Letzte Aktualisierung:  18. September 2015, PK
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Peter Knauer SJ / Frankfurt am Main


»Der vom Vater und vom Sohn ausgeht« -

Zu einer ökumenischen Kontroverse 

Gedruckt in:
ThPh 76 (2001) 229-237.

Der folgende Text wurde demgegenüber um zwei Graphiken erweitert.

ZUSAMMENFASSUNG:
Unsere Gemeinschaft mit Gott besteht darin, in die gegenseitige Liebe des Vaters zum Sohn, die der Heilige Geist ist, aufgenommen zu sein. »Person« bedeutet Selbstpräsenz. Man kann von drei untereinander verschieden vermittelten Selbstpräsenzen, d. h. Relationen der einen göttlichen Wirklichkeit auf sich selbst sprechen. Da der Heilige Geist die gegenseitige Liebe zwischen Vater und Sohn ist, geht er von beiden gemeinsam aus. Aber da der Sohn alles, was er ist oder hat, allein vom Vater hat, hat er auch dies vom Vater allein, Mitursprung des Heiligen Geistes zu sein. Deshalb ist der Vater der alleinige Letztursprung des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist geht so vom Vater aus und zugleich vom Vater durch den Sohn.

Im Glauben an den dreifaltigen Gott, den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist, geht es wie in überhaupt allen Glaubensaussagen letztlich darum, wie man sich selber vor Gott zu verstehen hat. Denn in allen Glaubensaussagen geht es um etwas, das »für uns Menschen und um unseres Heiles willen« offenbart worden ist. Wollte man Glaubensaussagen abgesehen davon auszulegen versuchen, würde man sie nicht in ihrem wirklichen Sinn erfassen.

An Jesus Christus als den Sohn Gottes glauben bedeutet, aufgrund seines Wortes sich selber und die ganze Schöpfung vom Vater mit der Liebe geliebt zu wissen, mit der er von Ewigkeit her ihm als seinem eigenen Gegenüber zugewandt ist. Diese Liebe ist der Heilige Geist.

Eine Gemeinschaft des Menschen mit Gott lässt sich nur so aussagen, dass wir in eine ewige Liebe von Gott zu Gott, vom Vater zum Sohn aufgenommen sind, die der Heilige Geist ist. Dies ist der Gegensatz zu der Meinung, die bloße Tatsache unseres Geschaffenseins reiche bereits aus, um mit Gott Gemeinschaft haben zu können. Gott sei ja allmächtig und brauche nur eine Beziehung zu uns aufzunehmen. Der konstituierende Terminus dieser Beziehung wäre dann die Welt. Diese Meinung, Gottes Liebe könne von irdischen Bedingungen abhängig sein, liefe jedoch darauf hinaus, das eigene Geschaffensein aus dem Nichts nicht anzuerkennen. Man würde Gott damit als Systembestandteil eines übergreifenden Ganzen verstehen und dadurch mit einem Stück Welt verwechseln. Die Welt kann aber nicht konstitutierender Terminus einer realen Relation Gottes auf sie sein, dann damit ginge sie nicht mehr darin auf, aus dem Nichts geschaffen zu sein.

Es geht im Glauben um eine Gemeinschaft mit Gott als dem in allem Mächtigen, die gerade deshalb ein letztes Geborgensein im Leben und im Sterben bedeutet, weil sie nicht von irdischen Bedingungen abhängig ist. Diese Gemeinschaft mit Gott erlöst den Menschen aus der Macht der mit seiner Verwundbarkeit und Vergänglichkeit mitgegebenen Sorge um sich selbst, die sonst, wenn sie das letzte Wort hat, die Wurzel aller Unmenschlichkeit und alles Bösen ist.

