und soviele Zeichen, dass er diese Benennung billigte und bestätigte, dass ich ihn selbst habe sagen hören: Er würde meinen, gegen Gott anzugehen und ihn zu beleidigen, wenn er daran zweifelte, dass dieser Name angebracht sei. Und als ihm gesagt und geschrieben wurde, er solle ihn ändern, weil die einen sagten, wir würden uns zu Jesus Christus erheben, und andere Dinge, erinnere ich mich, dass er mir sagte: Wenn alle die von der Gesellschaft gemeinsam und auch alle anderen, denen gegenüber man nicht unter Strafe von Sünde verpflichtet ist, ihnen zu glauben, urteilen sollten, dass dieser Name geändert werden müsse, dann würde er allein dem niemals zustimmen. Und da in den Satzungen stehe, dass nichts geschehen darf, wenn auch nur einer abweichender Auffassung ist, werde zu seinen Lebzeiten dieser Name niemals ge­ändert werden. Und diese so unerschütterliche Gewissheit pflegt Pater Magister Ignatius in den Dingen zu haben, die er auf höhere Weise als die menschliche hat; und so ergibt er sich in diesen Dingen keinerlei Gründen. (Summarium hispanum de origine et progressu Societatis Jesu, MI FN I, 203f, n. 86)

Der neue Name der Gruppe und des bald darauf entstehenden Ordens erweckte Verwunderung und sogar Irritation. Die meisten Orden bezeichnen sich nach dem Verfasser ihrer Regel: Augustiner, Benediktiner, Franziskaner. So warf man dem neuen Orden vor, sich anmaßend über alle anderen zu Jesus selbst erheben zu wollen. Diego Laínez, einer der zehn Mitbegründer der Gesellschaft Jesu, antwor­tete darauf: Bereits im Neuen Testament stehe, dass der Vater uns zur Gemein­schaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn, berufen hat (1 Kor 1,9) und dass unsere Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn ist (1 Joh 1,3) (MI FN II, 134f). An beiden Stellen steht in der lateinischen Bibelübersetzung für Gemeinschaft societas.

Die zur Begründung des Namens Societas Jesu Gesellschaft Jesu angeführ­ten Stellen aus dem Neuen Testament beziehen sich dort jedoch auf alle an Jesus Christus Glaubenden. Dies scheint zu bedeuten, dass der Name Gesellschaft Jesu ursprünglich weniger ein Ordensname ist, als vielmehr ein Pro[169]gramm zum Verständnis des Christseins darstellt: Christsein bedeutet, an Jesu Verhältnis zum Vater teilzuhaben. Denn dies ist die Begründung dafür, dass man Gott in allem finden und so in allen Lebenssituationen von der Gemeinschaft mit Gott ausge­hen kann. Es wird berichtet, dass Peter Faber, einer der Mitbegründer der Gesell­schaft Jesu, an verschiedenen Orten, in denen er predigte, Bruderschaften mit dem Namen Die Gesellschaft Jesu gegründet hat, die keineswegs mit dem Orden identisch sein, aber diese Spiritualität übernehmen sollten.

Wie wirkt sich dieses Verständnis in der Praxis aus? In einer späteren Antwort auf die Anfrage eines Studierenden über die beste Weise zu beten lässt Ignatius seine Lehre von seinem Sekretär Juan de Polanco in einem Brief vom 1. Juni 1551 an den Studenten Antonio Brandão so erläutern:

    „Man muss auf das Ziel des Studiums achten, um dessentwillen die Studenten keine langen Medi­tationen halten können, über die Übungen hinaus, die sie für die Tugend einhalten sollen, nämlich jeden Tag die Messe hören, eine Stunde zu Gebet und Gewissenserforschung, alle acht Tage beich­ten und kommunizieren. Sie können sich deshalb darin üben, die Gegenwart unseres Herrn in allen Dingen zu suchen, wie im Umgang mit jemand, im Gehen, Sehen, Schmecken, Hören, Verstehen und in allem, was wir tun; denn es ist wahr, dass seine göttliche Majestät durch Gegenwart, Macht und Wesen in allen Dingen ist. Und diese Weise zu meditieren, indem man Gott unseren Herrn in allen Dingen findet, ist leichter, als wenn wir uns zu den abstrakteren göttlichen Dingen erheben und uns ihnen mühsam gegenwärtig machen. Und diese gute Übung wird, indem sie uns bereit macht, große Heimsuchungen des Herrn bewirken, auch wenn es in einem kurzen Gebet ist. Und darüber hinaus kann man sich darin üben, Gott unserem Herrn vielmals seine Studien und deren Mühen darzubringen, indem man darauf sieht, dass wir sie aus Liebe zu ihm annehmen und unser Gefallen zurückstellen, damit wir seiner Majestät in etwas dienen, indem wir denen helfen, für deren Leben er gestorben ist. Und über diese beiden Übungen könnten wir uns erforschen. (BU, n. 1854, S. 349f)

An Francisco de Borja, der als Herzog von Gandía in die Gesellschaft Jesu ein­treten wollte, hatte Ignatius schon Jahre zuvor, am 20. September 1548, ge­schrieben, er solle seine Gebetszeiten auf die Hälfte einschränken und die gewon­nene Zeit dem Studium, der Leitung seines Staates und geistlichen Unterredungen widmen:

    „Denn es ist ohne Zweifel eine größere Tugend der Seele und eine größere Gnade, sich seines Herrn in verschiedenen Ämtern und an verschiedenen Orten zu freuen, als in einem allein. Und dafür müssen wir uns sehr in seiner göttlichen Güte fördern. (BU, n. 466, S. 247)

Dies ist nur eine andere Formulierung für die Maxime Gott unseren Herrn in allen Dingen finden als Kritik an dem herrschenden sektoriellen Verständnis.

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3) Ignatius und die Inquisition

Zur Kirchenkritik von Ignatius mag sein Umgang mit der Inquisition gehören, von der er sich jedenfalls auf keine Weise einschüchtern ließ. Zusammenfassend be­richtet er selbst darüber in einem Brief vom 15. März 1545 an den König von Portugal João III:

     „Die höchste Gnade und ewige Liebe Christi unseres Herrn begrüße und besuche Euer Hoheit. Amen.

    Aufgrund nicht weniger Vermutungen und Zeichen  unser Herr weiß es[3]  bin ich überzeugt, daß einige Dinge, die ich durchgemacht habe, wenn sie noch nicht zu Ohren Euer Hoheit gekom­men sind, kommen werden. Sie sind mehr von meinem Herrn, dem Ruhm für immer sei, als von mir. Da ich danach verlange, mich dieser Dinge immer zu rühmen, nicht in mir, sondern in meinem Schöpfer und Herrn[4], schien mir, früher oder später Euer so allerchristlichste Hoheit von ihnen allen unterrichten zu sollen, da wir Ihnen für immer überaus verpflichtet sind; jedoch in kurzer Unterrich­tung.

    Als ich von Jerusalem zurückkehrte, wurde ich in Alcalá de Henares, nachdem meine Oberen dreimal einen Prozeß gegen mich gemacht hatten, gefangengenommen und 42 Tage eingekerkert[5]. In Salamanca tat man es noch einmal: Ich wurde nicht nur eingekerkert, sondern in Ketten gelegt; dort war ich 22 Tage[6]. In Paris, wo ich das Studium fortsetzte, tat man es noch einmal[7]. Und in allen diesen fünf Prozessen und zwei Gefangenschaften wollte ich durch Gottes Gnade nie einen anderen Beauftragten oder Prokurator oder Anwalt nehmen und habe auch keinen genommen als Gott, auf den ich meine ganze gegenwärtige und künftige Hoffnung mittels seiner göttlichen Gnade und Gunst gesetzt habe.

