Letzte Aktualisierung:  30. Oktober 2007, PK

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Peter Knauer SJ


SICH GOTTES FREUEN

Erschienen in:
Canisius - Mitteilungen der Jesuiten, Pfingsten 1988, 22-23.

ZUSAMMENFASSUNG:
Für "Gott finden in allen Dingen" kann Ignatius auch sagen: "Sich Gottes freuen in allen Dingen.

Der christliche Glaube ist die Gewissheit, in der Liebe Gottes geborgen zu sein. Gott liebt uns Menschen mit der Liebe, in der er von Ewigkeit her seinem eige­nen Sohn zugewandt ist. „Gesellschaft Jesu“ ist deshalb ein Ausdruck, der eigent­lich das Christsein überhaupt bezeichnen könnte. Tatsächlich wurde die Inanspruchnahme dieses Namens von den ersten Jesuiten mit dem Hinweis dar­auf verteidigt, dass es in 1 Joh 1,3 von allen Glaubenden heißt: „Wir haben Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus.“

Vertrautheit mit Gott

Sich in der Liebe Gottes geborgen zu wissen, bezeichnete Ignatius als „Ver­trautheit mit Gott unserem Herrn“ (Satzungen, Nr. 813). Dasselbe bedeutet der Ausdruck „Gott unseren Herrn in allen Dingen suchen“. Mit diesem Verständ­nis steht Ignatius in der Tradition der christlichen Spiritualität. Bereits in der Benediktregel ist die einzige Grundbedingung für ein wirklich christliches Leben, dass „man in Wahrheit Gott sucht“ (58,7).

     Für Ignatius ist dieses „Gott unseren Herrn in allen Dingen suchen“ offenbar bereits dasselbe wie ihn in allen Dingen „finden“. Das zeigt ein Brief an P. Antonio Brandão vom 1. Juni 1551. Auf die Frage, wie die Ordensstudenten am besten beten könnten, schreibt Ignatius: „Sie sollen sich darin üben, die Gegenwart Gottes unseres Herrn in allen Dingen zu suchen, etwa im Sprechen mit jemandem, im Gehen, Sehen, Schmecken, Hören, Verstehen und in allem was wir etwa tun. ... Diese Weise zu betrachten, indem man Gott unseren Herrn in allen Dingen findet, ist leichter, als uns zu abstrakteren Dingen zu erheben.“

     Noch einmal ein anderer Ausdruck für dieses Verständnis ist der ignatiani­sche Wahlspruch des ganzen Ordens: „Alles zu größerer Ehre Gottes“. Mit „Alles“ ist gemeint, dass jede Tätigkeit, in der man in der Verbundenheit mit Gott bleibt, zu einer Weise wird, Gott zu dienen und ihn zu loben.


Rat an den Herzog

Eine weniger bekannte, aber besonders hilfreiche Formulierung des Gemeinten findet sich in einem Brief von Ignatius an Francisco de Borja, den Herzog von Gandía. Dieser hatte nach dem Tod seiner Frau um die Aufnahme in den neuen Orden gebeten. Ignatius gewährte sie ihm; doch zunächst wollte er, dass der Herzog noch weiter in seinem weltlichen Amt bleibe. Er hatte noch verschiede­ne Verpflichtungen zu erfüllen und seine gerade erwachsen werdenden Kinder zu versorgen. In der Zwischenzeit sollte er mit Ignatius in häufigem brieflichem Kontakt bleiben.

     In seiner Antwort vom 20. September 1548 auf einen dieser Briefe rät Ignatius dem Herzog, die Gebetszeiten und Bußübungen auf die Hälfte einzuschränken. Er solle diese Zeit lieber dem Studium, der Leitung seines Staates und geistlichen Unterredungen widmen. Lange Gebetszeiten seien nur notwendig, wenn man unter vielen Versuchungen leide und sich innerlich ganz abgelenkt finde. Sonst solle sich der Herzog nur darum bemühen, „die eigene Seele ruhig, friedfertig und darauf eingestellt zu halten, wann unser Herr in ihr wirken will.“ Und dann schreibt Ignatius den denkwürdigen Satz:

„Denn es ist ohne Zweifel eine größere Tugend der Seele und eine größere Gnade, sich Gottes seines Herrn in verschiedenen Ämtern und an verschie­denen Orten zu freuen als in einem allein.“

     Darin besteht für Ignatius aller geistliche Fortschritt. In der Vertrautheit mit Gott kann man sich in jeder Tätigkeit und überall Gottes freuen.

 

Alles Tun ein Gebet?

Ignatius selbst berichtet von seiner Zeit als Büßer in Manresa, er habe ur­sprünglich sieben Stunden am Tag kniend im Gebet zugebracht. Aber damit ist er letztlich nur in Skrupel und Angst geraten. Solange man nämlich meint, nur das ausdrückliche Beten sei Gottesdienst, steht man unter der ständigen Forde­rung, die Gebetszeiten immer noch zu verlängern. Wenn unsere Beziehung zu Gott nur im ausdrücklichen Gebet gelebt würde, würden auch sieben Stunden am Tag nicht genügen. Man bliebe immer hinter dem eigentlich Geforderten zurück und könnte keinen Frieden finden.

     Immer wieder haben fromme Mitbrüder an Ignatius die Forderung gestellt, die Gebetszeiten im Orden zu verlängern. Einmal lässt Ignatius seinen Sekretär Polanco in einem ausführlichen Gutachten auf eine solche Forderung, für die sich der Betreffende sogar auf eine Offenbarung berief, antworten: „Es wäre gut, wenn er darauf schaute, dass Gott sich nicht nur dann des Menschen be­dient, wenn er betet. Denn wenn es so wäre, dann wären die Gebete zu kurz, wenn sie weniger als vierundzwanzig Stunden am Tag dauerten, wenn es mög­lich wäre; denn der ganze Mensch muss sich, so vollständig er kann, Gott ge­ben. Aber es verhält sich so, dass Gott sich anderer Dinge zuweilen mehr als des Gebets bedient, und so sehr, dass er sich um ihretwillen freut, wenn man das Gebet unterlässt, wie viel mehr, dass es abgekürzt wird. Es ist also ange­bracht, immer zu beten und nicht nachzulassen; aber indem man es gut versteht, wie die Heiligen und Gelehrten es verstehen.“ (27. Juli 1549) „Beten ohne Unterlass“ (1 Thess 5,17) bedeutet ja nichts anderes als aus der Vertrautheit mit Gott leben.




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