Gegenstand des Glaubens ist allein die Gemeinschaft mit Gott, unser Anteilhaben am Verhältnis Jesu zum Vater. Gegenstand der Vernunft dagegen ist alles von Gott Verschiedene, unsere ganze weite Welt, einschließlich ihres Geschaffenseins. Denn geschaffen sind wir in genau dem Maß, in dem uns Sein kommt. Nichts kann geglaubt werden, was einer ihre Autonomie wahrenden Vernunft widerspricht, aber gleichwohl kann nichts am Glauben auf die Vernunft zurückgeführt werden.
 

1) Unser Geschaffensein aus dem Nichts

Dass die Welt »aus dem Nichts geschaffen« ist, bedeutet nicht nur, dass vor ihrem Zustandekommen durch Gottes Schöpfung nichts anderes existierte. Der Begriff muss viel radikaler gefasst werden. Er besagt, dass die Welt heute in allem, worin sie sich vom Nichts unterscheidet, nichts als ein »restloses Bezogensein auf .../ in restloser Verschiedenheit von ...« ist. Dies heißt aber, dass »Aus dem Nichts Geschaffensein« eine einseitige reale Relation ist(1). Wir begreifen deshalb von Gott immer nur das von ihm Verschiedene, das ganz und gar auf ihn verweist. Gott ist zu definieren als »ohne wen nichts ist«. Aber es entsteht dann die Frage, wie man dann noch von »Wort Gottes« und gar von Gemeinschaft mit Gott sprechen kann. Darauf antwortet erst die christliche Botschaft selber durch ihren Inhalt, und zwar durch ihre Lehre von der Dreifaltigkeit Gottes, der Menschwerdung des Sohnes und der Sendung des Heiligen Geistes in unsere Herzen.

2) Das Glaubensgeheimnis der Dreifaltigkeit

Dass nach der christlichen Botschaft Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist ist, ein einziger Gott in drei voneinander unterschiedenen Personen, wird herkömmlich als »Glaubensgeheimnis im striktesten Sinn« bezeichnet. Ein Glaubensgeheimnis ist aber nicht ein logisches Rätsel. Das kann es schon deshalb nicht sein, weil der Anspruch, die christliche Botschaft sei »Gottes Wort«, impliziert, dass Gott in dem, was er uns durch seinen menschgewordenen Sohn sagt, verstanden werden und unser Herz überzeugen will.

Vielmehr handelt es sich bei einem Glaubensgeheimnis um eine Wahrheit, die man erstens nicht an der Welt ablesen kann, die deshalb zweitens nur durch ein zur Wirklichkeit der Welt hinzugesagtes Wort offenbar werden kann und die drittens als wahr nur im Glauben selbst als dem Erfülltsein vom Heiligen Geist erkannt werden kann. So bleibt der Geheimnischarakter der christlichen Botschaft voll gewahrt. Aber all dies hat nichts mit logischen Schwierigkeiten zu tun.

Nun gilt es gleichwohl als schwer verständlich, wie man von ein und demselben Gott aussagen kann, dass er als drei voneinander unterschiedene Personen existiert. In der Theologiegeschichte ist es bisher nur entweder gelungen, die Verschiedenheit der Personen verständlich zu machen oder aber die Einzigkeit des Gottseins. Aber wie beides miteinander zu vereinbaren ist, hat noch keine allgemein anerkannte Erläuterung gefunden.

Dies liegt an einem die abendländische Theologie weithin charakterisierenden Vorverständnis, das man als Substanzontologie bezeichnen könnte. Substanzontologie geht davon aus, dass die grundlegende Seinskategorie die Substanz ist und dass von Relation nur in einem nachgeordneten Sinn die Rede sein kann. Aber dieses Vorverständnis wird durch die christliche Botschaft selbst und bereits durch die Lehre von unserem Aus-dem-Nichts-Geschaffensein letztlich völlig in Frage gestellt.