    Nach dem Prozeß von Paris machte man nach sieben Jahren in der Universität selbst einen wei­teren[8]; in Venedig einen weiteren[9]; in Rom den letzten gegen die ganze Gesellschaft[10].

    Bei diesen letzten drei haben wir uns darum bemüht, daß die Gerechtigkeit Raum habe[11]. Denn ich war mit denen verbunden, die zur Gesellschaft gehören, welche mehr die Euer Hoheit als die unsere ist; und es sollte nicht dadurch eine Beleidigung für Gott unseren Herrn folgen, daß man alle ihre Mitglieder verleumdet. Und so befanden sich bei der letzten Urteilsverkündigung drei Richter in Rom, die gegen mich einen Prozeß gemacht hatten: der eine aus Alcalá, der andere aus Paris, der andere aus Venedig[12].

    Und in allen diesen acht Prozessen wurde ich allein durch die göttliche Gnade und Barmherzigkeit nie wegen eines einzigen Satzes oder auch nur wegen irgendeiner Silbe verurteilt, und erst recht wurde mir weder eine Buße auferlegt noch wurde ich verbannt.

   Und wenn Euer Hoheit informiert werden will, warum es so viele Untersuchung[13] und Erfor­schung über mich gab, so mögen Sie wissen: Nicht wegen irgendeiner Sache von Schis[171]matikern, von Lutheranern oder Alumbrados; denn mit diesen habe ich nie gesprochen und sie auch nicht kennengelernt; sondern weil sie sich, vor allem in Spanien, darüber wunderten, daß ich, der ich keine wissenschaftliche Bildung hatte, so ausführlich in geistlichen Dingen redete und Gespräche führte.

    Es ist wahr, daß der Herr, der mich geschaffen hat und mich für immer zu richten hat, mir Zeuge dafür ist: Für soviel Macht und zeitliche Reichtümer, als es unter dem Himmel gibt, wollte ich nicht, daß ich all das Gesagte nicht durchgemacht hätte; mit dem Wunsch, ich möchte zur größeren Ehre seiner göttlichen Majestät in Zukunft noch viel mehr durchmachen.

    Wenn also, mein Herr in unserem Herrn, einige dieser Dinge dorthin gelangen, mögen Sie mit jener unermeßlichen Barmherzigkeit und höchsten Gnade, die seine göttliche Majestät Euer Hoheit gegeben hat, um ihr mehr zu dienen und sie zu loben, darauf achten, ihre Gnaden anzuerkennen. Sie mögen das Gute vom Bösen zu unterscheiden wissen und aus beidem Nutzen ziehen. Denn je mehr Verlangen wir von unserer Seite erreichen, uns ohne Versündigung des Nächsten mit der Tracht Christi unseres Herrn zu kleiden, die in Schmähungen, falschen Zeugnissen und allen ande­ren Beleidigungen besteht, um so mehr werden wir allmählich im Geist Fortschritte machen, indem wir geistliche Reichtümer gewinnen. Denn mit ihnen in allem geschmückt zu werden, verlangt unse­re Seele, wenn wir im Geist leben[14]. (BU, n. 81, S. 99B101)

Im einzelnen sei etwa der kurze Dialog mit einem der Richter zum Abschluss des ersten Prozesses in Alcalá (1526) erwähnt, von dem Ignatius in seinem Bericht des Pilgers erzählt:

    „Der Pilger sagt, daß sie tun werden, was ihnen geboten wird[15]. Aber ich weiß nicht’, sagt er, welchen Nutzen diese Inquisitionen bringen. Dem einen hat neulich ein Priester das Sakrament nicht geben wollen, weil er alle acht Tage kommuniziert; und mir machten sie Schwierigkeiten[16]. Wir nun wollten wissen, ob man eine Häresie bei uns gefunden hat.Nein’, sagt Figueroa, denn wenn man sie fände, würde man euch verbrennen.’ Auch euch würde man verbrennen’, sagt der Pilger, wenn man eine Häresie bei euch fände. Sie färben ihre Kleider, wie es ihnen geboten wird. Und fünfzehn oder zwanzig Tage darauf gebietet der Figueroa dem Pilger, er solle nicht unbeschuht gehen, sondern Schuhe tragen. Und so tut er es ruhig wie in allen Dingen dieser Art, die man ihm gebot. (BP, n. 59,1B3)

Vermutlich wird der Inquisitionsrichter Figueroa nicht häufig solche Antworten erhalten haben. Über einen weiteren Prozess in Salamanca berichtet Ignatius:

    „Und einige Tage danach wurde er vor vier Richter gerufen, die drei Doktoren Santisidoro, Paravin­has und Frías, und der vierte der Bakkalaureus Frías[17]; und sie alle hatten bereits die Übungen an­ge­schaut. Und hier fragten sie sie viele Dinge, nicht nur über die Übungen, sondern auch aus der Theologie, zum Beispiel über die Dreifaltigkeit und das Sakrament, wie er diese [172] Artikel verstand. Und er machte zuerst seine Vorrede[18]. Und als es ihm doch von den Richtern geboten wurde, re­de­te er auf solche Weise, daß sie ihn nicht zu tadeln hatten. Der Bakkalaureus Frías, der sich in diesen Dingen immer mehr als die anderen hervortat, fragte ihn auch einen Kasus aus dem Kirchen­recht. Und er wurde auf alles zu antworten verpflichtet; er sagte immer zuerst, er wisse nicht, was die Doktoren über jene Dinge sagten.

    Danach geboten sie ihm, das erste Gebot auf die Weise zu erklären, wie er es zu erklären pfleg­te. Er begann, es zu tun, und hielt sich solange dabei auf und sagte über das erste Gebot so viele Dinge, daß sie keine Lust hatten, ihn nach mehr zu fragen[19].

    Davor, als sie über die Übungen sprachen, bestanden sie sehr auf einem einzigen Punkt, der in ihnen am Anfang stand: Wann ein Gedanke läßliche Sünde ist und wann er Todsünde ist[20]. Und das Problem war, weil er dies bestimmte, obwohl er nicht wissenschaftlich gebildet war. Er antwor­tete: Ob dies Wahrheit ist oder nicht, entscheidet es doch; und wenn es nicht Wahrheit ist, ver­urteilt es. Und am Schluß gingen sie weg, ohne etwas zu verurteilen. (BP, n. 68)

Vom letzten Inquisitionsprozess in Rom lautet der Bericht:

    „Dann begannen die Verfolgungen; und Miguel[21] begann, lästig zu werden und schlecht über den Pilger zu reden; dieser ließ ihn vor den Gouverneur[22] rufen, nachdem er zuvor dem Gouverneur einen Brief von Miguel gezeigt hatte, in welchem er den Pilger sehr lobte. Der Gouverneur verhörte Miguel, und der Abschluß war, ihn aus Rom zu verbannen.

    Dann begannen Mudarra und Barreda[23] zu verfolgen. Sie sagten, der Pilger und seine Gefährten seien Flüchtlinge aus Spanien, aus Paris und aus Venedig. Am Schluß bekannten alle beide in Ge­genwart des Gouverneurs und des damaligen Legaten[24] von Rom, daß sie Böses über sie nicht zu sagen hätten, weder über die Sitten noch über die Lehre. Der Legat gebietet, in dieser ganzen An­gelegenheit solle geschwiegen werden. Aber der Pilger nimmt es nicht an; er sagt, er wolle ein Schlußurteil. Dies gefiel weder dem Legaten noch dem Gouverneur noch auch denen, die vorher den Pilger begünstigt hatten.