Die christliche Botschaft erfordert zu ihrem Verständnis eine relationale Ontologie. Für sie ist die grundlegende Seinskategorie die einer substanzkonstituierenden Relation. Die Eigenwirklichkeit der Welt kommt durch ihre Geschöpflichkeit zustande, durch ihr »restloses Bezogensein auf ... / in restloser Verschiedenheit von ...«. Aus-dem-Nichts-Geschaffensein müsste deshalb als eine »subsistente Relation« bezeichnet werden. Die Welt ist mit ihrem Geschaffensein und damit mit ihrem »restlosen Bezogensein auf ... / in restloser Verschiedenheit von ...« völlig identisch. Dabei bedeutet das Wort »restlos« die jeweilige konkrete Einzelwirklichkeit, die man vorfindet und nicht etwa aus irgendeinem anderen Prinzip deduzieren kann. Die Welt wird deshalb auch nicht durch Gott erklärt, sondern durch ihre Geschöpflichkeit, die ja gerade nicht Gott, sondern das von Gott Verschiedene ist, das auf ihn verweist.

Mit dem Gesagten wird natürlich nicht bestritten, dass es dann auch der Substanz nachgeordnete Relationen gibt, nämlich alle innerweltlichen Verhältnisse von substantiellen Wirklichkeiten zueinander.

Der Relationsbegriff »(restlos) bezogen auf ... / (restlos) verschieden von ...« kennzeichnet die geschaffene Wirklichkeit und lässt sich deshalb nicht auf die Trinitätstheologie übertragen. Vielleicht wird man jedoch in der Trinitätstheologie einen Relationsbegriff anwenden dürfen, in dem es um ein »Bezogensein auf ... / ohne Verschiedenheit von ...« geht, nämlich um Selbstpräsenz, die Relation einer Wirklichkeit zu sich selber.

Dies legt in der Tat bereits der Personbegriff nahe, den wir aus unserer eigenen Erfahrung gewinnen. Person wird durch die Fähigkeit zur Selbstpräsenz und damit zu Selbstbewusstsein und Selbstverfügung begründet. Diese Fähigkeit zur Selbstpräsenz kann man als eine Grundselbstpräsenz bezeichnen, eine Beziehung einer Wirklichkeit auf sich selber(2). Sie findet im aktuellen Selbstbewusstsein und in aktueller Selbstverfügung ihren Ausdruck, besteht aber latent im voraus dazu. Der Mensch bleibt Person auch in Zeiten des Schlafes oder der Bewusstlosigkeit.
   

3) Die drei göttlichen Personen als drei Weisen göttlicher Selbstpräsenz

Die christliche Botschaft spricht von dem einen Gott »als Vater, als Sohn und als Heiliger Geist« und damit als von dem einen Gott »in drei Personen«. Der aus menschlicher Erfahrung gewonnene Personbegriff wird hier analog in bezug auf Gott angewandt. Dies legt das Konzil von Florenz mit den folgenden Worten aus:
»Alles, was der Vater ist oder hat, hat er nicht von einem anderen, sondern aus sich; und er ist Ursprung ohne Ursprung. Alles, was der Sohn ist oder hat, hat er vom Vater; und er ist Ursprung von einem Ursprung her. Alles, was der Heilige Geist ist oder hat, hat er zugleich vom Vater und vom Sohn; aber der Vater und der Sohn sind nicht zwei Ursprünge des Heiligen Geistes, sondern ein einziger Ursprung, so wie der Vater und der Sohn und der Heilige Geist nicht drei Ursprünge der Schöpfung sind, sondern ein einziger Ursprung.«(3)
So »sind diese drei Personen ein einziger Gott und nicht drei Götter; denn die drei besitzen eine einzige Wirklichkeit, eine einzige Wesenheit, eine einzige Natur, eine einzige Gottheit, eine einzige Unermesslichkeit, eine einzige Ewigkeit, und alles ist eins, wo dem nicht ein Gegensatz im Bezogensein entgegensteht [ubi non obviat relationis oppositio].«(4)
Man könnte diese Erläuterung in der folgenden Weise entfalten(5):

Der Vater ist eine erste göttliche Selbstpräsenz, der keine andere vorausgeht (in diesem Sinn ist er »ohne Ursprung«): Relation der einen Wirklichkeit Gottes auf sich selbst. (Man kann dies als einen von einem Ausgangspunkt ausgehenden und zu ihm zurückkehrenden Kreis darstellen. Mit einer Uhr mit 12 Ziffern verglichen, beginnt der Kreis bei der 2, geht von dort im Uhrzeigersinn weiter und kehrt zu diesem Ausgangspunkt zurück. Der Ausgangspunkt symbolisiert die eine Wirklichkeit Gottes.)

Der Sohn ist eine zweite göttliche Selbstpräsenz, welche die erste - die wir den Vater nennen - voraussetzt und von ihr vermittelt wird. (Diese zweite Relation göttlicher Selbstpräsenz kann wie eine Linie dargestellt werden, die vom gleichen Ausgangspunkt wie der erste Kreis ausgehend zunächst dem ersten Kreis im Uhrzeigersinn bis zur 4 folgt, dann aber von dieser Stelle aus nach rechts in einen unvollständigen Kreis mit gleichem Radius wie der erste übergeht, der zum selben Ausgangspunkt bei der 2 des ersten Kreises zurückkehrt, von dem auch dieser ausging. Die Linie geht also auch hier vom selben Ausgangspunkt aus und kehrt zu ihm zurück.)

Der Heilige Geist ist als die Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn die dritte göttliche Selbstpräsenz; diese dritte göttliche Selbstpräsenz ist durch die erste und die zweite vermittelt. (Vom selben Ausgangspunkt wie die beiden vorangehenden Kreise folgt diese Linie zuerst dem ersten Kreis gegen den Uhrzeigersinn bis zur Höhe der 12, dort geht sie nach oben in einen unvollständigen Kreis mit gleichem Radius wie die beiden anderen über, der bis zu der Stelle der 12 des zweiten Kreises geht; von dieser Stelle aus folgt die Linie dem zweiten Kreis wieder zurück bis zu dem gemeinsamen Ausgangspunkt aller drei Kreislinien bei der 2 des ersten Kreises.)

Es gilt: der Vater ist Selbstpräsenz Gottes. Der Sohn ist Selbstpräsenz Gottes. Der Heilige Geist ist Selbstpräsenz Gottes. Der Vater ist als Selbstpräsenz Gottes Gott, aber er ist nicht der Sohn und nicht der Heilige Geist. Der Sohn ist als Selbstpräsenz desselben Gottes derselbe Gott, aber er ist nicht der Vater und nicht der Heilige Geist. Der Heilige Geist ist als Selbstpräsenz desselben Gottes derselbe Gott wie der Vater und der Sohn, und doch ist er selbst nicht der Vater und auch nicht der Sohn. (Dass der zweite und dritte Kreis in dem Sinn unvollständige Kreise bilden, dass sie in Linien übergehen, die mit Strecken des ersten bzw. auch des zweiten Kreises zusammenfallen, ist Ausdruck gegenseitiger Implikation und Durchdringung, was die Theologie als Perichorese bezeichnet.)

Das Verhältnis der drei Personen zueinander kann auch mit der Folge der Personworte »ich«, »du« und »wir« verglichen werden. Das Wort »ich« ist anfanghaft bereits für sich allein verständlich. Das Wort »du« setzt zu seinem Verständnis das Wort »ich« voraus«. Das Wort »wir« ist nicht die Mehrzahl von »ich«, sondern die Gemeinsamkeit von »ich« und »du«. Erst im »wir« sind auch »ich« und »du« voll erkannt. Trotz dieser Reihenfolge bestehen »ich«, »du« und »wir« zugleich.