    Aber am Schluß, nach einigen Monaten, kam der Papst nach Rom. Der Pilger begibt sich nach Frascati, um ihn zu sprechen[25], und legt ihm einige Gründe vor; und der Papst erfaßt es und ge­bie­tet, daß ein Urteil ergehe; und es ergeht zu seinen Gunsten[26], usw. (BP, n. 98,4B10)

[173] Es scheint, dass Ignatius gelegentlich zu einem etwas unbequemen Angeklagten werden konnte. Auch eine Form von Kirchenkritik.

4)    Papst Marcellus II. und Papst Paul IV.

Von besonderem Interesse für die Frage der Kirchenkritik sind der vom Sekretär Juan de Polanco im Auftrag von Ignatius geschriebene Brief an die gesamte Ge­sellschaft Jesu vom 16. April 1555 zur Wahl von Papst Marcellus II. und, nach dessen baldigem Tod, zwei Briefe zur Wahl von Papst Paul IV. In seinem Memo­riale berichtet Gonçalves da Câmara, dass Ignatius mit Bemerkungen über den jeweiligen Papst sehr zurückhaltend war:

    „Um demselben Laster der Übelrede und Abschätzigkeit zu entfliehen, hatte er auch eine andere Weise, die er ganz besonders anwandte, wenn er von der Person oder Dingen der Päpste sprach, und zwar: Er sprach nicht nur nicht über die Dinge, die der Papst bereits getan oder angeordnet haben mochte, sondern er deutete auch nicht einmal an oder sprach über die, die er in Zukunft für die gute Leitung und Verwaltung der Kirche tun könnte oder sollte.

    Lediglich erinnere ich mich, als Marcellus II., ein besonderer Freund der Gesellschaft, erwählt wurde, bei dem ganz Rom Hoffnungen fasste, er werde die Kirche reformieren: als die Patres in seiner Gegenwart davon sprachen, antwortete er uns, ihm schienen drei Dinge notwendig und ausreichend dafür, dass welcher Papst auch immer die Welt reformiere, nämlich: die Reform seiner eigenen Person, die Reform seines Hauses und die Reform des Hofs und der Stadt Rom. (Memoria­le, n. 94)

Der Brief zur Wahl von Marcellus macht in seinen positiven Aussagen deutlich, in welchem Kontrast dieser Papst zu dem bisher Üblichen stand. Es sei in seiner ganzen Länge zitiert, weil er durch seine Hervorhebung der überraschenden positi­ven Eigenschaften des neuen Papstes die kritikwürdigen Zustände der damaligen Kirche erkennen lässt.

 [174]Jesus.

     Der Friede Christi.

    Kürzlich hat unser Vater Magister Ignatius an alle Oberen und Kollegsrektoren unserer Gesell­schaft schreiben lassen[27], sie sollten mit allen Unseren die göttliche Barmherzigkeit mit häufigen Gebeten für eine gute Wahl des Papstes bestürmen; und es sollten von allen Priestern Messopfer mit derselben Intention Gott dargebracht werden, nämlich dass er für seine Kirche einen wahren und zu ihrer Reform geeigneten Hirten vorsehen wolle; und wenigstens dreimal täglich sollte jeder dies von Gott in besonderem Gebet erbitten.

    Es scheint nunmehr, dass die göttliche Güte unter anderen Gebeten seiner Kirche auch die unse­ren erhört hat. Denn bereits am vierten Tag, nachdem die Kardinäle in das Konklave gegangen waren, ist nicht durch irgendeine menschliche Bemühung, sondern durch die gemeinsame Einge­bung des Heiligen Geistes unser Heiligster Vater im Herrn Marcellus II. erwählt worden, der vorher Kardinal vom heiligen Kreuz[28] genannt wurde und sehr und lange Zeit dessen Liebhaber gewesen war. Und gerade in der Karwoche, in der die Geheimnisse des Kreuzes erinnert werden, und zwar am Mittwoch, wurde er auf dem Apostolischen Stuhl eingesetzt. Er ist ein Mann, durch ernste Sitten und Frömmigkeitsstreben und Eifer für die katholische Religion, aber auch durch Klugheit, Lehre und Geistesgröße dieser Würde und dieses Amtes wert. Er hat denselben Namen beibehalten, den er als Kardinal hatte, weil er  wie er selbst erklärte  nicht im Sinn hatte, seine Sitten zu ändern.

    Und tatsächlich scheint er dies bisher durch Beherrschtheit und Demut zu leisten, sich selbst völlig gleich; ja, es ist zu sehen, dass er darin und in der Andacht eher zugenommen hat.

    Und nicht nur in Gesprächen, sondern auch in äußeren Handlungen zeigt er dies. Während es nämlich Gewohnheit anderer Päpste war, sofort ihre Familie[29] zu vergrößern, wollte er am Anfang niemand anders denn seine alten Bediensteten zulassen, bis er sähe, wie es sich mit den Dingen des Apostolischen Stuhls verhält.

   Auch das Fest der Erwählung und Krönung pflegt mit großem Pomp und einem Aufwand von vielleicht mehr als zwanzigtausend Dukaten gefeiert zu werden. Er aber hat denselben Tag, nämlich den Karmittwoch, ohne allen Aufwand verbracht. Ja, er hat auch die Freudenzeichen, die an der Engelsburg und anderen Stellen ausgehängt zu werden pflegen, verboten; und den Geldbetrag, der an solchen Festen ausgegeben zu werden pflegte, ließ er für Arme und fromme Werke einsetzen.

     Auch gefällt es ihm, immer zu Fuß zur St. Peterskirche und zur Palastkapelle zu gehen, anstatt sich auf einem hohen Sessel tragen zu lassen; und er feiert die Messe sehr andächtig selbst.

    Und sowohl weil er das Vermögen der Kirche recht ausgeschöpft vorfand als auch weil er, bevor mit dem Wort, durch sein Beispiel gegen überflüssige und neue Ausgaben anzugehen und zu refor­mieren beabsichtigt, will er, dass jährlich nur dreißigtausend Escudos, und zwar wie wir gehört haben  unter Verwaltung der Kardinäle, für die Ausgaben seines Hauses belassen werden; die anderen Einkünfte der Kirche sollen zugunsten des Apostolischen Stuhls selbst und der Armen und frommer Werke bestimmt werden.

   Am Ostertag selbst, an welchem dem auf dem St. Petersplatz versammelten Volk der Segen gespendet und gemäß der Gewohnheit Geld ausgestreut zu werden pflegt, schlug jemand von den Umstehenden dem Papst vor, es werde Gott genehmer sein, wenn dieses Geld für fromme Werke und zur Unterstützung der Armen eingesetzt würde, als wenn es für das Volk ausgestreut würde, das sich nicht ohne Verletzung vieler darum balgt. Der Papst billigte es und ließ viel Geld in Klöster und andere fromme Orte bringen.

    Viele fürchteten aber, die Menge der Blutsverwandten und die Anhänglichkeit von Fleisch und Blut würden die Geradheit und Redlichkeit des Papstes überwältigen. Es kam weit anders, [175] durch Gottes Gnade und zum höchsten Trost frommer Menschen. Denn seinem Bruder[30], der in einer Stadt der Mark von Ancona wohnte, verbot er, nach Rom zu kommen. Auch anderen Verwandten, von denen sehr viele in Montepulciano[31] sind, verbot er, sich in die STADT zu begeben; ja, er schickte sogar zwei Neffen[32], die sich zuvor in Rom aufgehalten hatten, des Studiums halber weg nach Bologna. Und überhaupt statuierte und veröffentlichte er, er wolle seine Verwandten nicht über den Rang, in dem sie geboren seien, hinausheben; ja, er beschloss, um, soweit es möglich sei, in dieser Hinsicht ungeordnete Neigungen von Nachfolgern zu unterdrüken, durch Apostolische Schreiben dies bezeugt zu hinterlassen und zu bestätigen, dass es in Zukunft für Päpste ehrlos sei, ihre Blutsverwandten mit Kirchengütern zu bereichern.

    Der Herr Jesus möge sich würdigen, diesen Sinn in seinem höchsten Stellvertreter zu bewahren, von dem scheint, er werde überhaupt nicht für sich selbst oder sein Haus, sondern für die Kirche Gottes Papst sein.

    Was das Regieren angeht, hat er in dieser kurzen Zeit kein geringes Vorbild geboten. Er ließ die Präfekten aller Zivil- und auch Straftribunale zu sich rufen und hat ihnen streng, ganz streng befoh­len, sie dürften keinerlei Rücksicht auf Blutsverwandte oder Mitglieder der päpstlichen Familie neh­men, und er werde strenge Rechenschaft über ihre Justizausübung verlangen. Und in dieser Hin­sicht sehen wir bereits ein anderes Gesicht der STADT und vertrauen darauf, dass, nachdem die Gunst ausgeschlossen ist, die Gerechtigkeit herrschen werde.

   Man nimmt wahr, dass er bereits von der ersten Nacht seines Pontifikats ganz auf die Reform der Kirche aus ist. Diejenigen, die mit den Kardinälen eingeschlossen werden, pflegen nämlich vom neugewählten Papst nicht wenige Privilegien und Gnaden zu erbitten und zu erlangen. Als sie je­doch Marcellus II. Bittschriften zur Unterschrift darreichten, entschuldigte er sich bescheiden und erklärte, er wolle auf keine Weise gegen das handeln, was in der Reform entschieden werde; und er werde nach reiferer Überlegung der Sache ihnen auf ehrbare Weise danken.

    Ebenso geschieht es Kardinälen, die mit vielen Bitten belastet zu werden pflegen, dass sie vom neuen Papst Beliebiges leichter erreichen.

   Und da die Päpste zugunsten der Kardinäle ohne Überlegung der Sache alles Derartige zu gewäh­ren pflegen, pflegte der Datar[33] danach solche Bewilligungen einzuschränken. Marcellus II. jedoch hat, um in solchen Bewilligungen so beständig zu sein, dass er nicht der Reform zuwiderhandelte, nichts unterschrieben. Er bewahrt alles für reifere Überlegung.

   Man hat auch festgestellt: Als ein bedeutender Mann ihm Papier und Tinte reichte und recht zudringlich verlangte, er solle etwas unterschreiben und bestätigen, was er von seinem verstorbe­nen Vorgänger erlangt hatte, antwortete ihm Marcellus: Wenn es gerecht ist, was ihr erbittet, werdet ihr es nach reifer Überlegung erlangen; wenn es nicht gerecht ist, weder jetzt noch später.

    Auch als ihm jemand ein langes Leben wünschte, antwortete er: EWenn mein Leben für die Kir­che Gottes nützlich sein wird, möge er selbst es bewahren.  Anderenfalls wünsche ich eher ein kurzes, damit ich nicht meine Sünden mehre.

    Schon vom Beginn seines Pontifikats an begann er, einige Jüngere von den Kardinälen mit väter­lichem Ernst zur Reform zu ermahnen, und bereits sein Beispiel scheint alle zur Reform anzusta­cheln.

    Auch mit der Bemühung, zwischen christlichen Fürsten Frieden zu stiften, hat er mit Gebeten und allem Eifer begonnen.

   [176] Überhaupt beobachten wir bei ihm alle Zeichen eines wahrhaft Heiligen Vaters; und die göttliche Güte scheint sich ganz ihrer Kirche erbarmt zu haben. Sie bitten wir, ihre Gaben in diesem höchsten Hirten der ganzen Herde erhalten und mehren zu wollen.

    Was unsere Gesellschaft angeht, hatten wir wenig Sorge, sowohl weil der Nutzen der univer­salen Kirche unser Verlangen bestimmte, wie weil ein für die Kirche Gottes guter Papst auch für unsere Gesellschaft ein guter Papst sein würde, da ja die Gesellschaft nach Kräften alle ihre Energie auf dasselbe Ziel richtet. Aber dieser Marcellus liebt mit wirklich väterlicher Liebe die Gesellschaft; er kennt sie von ihren Anfängen in Rom und weiß gut, was Gott bis nach Indien durch sie wirkt. Er hat auch bei mehreren aus unserer Gesellschaft gebeichtet. Und kurz bevor er zur Papstwahl nach Rom kam, hat er in unserem Kolleg von Loreto bei dessen Rektor[34] gebeichtet. Und als er in der Kapelle der Verkündigung der hehren Jungfrau zelebrierte, hat er allen Unseren mit eigener Hand das heiligste Sakrament der Eucharistie gereicht und sie am gleichen Ort in einer frommen Ermah­nung zum Fortschritt in den Tugenden angeeifert.

    Nachdem er zum Pontifikat erhoben worden ist, hat ihn unser Vater Praepositus nur einmal zu­sammen mit einem anderen von der Gesellschaft besucht. Er ist so freundlich, vertraut und liebevoll mit ihnen umgegangen, indem er sie umarmte und beide mit dem Friedenskuss empfing, dass er kaum, als er noch Kardinal war, so viel Liebe hätte zeigen können. Vieles von dem, was wir gesagt haben, hat er mit unserem Vater besprochen und ihn ermahnt, er solle ihm immer frei vorlegen, was ihm scheine, dass es zur Ehre Gottes getan werden solle.

    Er sagte auch, es sei ihm ein Gedanke über unsere Gesellschaft gekommen; und dies drückte er mehr aus und sagte, es werde ihm, wenn es ohne Nachteil für die Gesellschaft möglich sei, lieb sein, wenn zwei Priester gegeben würden, mit denen er besprechen könnte, was zur göttlichen Ehre gereicht und deren Rat und auch Messe er hören könnte; sie sollten bei ihm im Palast wohnen. Und es ist bereits begonnen worden, die Auswahl dieser zwei zu diesem Amt zu behandeln.

    Andere von der Gesellschaft in der STADT haben, da es fast 170 sind, den Papst noch nicht gesehen. Er hat sich jedoch den Gebeten aller empfohlen und ihnen seinen Segen gesandt. Und wenn die zu erledigenden Angelegenheiten weniger geworden sind, werden sich fast alle zum Fuß­kuss zu ihm begeben; er hat erkennen lassen, dass es ihm lieb sein werde.

   Gepriesen sei Gott, der uns zu größter Hoffnung für die Reform der Kirche aufgerichtet hat. Aufgabe Euer Hochwürden und aller, die überall von unserer Gesellschaft sind, wird es jedoch sein, den Herrn zu bitten, das weiterzuführen, was er begonnen hat zum Nutzen seiner universalen Kir­che und dem Ruhm seines heiligsten Namens.