In der so veranschaulichten Darstellung der Aussage des Konzils von Florenz sind die eigentlichen trinitarischen Relationen die drei untereinander verschiedenen Weisen der Selbstpräsenz der einen göttlichen Wirklichkeit. Die drei Personen sind drei voneinander verschiedene Relationen der einen göttlichen Wirklichkeit auf sich selbst. Der Personbegriff ist hier nicht ein übergeordneter Allgemeinbegriff, sondern die drei Weisen der göttlichen Selbstpräsenz unterscheiden sich gerade dadurch voneinander, dass die erste unvermittelt ist, die zweite durch die erste vermittelt ist und die dritte durch die erste und zweite zugleich vermittelt ist.

Es wird aber auch verständlich, dass die in der herkömmlichen Trinitätstheologie sogenannten innertrinitarischen Relationen nur in einem uneigentlichen Sinn als »Relationen« bezeichnet werden können. Es handelt sich um die »Verhältnisbestimmungen« zwischen den Relationen im eigentlichen Sinn, den drei verschiedenen Weisen der göttlichen Selbstpräsenz. Es lassen sich so vier Verhältnisse bestimmen: der Vater ist Ursprung (generare) des Sohnes, und der Sohn ist von diesem Ursprung her (generari); Vater und Sohn sind zugleich Ursprung (spirare) des Heiligen Geistes, und der Heilige Geist kommt von beiden als seinem einem Ursprung her (spirari).
Die Tatsache, dass der Vater selber ohne Ursprung (ingenitus) ist, wird jetzt als sein Proprium erkennbar, obwohl es sich dabei nicht formell um eine Relation zu einer anderen Person handelt. Aber es handelt sich um eine Bestimmung der ersten Relation göttlicher Selbstpräsenz und in diesem Sinn durchaus um einen relationalen Sachverhalt. Wenn im übrigen bereits im Alten Testament von Gott als Person die Rede ist, ist diese erste Person gemeint, insofern ihr keine andere vorausgeht; aber es ist noch nicht offenbar, dass die zweite und die dritte Person von ihr ausgehen(6).

Die scholastische Theologie stellte deshalb, weil in Gott »alles eins ist, wo dem nicht ein Gegensatz im Bezogensein entgegensteht [ubi non obviat relationis oppositio(7), den Satz auf, dass Gottes Relationen »nach außen«, nämlich zur Schöpfung, den Personen gemeinsam sind, insofern ja Gott ein einziger Ursprung des Geschaffenen sei [»relationes Dei ad extra communes sunt«]. Das Handeln Gottes gegenüber der Schöpfung könne daher nicht unmittelbar den einzelnen göttlichen Personen zugeschrieben werden. Deshalb könne auch die Einwohnung der einzelnen Personen im Glaubenden nur »impropie«, in einem uneigentlichen Sinn verstanden werden.

In Wirklichkeit geht es aber in Gottes Selbstmitteilung an seine Schöpfung nicht um ein Handeln nach außen, sondern um ein Aufgenommensein der Welt in die innergöttliche Liebe, die der Heilige Geist ist, »ad intra Dei«(8).
 

4) Die Aussagen über den Heiligen Geist in der Ewigkeit

Im Glaubensbekenntnis des I. Konzils von Konstantinopel (381) hatte es nur geheißen, dass der Heilige Geist »vom Vater ausgeht und mit dem Vater und dem Sohn mitangebetet und mitverherrlicht wird« (DH 150). Im Gefolge insbesondere der Trinitätstheologie von Augustinus wurde im Westen erläutert, der Heilige Geist »gehe vom Vater und vom Sohn aus«, und diese Formulierung wurde an verschiedenen Orten später auch in das genannte Glaubensbekenntnis eingefügt (so bereits in den Akten der dritten Synode von Toledo 589 - wenn nicht nachträglich ergänzt - und in den Akten der 4. Synode von Braga 675). Noch Papst Leo III. weigerte sich im Jahre 809, diese Hinzufügung für die ganze Kirche verbindlich zu machen, da dies einen Eingriff in den überlieferten Text darstelle.

Der berühmte Hymnus »Veni Creator Spiritus« ist, wahrscheinlich von Rhabanus Maurus, Erzbischof von Mainz im 9. Jahrhundert, um seiner vorletzten Strophe willen gedichtet worden, nämlich um den Heiligen Geist als vom Vater und vom Sohn ausgehend darzustellen und dieses Verständnis zu verbreiten:

Per te sciamus da Patrem,
noscamus atque Filium,
teque utriusque Spiritum
credamus omnis tempore.
Heinrich II. erlangte im Jahr 1014 von Papst Benedikt III. die Erlaubnis, bei seiner Krönung das Glaubensbekenntnis mit dem »filioque« singen zu lassen. Später wurde die Hinzufügung vom II. Konzil von Lyon 1274 und vom Konzil von Florenz 1439 gebilligt.

Seit dem 9. Jhdt. bis heute stellt die an sich nicht so sehr aus inhaltlichen, sondern aus rechtlichen Gründen problematische Hinzufügung des »filioque« einen fundamentalen Streitpunkt zwischen Lateinern und Griechen dar. Seit Patriarch Photius ist der inhaltliche Haupteinwand, dass durch das »filioque« die ursprunglose Ursprunghaftigkeit des Vaters verwischt werde. Außerdem werde der Unterschied zwischen deem Hervorgang des Heiligen Geistes von Ewigkeit her und seiner Sendung in die Zeit verwischt. Anstatt die Hinzufügung des »filioque« zu dulden, formulierte er, dass der Heilige Geist »vom Vater allein ausgehe«(9).Bei der 1500-Jahrfeier des I. Konzils von Konstantinopel am Pfingstfest 1981 wurde auf Anordnung von Papst Johannes Paul II. in der Peterskirche in Rom das Glaubensbekenntnis ohne die Hinzufügung gesungen. Auch in der römischen Erklärung »Dominus Jesus« vom 6. August 2000 wird das Glaubensbekenntnis ohne den Zusatz »filioque« zitiert (n. 1,2).

Unsere obige Deutung kann jedoch wenigstens die inhaltlichen Bedenken gegen das »filioque«, die von orthodoxen Theologen noch heute erhoben werden(10), zerstreuen. Sie macht verständlich, dass man sechs verschiedene Formulierungen gebrauchen kann, die sich in dieser Deutung nicht mehr ausschließen, sondern gegenseitig zu ihrer Verständlichkeit beitragen.

Man kann erstens zusammen mit den Ostkirchen sagen: »Der Heilige Geist geht vom Vater allein aus«. Denn wenn der Sohn »alles, was er ist oder hat« vom Vater allein hat, dann hat er auch dies vom Vater allein, Mitursprung des Heiligen Geistes zu sein. In diesem Sinn ist der Vater tatsächlich der alleinige Letztursprung des Heiligen Geistes.

Zweitens kann man sagen: »Als die gegenseitige Liebe zwischen Vater und Sohn geht der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn aus, und zwar von beiden als einem einzigen Prinzip«. Denn als gegenseitige Liebe geht er nicht gleichsam zur Hälfte vom Vater und zur Hälfte vom Sohn aus, sondern von beiden ganz; deshalb sind Vater und Sohn ein einziger Ursprung des Heiligen Geistes.

Dann aber ist es drittens zulässig zu sagen: »Der Heilige Geist geht vom Vater aus«, ohne »allein« hinzufügen zu müssen. Denn als die gegenseitige Liebe zwischen Vater und Sohn geht er in der Tat vom Vater aus, aber auch vom Sohn.

Viertens kann man auch sagen: »Der Heilige Geist geht vom Sohn aus.« Denn als die gegenseitige Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn ist er ohne Zweifel auch die Liebe des Sohnes zum Vater.