    Leb wohl im Herrn Jesus Christus.

    Rom, 16. April. (BU, n. 5347, 726730)

Die Beschreibung der ersten Handlungen des neuen Papstes gibt einen Eindruck davon, wie sich Ignatius ein reformiertes Papsttum vorstellt. Er ersehnt ein Glau­bensverständnis, das dem gekreuzigten Christus entspricht; Frömmigkeit und theologische Einsicht; Liebe zur Kirche und Weite des Herzens; im Äußeren Ein­fachheit und Bescheidenheit; Dienst an den Armen; vor allem ein unabhängiges, bedächtiges und gerechtes Urteil.

Papst Marcellus wurde am 9. April 1555 gewählt, starb jedoch bereits nach drei Wochen am 1. Mai 1555. Man muss den zitierten Brief, der über ihn berich­tet, kennen, um im Vergleich zu sehen, wie zurückhaltend die Reaktion von Igna­tius nach der darauf folgenden Wahl von Paul IV. war. Zunächst sei wieder das Memoriale von Gonçalves da Câmara dazu zitiert, wie Ignatius die [177] Wahl des Thea­tinerkardinals Gian Pietro Carafa aufnahm, der nach einem Bericht von Jerónimo Nadal in Venedig schon einmal einen Inquisitionsprozess gegen ihn angestrengt hatte:

    „Zum gleichen Zweck suchte er einige lobenswerte Dinge bei Personen, die ungeliebt waren und über die übel geredet wurde, um sie zu erzählen, wenn man ihm etwas Schlechtes über sie sagte. Alle wissen, wie wenig vor und nach seiner Erhebung zum Kardinal Papst Paul IV. der Gesellschaft und P. Ignatius gewogen war. Als ich mich an einem Himmelfahrtstag es war der 23. Mai 1555 in einem Zimmer mit dem Vater befand, er auf der Fensterbank sitzend und ich auf einem Stuhl, hörten wir das Zeichen läuten, welches die Erwählung des neuen Papstes ankündigt. Und danach kam die Nachricht, der Erwählte sei derselbe Theatinerkardinal, der sich Paul IV. nannte. Bei dieser Neuigkeit veränderte und verwandelte sich das Gesicht des Vaters beachtlich. Und wie ich später erfuhr, entweder von ihm selbst oder von den alten’ Patres, denen er es erzählt hat, drehten sich ihm alle Knochen im Leib. Er erhob sich, ohne ein Wort zu sagen, und ging zum Gebet in die Kapel­le; und kurz darauf kam er so froh und zufrieden heraus, als wäre die Wahl sehr seinem Wunsch entsprechend gewesen. Und da der Papst in Rom schlecht aufgenommen wurde und man übel über ihn redete, weil er dort als zu streng angesehen wurde, begann der Vater sogleich die guten Eigen­schaften und Werke zu studieren und zu entdecken, die man bei ihm feststellen konnte; und diese erzählte er dann allen, die über ihn mit ihm sprachen. (Memoriale, n. 93)

In dem zu diesem Ereignis gehörenden Brief Polancos an die gesamte Gesellschaft Jesu vom 29. Mai 1555 heißt es:

    „Jesus.

    Der Friede Christi.

    In einem anderen Brief wurde von der Freude geschrieben, die Gott unser Herr uns mit einer so guten und raschen Wahl des Papstes Marcellus geschenkt hat. Es scheint, dass Christus unser Herr ihn uns nur zu sehen gegeben hat, indem er ihn uns alsbald genommen hat, weil ich glaube, dass die so schlechte Welt, die heute läuft, ihn nicht verdiente.

    Nur dreiundzwanzig Tage war er Papst, und davon war er einen guten Teil krank. Und so be­stand sein Pontifikat in Verlangen und Vorbereitungen für die allgemeine Reformierung. Gott unser Herr sei für alles gepriesen.

    Danach fand die Wahl dessen, der Kardinal von Neapel oder Theatiner war, statt, von der man dort wissen wird. Und wie für die Wahl eines guten Hirten jeden Tag inständig gebetet wurde und alle Messen für diese Absicht angeordnet wurden, so hat unser Vater nach dessen Wahl in Rom im Haus und in den Kollegien und auch außerhalb Roms angeordnet, dass ein jeder von der Gesell­schaft besonders für ihn bete, und dass viele Messen in der gleichen Intention gefeiert werden, um ihm von Gott unserem Herrn Gnade für die gute Leitung der Kirche zu erlangen. Euer Hochwürden werden Sorge tragen, dass dort dasselbe geschieht.

    Für die Gesellschaft, glauben wir, wird er nicht aufhören, wohlwollend zu sein, weil er immer gezeigt hat, dass er dies ist, und viel Vertrautheit mit Personen aus ihr gehabt hat. Wenn ein wenig Zeit vergeht, wird man besser darüber urteilen können. (BU, n. 5400).

Einen ähnlichen Ton schlägt auch ein Brief Polancos vom 17. Juni 1555 an Manu­el López, den Rektor des Kollegs von Alcalà:

   „Eure Hochwürden[35] werden bereits, lange bevor dieser Brief ankommt, erfahren haben, wie Gott unseren Heiligen Vater Marcellus II., seligen Gedächtnisses, zum ewigen Pontifikat geführt hat; er hat ihn in der Mühe des irdischen Pontifikats nur 23 Tage belassen. Ein glücklicher Tausch für ihn, und für uns eine große Hilfe, um unser Vertrauen für die Erfüllung dessen, was [178] wir in der univer­salen Kirche und in unserer Gesellschaft ersehnen, allein auf Gott zu setzen. Denn wenn diese Hoffnung sich auf menschliche Mittel stützen müsste, scheint es, wäre das entscheidende dieser Papst gewesen, der von Anfang seiner Kreierung an mit Beispiel, Worten und Werken nichts ande­res betrieb, als die Kirche zu reformieren. Und der Gesellschaft war er so zugeneigt, dass er beim ersten Mal, als unser Vater ihm den Fuß küsste, ihn um zwei aus ihr bat, die im Palast bei ihm sein sollten, um sich mit ihnen zu besprechen und zu beraten; und es waren ihm Magister Laínez und Magister Nadal bezeichnet worden. Und er wollte unsere Kollegien in Rom nicht nur fundieren, sondern noch viel mehr, mit der Herzensgesinnung, die einer für die Gesellschaft nur haben kann. Aber schließlich hat Gott unser Herr ihn zu sich genommen; er sei gepriesen, der mächtig ist, um andere, soviel er will, die so gut und besser als er sind, entstehen zu lassen, und aus diesen Stei­nen[36] usw. [...]

    Als wir [von einer Wallfahrt] nach Rom zurückkamen, ging nach wenigen Tagen der als Papst hervor, der es jetzt ist[37]. Es möge Jesus Christus unserem Gott und Herrn gefallen, ihn zu einem sehr wirkkräftigen Diener und Ausführer seiner Vorsehung für das allgemeine Wohl seiner Kirche zu machen. Und Euer Hochwürden mit den Ihren werden die göttliche und höchste Güte viel darum bitten müssen.

    Von nicht geringem Trost ist das Gehorsamsversprechen von drei Gesandten des Königs und der Königin[38] von England gewesen, das sie dieser Tage diesem Heiligen Stuhl und dem Stellvertreter Christi unseres Herrn gegeben haben. Und Seine Heiligkeit lässt ihnen viel Fest zuteil werden, wie es rechtens ist.