Fünftens kann man sagen: »Der Heilige Geist geht vom Vater durch den Sohn aus.« Denn als gegenseitige Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn geht er, wie gesagt, auch vom Sohn aus; aber der Sohn verdankt es dem Vater, Mitursprung des Heiligen Geistes zu sein.

Sechstens kann man sagen: »Der Heilige Geist geht auf zweifache Weise vom Vater aus, zum einen unmittelbar vom Vater und zum anderen vom Vater durch den Sohn.« Denn als die Liebe des Vaters zum Sohn geht er ganz vom Vater aus; und als die Liebe des Sohnes zum Vater geht er auch ganz vom Sohn aus; aber als vom Sohn ausgehend geht er letztlich ebenfalls vom Vater als seinem Letztursprung, hier jedoch durch den Sohn aus. Dabei verdankt der Sohn es dem Vater allein, mit ihm zusammen Mitursprung des Heiligen Geistes zu sein.
 

5) Die Sendung des Heiligen Geistes in die Zeit

Im Glaubensbekenntnis ist vom Heiligen Geist vor allem im dritten Hauptteil die Rede. Aber schon zuvor wird er im zweiten Hauptteil bei der Menschwerdung des Sohnes erwähnt. Man kann sagen: In Maria offenbart sich der Heilige Geist als die Liebe, mit welcher der Vater den Sohn sendet(11). Und in der Kirche, um die es erst im dritten Hauptteil des Credo geht, erweist er sich sodann als die vom Sohn zum Vater zurückkehrende Liebe. Das Geheimnis der Kirche besteht darin, dass der Heilige Geist ein und derselbe in Christus und in den Christen ist.(12) Wie wir von der Menschwerdung des Sohnes sprechen, so könnte man von einer Kirchewerdung des Heiligen Geistes sprechen:
Die Kirche »ist in einer nicht unbedeutenden Analogie dem Geheimnis des fleischgewordenen Wortes ähnlich. Wie nämlich die angenommene Natur dem göttlichen Wort als lebendiges, ihm unlöslich geeintes Heilsorgan dient, so dient auf eine nicht unähnliche Weise das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt, zum Wachstum seines Leibes (vgl. Eph 4,16).«(13)
In diesem Sinn ist bereits in Gal 4,4.6 sowohl von der Sendung des Sohnes wie der des Heiligen Geistes die Rede.

Die Bedeutung des Heiligen Geistes für den Glauben erhellt in unüberbietbarer Weise aus 1 Kor 12,3: »Niemand kann sagen: Jesus ist Herr, außer im Heiligen Geist.« Die Glaubenserkenntnis wird hier als das Erfülltsein vom Heiligen Geist verstanden. Aber nur weil wir bereits »in Christus geschaffen« sind, also verborgen von vornherein in die Liebe des Vaters zum Sohn aufgenommen sind, können wir die Botschaft von dieser Gemeinschaft mit Gott in der ihr angemessenen Weise, nämlich im Heiligen Geist erkennen. Und wenn die Kirche lehrt, dass zwischen überhaupt allen an Jesus Christus im Sinn seiner Gottessohnschaft Glaubenden eine »wahre Verbindung im Heiligen Geist«(14) besteht, dann bedeutet dies, dass alle ökumenische Bemühung nur darin bestehen kann, eine bereits geschenkte Einheit ausdrücklich nachzuvollziehen. Die gleiche Kirche lehrt, dass »die Gesamtheit der Glaubenden im Glauben nicht irren kann«(15). Dies ist darauf zurückzuführen, dass als Glaubensaussagen im Sinn der Selbstmitteilung Gottes verstehbare Aussagen notwendig »aus sich« wahr sind(16). Im übrigen schreibt das Konzil auch nicht katholischen Christen diesen aus sich selbst verlässlichen Glauben zu(17). Es gibt keine tiefere Gemeinschaft und Einheit als die, bei der der Heilige Geist selbst das einende Band(18) ist.  

Zur Inhaltsübersicht

1 Vgl. Thomas v. Aquin, S. th. I, q13 a7: »Weil also Gott außerhalb der gesamten Ordnung des Geschaffenen ist und alle Geschöpfe auf ihn hingeordnet sind und nicht umgekehrt, so ist klar, dass es in Gott keine reale Relation zu den Geschöpfen gibt, sondern nur eine begriffliche, insofern die Geschöpfe sich auf ihn beziehen.«

2 Vgl. Johannes B. Lotz, Person und Ontologie, in: Schol 38 (1963) 334-360.

3 Konzil von Florenz, Dekret für die Jakobiten (1442), DH 1331.

4 Ebd., DH 1330.

[5 Leider werden in ThPh keine graphischen Darstellungen angenommen. Für eine graphische Darstellung sei auf Peter Knauer, Unseren Glauben verstehen, Würzburg 1995, S. 41, oder auf die dritte Graphik in <http://www.st-georgen.uni-frankfurt.de/knauer5.htm> hingewiesen.]

6 Vgl. Karl Rahner, Theos im Neuen Testament, in: ders., Schriften zur Theologie I, Einsiedeln-Zürich-Köln 1958, 91-167.

7 Vgl. Anm. 3.

8 Auf den Einwand der scholastischen Theologie ist mit Gérard Philips, Le Saint Esprit en nous, in: EThL 24 (1948) 134, zu antworten: »Es werden dies für die göttlichen Personen keine bloßen Relationen nach außen sein, denn die Gnade läßt uns zugleich wirklich ad intra Dei [in das Innen Gottes] eintreten. Genau dies ist der Unterschied zwischen der rein natürlichen Ordnung und der Erhöhung, die uns mit Gott verbindet, wie er in sich selbst ist

9 Vgl. bereits die Überschrift seiner »Darlegung über die Mystagogie des Heiligen Geistes; Wie vom Sohn in der Heiligen Schrift gesagt wird, dass er aus dem Vater allein hervorgeht, so sagt sie auch, dass der Heilige Geist aus dem alleinigen und selben Urheber hervorgeht, jedoch Geist des Sohnes genannt wird, weil er mit ihm gleichen Wesens ist und von ihm gesandt wird« (PG 102,279).

10 Am leichtesten zugänglich ist Information darüber in den folgenden neueren Werken: Vom Heiligen Geist - Der gemeinsame trinitarische Glaube und das Problem des Filioque - Pro Oriente-Studientagung über das Römische Dokument »Die Griechische und die Lateinische Überlieferung über den Ausgang des Heiligen Geistes. Eine Klarstellung in Verantwortung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen«, Wien, 15.- 17. Mai 1998, hgg. im Auftr. der Stiftung Pro Oriente von A. Stirnimann und G. Wilflinger, Innsbruck 1999. - Ferner B. Oberdorfer, Filioque: Geschichte und Theologie eines ökumenischen Problems, Göttingen 2001.

11 Dem entspricht es, wenn Maria in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche, n. 62,1 mit den Titeln »Fürsprecherin, Helferin, Beistand, Mittlerin« angerufen wird. Dies sind allesamt Übersetzungen des Wortes PARAKLHTOS, mit dem die Kirche ursprünglich den Heiligen Geist anruft.

12 Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, n. 7,7: »unus et idem in Capite et in membris«.

13 Ebd. n. 8,1.

14 Vgl. ebd., n. 15.

15 Ebd., n. 12,1.

16 Vgl. Peter Knauer, Nicht unfehlbare Glaubenslehre, aber doch definitive kirchliche Lehre, in: ZKT 122 (2000) 60-74, vor allem 61-67.

17 Vgl. II. Vatikanum, Dekret über den Ökumenismus, n. 3,1.

18 Vgl. ebd., n. 7,3.
 


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