    Gesprochen hat der Papst von der Reformierung mit Wärme; er sagte, dass er mit Werken tun will, worüber soviel geredet worden ist, oder bei dieser Bemühung sterben. Gott unser Herr möge uns die Reformierung bald sehen lassen. (BU, n. 5446, S. 754)

Ignatius hat es vermieden, den Papst öffentlich zu kritisieren; gelegentlich handel­te er sich auch selber dafür Kritik ein. Gonçalves da Câmara berichtet im An­schluss an den oben erwähnten Passus zur Wahl von Marcellus II. ein Ereignis nach der Wahl von dessen Nachfolger:

    „So wie unser Vater in dieser Weise besonders darauf bedacht war, nichts zu sagen, was in irgend­einer Weise darauf hinauslaufen könnte, eine Art Fehler in der Person des Papstes aufzuweisen, so wollte er, dass alle von der Gesellschaft sehr vollkommen darauf bedacht seien. Als P. Girolamo Otello in Rom predigte, sagte er einmal von ungefähr auf der Kanzel, es wäre gut, wenn der Papst bestimmte Dinge ausführe. Unser Vater ließ ihn rufen und fragte ihn, wieviele Päpste es in Rom gebe. Als er antwortete: Einen einzigen’, sagte ihm der Vater: Aber pflegt man in den Predigten je von einer Einzelperson zu sprechen? Geht und denkt gut über die Buße nach, die ihr verdient, und kommt dann sie mir sagen. [...] Diesen Pater Girolamo Otello schickte unser Vater als Prediger nach Sizilien, als er von dort Benedetto Palmio kommen ließ, damit er den Kurs höre. Und da er aber ein Mensch von großer Tugend war und in Rom beliebt, wurde sein Weggang von den Leuten draußen sehr bedauert. So sehr, dass, als unser Vater an einem Festtag, kurz nach seiner Abreise, die Messe in der Kirche las, als er beim Bekenntnis Meine Schuld, meine Schuld usw. sagte, ihm eine alte fromme Frau hinter ihm mit lauter Stimme antwortete: Ihr könnt sehr gut eure Schuld bekennen, da ihr P. Girolamo Otello weggeschickt habt.’ (Memoriale, n. 95)

[179]

5) Theologiekritik?

Diese kleine Sammlung von Beispielen der verhaltenen Kirchenkritik von Ignatius sei abgeschlossen mit einem Abschnitt aus den Satzungen der Gesellschaft Jesu, in dem es darum geht, welche Lehrbücher dem Studium zugrunde gelegt werden sollen. Nach dem Hinweis auf die scholastische Lehre des heiligen Thomas (Sa, n. 464,3) heißt es:

    Auch der Sentenzenmeister[39] soll gelesen werden. Würde es aber im Lauf der Zeit scheinen, dass die Studierenden von einer anderen, dieser nicht entgegengesetzten Theologie mehr Nutzen hätten, etwa wenn eine Summe oder ein Lehrbuch der scholastischen Theologie verfasst würde, das diesen unseren Zeiten mehr angepasst schiene, so kann man sie nach vieler Beratung und eingehender Untersuchung der Dinge durch diejenigen, die in der ganzen Gesellschaft als die geeignetsten gel­ten, und mit der Zustimmung von deren Generaloberen lesen. Auch wenn man in bezug auf die anderen Wissenschaften und die humanistischen Fächer irgendwelche in der Gesellschaft verfass­ten Bücher annehmen sollte, weil sie nützlicher seien als die gewöhnlich gebrauchten, soll dies mit viel Bedacht geschehen, indem man stets unser Ziel des größeren allgemeinen Wohls vor Augen behält. (Sa, n. 466)

Diese Sätze enthalten zum einen ein implizites Urteil über das Ungenügen der zeitgenössischen theologischen Lehrbücher; sie entsprechen wohl nicht genügend den Bedürfnissen dieser unserer Zeiten. Zum anderen geht es um einen zurück­haltend und vorsichtig formulierten Wunsch, nämlich dass ein der Zeit mehr ent­sprechendes Lehrbuch verfasst werden möge. Gibt es inzwischen ein solches Lehrbuch?

   Für die Gestaltung des philosophischen und theologischen Studiums verlangen die Satzungen der Gesellschaft Jesu, daß man bereit sein müsse, sich mit allen Ein­wän­den ausein­anderzu­setzen; diese Fächer erfordern eine un­einge­schränkte Öf­fentlichkeit:

   „Wegen des Nutzens, der besonders für die, welche Artes und scholastische Theo­logie studieren, in der Übung des Disputierens liegt, mögen alle Studieren­den bei den Disputationen oder ordentli­chen Zirkeln der von ihnen besuchten Schulen anwesend sein, auch wenn diese nicht der Gesell­schaft selbst gehören. Sie sollen sich bemühen, sich durch Lehre zugleich mit Bescheidenheit aus­zu­zeich­nen[40].

    Und es sollte im Kolleg an jedem Sonntag oder an einem ande­ren Tag der Woche wenn nicht ein besonderer Grund daran hindert nach dem Essen aus jeder Klasse der Artisten und Theologen je­mand da sein, den der Rektor be­zeich­nen soll, der einige Schlußfol­gerungen verteidigt. Er soll sie am Vortag nachmit­tags schriftlich am Schultor aushängen, damit alle, die wollten, zum Disputie­ren oder Zuhören kommen können. Und nachdem sie ihre Schluß­fol­gerungen kurz bewiesen haben, sollen alle von außerhalb und in­nerhalb des Hauses, die wollten, Gegengründe bringen. Es soll dabei einer

 

379f, 456

 
vorsitzen, der die Argumentie­renden leitet und die Lehre in der behandelten Frage zum Nutzen der Zuhörer löst und klarstellt; er gebe auch das [180] Schlußzeichen für die Disputie­renden und teile die Zeit so ein, daß Raum für die Disputationen aller ist. (Sa, n. 378)

Vermutlich wird der Kirche mit nichts anderem wirksamer und bes­ser gedient als mit einer schlichten, klaren Glaubensverkündigung. Dasjenige, was die Kirche konstituiert, ist das fortdauernde Ge­schehen der Weiterga­be des Wortes Got­tes. Dieses Wort macht sich durch seinen Inhalt verständlich: Glauben besteht in der Anteilhabe am Verhältnis Jesu zu Gott und ist das Erfülltsein von seinem Heiligen Geist.


Zusammenfassende Thesen


1.  Ignatius ist in einer Kirche aufgewachsen, in der die christ­li­che Bot­schaft kaum mehr als befreiendes Evangeli­um ausgelegt wurde. Als er in seiner Bekehrungs­zeit in schwere Skrupel geriet, gab es nie­manden, der ihm „hel­fen“ konnte (BP, n. 22f; 37).

2.  Er erfährt sich vom Evangelium her als von Gott belehrt (BP, n. 27) und be­ginnt, den Seelen helfen zu wollen (BP, n. 45,3). Er unterweist darin, Gott unseren Herrn in allen Dingen zu finden (BU, S. 349f). Es geht um den Ge­gensatz zu einem sektoriel­len Verständnis des geistli­chen Lebens. Seine Kir­chenkritik ist selbst­kritisch.

3. Der Name „Gesellschaft Jesu“ ist ursprünglich weniger ein Ordensname als vielmehr ein Pro­gramm zur Weitergabe eines befreienden Verständnisses des Christseins für alle Christen (GGJ, S. 590; BP, n. 96).

4.  Ignatius hat acht Inquisitionsprozesse durchgemacht (BU, S. 99). Sie ka­men für ihn nicht als Einwand gegen die Kirche in Betracht; vielmehr rühmt er sich im Herrn dieser Prozesse.

5.  Für seine Kirchenhermeneutik sind die „Regeln für das wahre Gespür in der strei­ten­den Kirche kennzeichnend: „Christliche Freiheit“ (GÜ, n. 362) und „Verborgenheit unter dem Gegenteil“ (GÜ, n. 365) .

6.  Seine Kirchenkritik ist keine Kritik der lauten Töne. Worum es ihm geht, wird jedoch positiv in der Reaktion auf den Amtsantritt von Marcellus II. (9.4.  1.5.1555) deut­lich (BU, S. 726730; zu vergleichen mit BU, S. 735f).

7.   Kirchenreform geschieht durch kirchliche Theologie (spiritu, corde, practi­ce), die sich öffentlicher Prüfung stellt (Sa, n. 378).




Nicht gedruckter Nachtrag:


Als vielleicht die stärkste Kirchenkritik von Ignatius möchte seine Aussage erscheinen, dass vielleicht von hundert sehr dem Gebet hingegebenen Personen um neunzig (oder vielleicht neunundneunzig) einer Täuschung verfallen  sein  könnten. Diese Aussage wird im Memoriale von Gonçalves da Câmera überliefert. Es geht dabei um das Missverständnis von Gebet als Maßnahme anstatt als Antworten auf das Wort Gottes. Daran schließt sich noch eine Kritik an einem verbreiteten Wunderaberglauben, der die wahren Wunder, die in Wort, Glaube und Liebe bestehen, übersieht.

196        Als P. Nadal das erste Mal als Visitator nach Spanien kam es war im Jahr 1553 , sprachen ihm die Unseren in einigen Gegenden über das Gebet, das die Gesellschaft habe. Sie beschwerten sich über die wenige Zeit, die wir für eine so heilige Übung nähmen, und sagten, wir würden uns nicht aufrechterhalten können, wenn sie nicht verlängert werde. Und es sei eine Schande, dem, welcher uns danach frage, zu antworten, wir hätten am ganzen Tag nicht mehr als eine Stunde Gebet. Mit diesen Gründen begab sich der Pater nach Rom, ein bißchen zur gleichen Auffassung neigend. Und als er an einem Tag der hl. Cäcilia, am 22. November 1554, unserem Vater Rechenschaft über die Dinge Spaniens gab, legte er ihm gleichzeitig diese ihre Beschwerde vor, mit einiger Neigung, daß es zumindest in jener Provinz gestattet werde. Unser Vater war im Bett, und ich allein mit ihnen anwesend. Er antwortete ihm auf diesen Punkt mit einem Gesicht und Worten von solchem Mißfallen und außerordentlichem Unmut, daß es mich gewiß in Verwunderung versetzte. Und er gab ihm einen Verweis und einen so rauhen Hut, daß ich über die Geduld des P. Nadal staunte, obwohl ich große Kenntnis von seiner vielen Tugend hatte. Schließlich schloß er ab: Einem wirklich Abgetöteten reicht eine Viertelstunde, um sich mit Gott im Gebet zu vereinen. Und ich weiß nicht, ob er zum selben Thema damals hinzufügte oder ob ich ihn viele andere Male habe sagen hören, daß von hundert sehr dem Gebet hingegebenen Personen um neunzig einer Täuschung verfallen sein dürften. Und daran erinnere ich mich sehr klar, obwohl ich unsicher bin, ob er nicht um neunundneunzig gesagt hat.

197        Zu diesem Thema werde ich hier eine Sache erzählen, die bezüglich Illusionen viele erstaunt hat. Ungefähr im Jahre 1544 erhob sich in Italien eine Frau, die aus Bologna stammte, von großem Geist und dem Ruf der Heiligkeit. Nach vieler Übung der Betrachtung und außerordentlichen Dingen bei ihr begab sie sich in die Berge von Bologna, um sich in größerer Abgeschiedenheit von den Leuten ganz ihrer Vervollkommnung zu widmen. Und dort führte sie zurück und bekehrte viele Straßenräuber, Mörder und verkommene Leute, die dort herumlaufen. Sie brachte sie zu Buße und Beichte und den übrigen Sakramenten, welche einige Priester von gutem Leben spendeten, welche zu diesem Ziel dort bei ihr wohnten. Was Italien vor allem in Erstaunen versetzte, war, daß sie an der Seite eine offene Wunde wie die des heiligen Franziskus hatte, aus der wirklich Blut floß. Und dieses Wunder machte solches Aufsehen, daß Leute von vielen Gegenden herbeikamen, sie zu sehen. Und sogar zwei Patres dieser Provinz von Portugal machten aus Rom kommend einen kleinen Abstecher von ihrem Weg, um beide oder einer von ihnen sie sehen zu können. Und als sie hier ankamen es war im Jahr 1551 erzählten sie mir dies mit solcher Befriedigung, daß ich, der ich sehr schwierig darin bin, Geistern von Frauen Vertrauen zu schenken, mit einem Begriff von ihr verblieb. Und weil ich die Sache für sehr bedeutend hielt, erzählte ich sie der Königin auf solche Weise, daß sie sehr danach verlangte, mehr Kenntnis von ihren Dingen zu erlangen.

             Als ich danach zum erstenmal nach Rom ging und eines Tages über diesen Fall mit P. Ribadeneira ins Gespräch kam, erzählte er mir, wie zu einer Zeit, als diese Frau höchstes Ansehen genoß, ein bestimmter Ordensmann nach Rom gekommen sei, ein Mensch fortgeschrittenen Alters und von großer Tugend und viel Gebet, der in Bologna lange Zeit ihr Beichtvater gewesen war. Und weil er mit P. Ignatius und der Gesellschaft sehr freund war, lud ihn der Vater zum Essen in unserem Haus ein. Und bei Tisch verbrachte er die ganze Zeit, um Wunder von der Heiligkeit und Tugend dieser Frau zu erzählen, vor allem von der Wunde, von der er versicherte, sie gesehen und erfahren zu haben, wie sie wirklich das Blut hervorgehen ließ, das man sagte. Auf all dies antwortete unser Vater nur mit allgemeinen Worten, dem zustimmend, was er erzählte. Als der Ordensmann gegangen war, fragte P. Ribadeneira den Vater, was Seine Hochwürden von der Wunde und den übrigen Dingen dieser Frau halte. Und der Vater antwortete ihm nur mit den gleichen allgemeinen Worten, etwa indem er sagte: Alles ist gut, alles ist Gottes Gnade und dergleichen. Er drängte sehr, er möchte ihm doch im einzelnen seine Auffassung sagen, bis er ihm schließlich sagte:Unser Herr hat die Möglichkeit und ist gewohnt, seine Gnaden und Wohltaten von innen im Inneren zu wirken. Der Teufel kann nichts tun außer im Äußeren; und manchmal läßt Gott zu, daß er ähnliche Dinge macht. 

           So war es genau. Denn bereits in der Zeit, als Ribadeneira es mir berichtete, hatten die Wunde und übrigen Extreme sich in Wind und nichts aufgelöst.



[1] Es werden die folgenden Abkürzungen verwandt: BP = Bericht des Pilgers (in GGJ, 1B84); BU = Ignatius von Loyola, Briefe und Unterweisungen, Würzburg 1993; GGJ = Ignatius von Loyola, Gründungstexte der Gesellschaft Jesu, Würzburg 1998; GÜ = Geistliche Übungen (in: GGJ, 85269); Memoriale = Gonçalves da Câmara, Memoriale Erinnerungen, [Manu­skriptdruck] Frankfurt 1988, (Urtext in: MI FN, 527752); MI FD = Monumenta Ignatiana, Fontes documentales de S. Ignatio de Loyola, Rom 1977; MI FN = MHSI Monumenta Ignatia­na, Fontes narrativi de S. Ignatio de Loyola et de Societatis Iesu initiis, Bd. I, Rom 1943, Bd. II, Rom 1951; Sa = Satzungen der Gesellschaft Jesu (in: GGJ, 580827).

[2] Die kursiv gedruckten Stellen innerhalb der Zitate verweisen darauf, dass es sich im Urtext um lateinische Einsprengsel handelt.

[3] Vgl. 2 Kor 12,2.

[4] Vgl. 1 Kor 1,31; 2 Kor 10,17.

[5] Vgl. BP 5863.

[6] Vgl. BP 6470.

[7] Vgl. BP 81.

[8] Vgl. BP 86.

[9] Vgl. BP 93.

[10] Vgl. BP 98.

[11] Vgl. BP 86.

[12] Juan Rodríguez de Figueroa, Matthieu Ory OP, Gaspare de’ Dotti.

[13] Lesart indagación (= Untersuchung) nach der Abschrift im cod. Vitelleschi statt indignación (= Verärgerung), wie die Monumenta nach der Abschrift im cod. Ebor. I. lesen.

[14] Vgl. Sa 101 [Examen].

[15] Das Urteil erging am 21. November 1526 und schrieb ihnen unter Strafe der Exkommunikation vor, sich der gewöhnlichen Kleidung von Klerikern oder Laien in Kastilien anzupassen (MI Scrip­ta I, 608). Es scheint, daß es demgegenüber bereits ein Kompromiß war, daß sie ihre Kleider nur zu färben brauchten.

[16] Nach MI FN I, 173 bat Ignatius den Kanonikus der St. Justus-Kirche Dr. Alfonso Sánchez, mehrere Hostien zu konsekrieren. Dieser weigerte sich zuerst, stimmte dann aber zu und lud Ignatius und seine Gefährten sogar zum Essen in sein Haus ein.

[17] Wahrscheinlich Dr. Hernán Rodríguez de San Isidro, Lic. Alonso Gómez de Paradinas, Dr. Fran­cisco de Frías sowie Sancho González de Frías; vgl. Benigno Hernández Montes, Identidad de los personajes que juzgaron a San Ignacio en Salamanca, in: AHSJ 52 (1983) 350.

[18] Vgl. BP, n. 62,6. Ignatius pflegte vor seinen Pariser Studien von selber darauf hinzuweisen, dass es ihm am wissenchaftlichen Fundament fehle.

[19] In vorangehenden Prozeßakten von Alcalá heißt es zusammenfassend: Der genannte Ignatius lehrt und spricht über die Gebote, und insbesondere der Liebe zu Gott über alle Dinge und des Nutzens für den Nächsten. (MI FD, 345) Ignatius hat wohl im Hauptgebot die grundlegende Erfüllung aller einzelnen Gebote gesehen; die Reaktion seiner Richter scheint darin zu bestehen, keine Lust dazu zu haben, sich existentiell in Frage stellen zu lassen.

[20] Vgl. GÜ 3242.

[21] Wahrscheinlich Miguel Landívar, gewöhnlich Navarro genannt. Er war in Paris bei Francisco de Javier angestellt und hatte es übel genommen, dass Ignatius Francisco de Javier für seinen Kreis von Gefährten gewann. So plante er, Ignatius umzubringen. Dann schloß er sich jedoch selbst eine Zeitlang den Gefährten an (vgl. MI FN II, 332).

[22] Benedetto Conversini.

[23] Diese beiden Spanier zettelten zusammen mit Pedro de Castilla 1538 eine Verfolgung an, deren Anlaß die Kritik von Faber und Laínez an Predigten eines piemontesischen Augustiners, Agosti­no Mainardi, waren.

[24] Kardinal Vicente Carafa, genannt der Kardinal von Neapel.

[25] Ignatius berichtet in einem Brief an Isabel Roser vom 19. Dezember 1538 von seiner Audienz beim Papst: ... ich sprach mit Seiner Heiligkeit allein in seinem Zimmer, ungefähr eine Stunde lang. Indem ich dort mit ihm ausführlich über unsere Vorhaben und Absichten sprach, erzählte ich ihm klar alle die Male, die man in Spanien und in Paris gegen mich einen Prozeß geführt hatte; ebenso die Male, die ich in Alcalá und Salamanca gefangen war. Und dies zu dem Ziel, daß niemand ihn noch mehr informieren könnte, als ich ihn informiert habe, und damit er mehr bewogen werde, über uns eine Untersuchung durchzuführen, damit auf alle Fälle ein Urteil oder eine Erklärung über unsere Lehre ergehe. Schließlich: Weil es für uns zum Predigen und Ermah­nen sehr notwendig sei, einen guten Geruch nicht nur vor Gott unserem Herrn, sondern auch vor den Leuten zu haben und nicht wegen unserer Lehre und unseren Sitten verdächtig zu sein, bat ich Seine Heiligkeit im Namen aller, er wolle Abhilfe schaffen lassen. Unsere Lehre und unsere Sitten sollten untersucht und geprüft werden, durch welchen ordentlichen Richter auch immer Seine Heiligkeit bestimme. Denn wenn sie etwas Schlechtes fänden, wollten wir verbes­sert und bestraft werden; und wenn Gutes, möge Seine Heiligkeit uns fördern. (Brief 18 [BU, 47])

[26] Dem Text des Urteils nach war den Gefährten vorgeworfen worden, daß ihre Dogmen und Übungen irrig, abergläubisch und etwas abweichend von der christlichen Lehre seien. Dem­gegenüber stellt das Urteil fest, daß der genannte Herr Ignatius und seine Gefährten aus den genannten Anzeigen und Gerüchten ... eher größeren Glanz in Leben und auch in der Lehre erlangt hat, da wir mit Sicherheit festgestellt haben, daß die Gegner Nichtiges und völlig von der Wahrheit Abweichendes vorgeworfen haben und umgekehrt sehr bedeutende Männer das beste Zeugnis von ihnen gegeben haben (MI FD, 557).

[27] Vgl. BU, n. 5288.

[28] Marcello Cervini, Kardinal der römischen Titelkirche Santa Croce in Gerusalemme.

[29] Den päpstlichen Hofstaat.

[30] Alessandro Cervini.

[31] Stadt in der Toscana.

[32] Ricardo und Erennio Cervini, die Söhne des genannten Alessandro Cervini.

[33] Vorsteher der Apostolischen Datarie, einer päpstlichen Kurialbehörde, deren Name sich von der Aufgabe herleitet, päpstliche Gnadenbewilligungen mit dem maßgeblichen Datum auszuferti­gen.

[34] Olivier Mannaerts.

[35] In der Mehrzahl.

[36] Vgl. Mt 3,9; Lk 3,8.

[37] Gian Pietro Carafa als Paul IV.

[38] Felipe II und Mary Tudor.

[39] Petrus Lombardus (ca. 10951160), dessen Sententiarum libri quattuor, eine systematische Darstellung der scholastischen Theologie, bis ins XVI. Jahrhundert als Lehrbuch verwandt wurden.

[40] Über dem Streit um die Wahrheit sollen die Umgangsformen nicht vergessen werden.



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