Letzte Aktualisierung:  22. April 2012, PK
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Peter Knauer SJ


THESEN DER FUNDAMENTALTHEOLOGIE


1. Die der natürlichen Vernunft zugängliche Voraussetzung des Glaubens und der Theologie ist das Konfrontiertsein mit der christlichen Botschaft. Sie beansprucht, »Wort Gottes« zu sein und diejenige Angst des Menschen um sich selbst zu entmachten, die ihn sonst immer wieder unmenschlich werden lässt. Die durch dieses Wort zusammengeführte Gemeinschaft der Glaubenden lädt in ihrem Zeugnis dazu ein, sich ohne Ansehen der Person mit dem Anspruch der christlichen Botschaft auseinanderzusetzen.

2. Wer sich auf »Wort Gottes« beruft, muss zuerst darüber Rechenschaft geben, wer »Gott« ist. Der in sich selbst unbegreifliche Gott wird allein aus der Welt als dem von ihm restlos Verschiedenem, das restlos im Bezogensein auf ihn aufgeht, erkannt. Doch lässt sich aus dieser natürlichen Gotteserkenntnis der Vernunft eine Gemeinschaft mit Gott nicht begründen, sondern muss zunächst eher als unmöglich erscheinen, weil die Welt nicht der konstitutive Terminus einer realen Relation Gottes auf sie sein kann.

3. Erst der Inhalt der christlichen Botschaft erläutert, wie allein ihr Anspruch, »Wort Gottes« zu sein, mit der Absolutheit und Transzendenz Gottes zu vereinbaren ist und sie tatsächlich als »Wort Gottes« verstanden werden kann: Gott ist der Welt mit einer Liebe zugewandt, die an nichts Geschaffenem ihr Maß hat, sondern die ewige Liebe des Vaters zum Sohn ist; der Sohn ist Mensch geworden, um diese Liebe Gottes, die nicht am Geschaffenen ablesbar ist, im Wort, ­ also in mitmenschlicher Kommunikation, ­ mit seinem Leben zu bezeugen; die nur im Glauben mögliche Annahme dieses Wortes setzt als das nun offenbare Erfülltsein vom Heiligen Geist unser zunächst verborgenes Geschaffensein in Christus voraus.

4. Die Heilige Schrift ist als das ursprüngliche Zeugnis des Glaubens vom Heiligen Geist erfüllt und ist der Grund für die Geisterfülltheit jeglichen christlichen Zeugnisses. Dabei stellt das »Alte Testament« diejenige vom »Neuen Testament« her als Relativierung, Universalisierung und Erfüllung vollzogene Neuinterpretation der Schrift Israels dar, in der deren eigentlicher »Wort Gottes«-Charakter an den Tag kommt. Der Sinn der Heiligen Schrift ist die Kirche als das fortdauernde Geschehen der Weitergabe des Glaubens.

5. Dass der Glaube vom Hören kommt (Röm 10,17), ist in der gegenseitigen Zuordnung von Hören und Glauben Kriterium für die Reinerhaltung des Glaubens: Nichts kann geglaubt werden, wofür man nicht konstitutiv auf Hören angewiesen ist; keine andere Überlieferung kommt für den Glauben in Betracht, als eine solche, der man anders als im Glauben nicht gerecht werden kann. Dieses Kriterium begründet auch die notwendige Möglichkeit eines besonderen Lehramts innerhalb des gemeinsamen Lehramts der Kirche; denn es muss einen sichtbaren Ausdruck finden können, dass auch für alle zusammen der Glaube noch immer vom Hören kommt. Die Unfehlbarkeit des Glaubens der Kirche ist dadurch garantiert, dass als Glaubensaussagen im Sinn der Selbstmitteilung Gottes verstehbare Sätze, die dennoch falsch wären, nicht herstellbar sind.

6. Nach seinem Selbstverständnis ist der christliche Glaube nicht auf Vernunft zurückführbar; zugleich kann jedoch nichts geglaubt werden, was einer ihre Autonomie wahrenden Vernunft widerspricht. Die Vernunftgemäßheit des Glaubens ist also in der Weise geltend zu machen, dass alle Vernunfteinwände gegen ihn auf ihrem eigenen Feld beantwortet werden und so jede vom Glauben letztlich verschiedene Stellungnahme zur christlichen Botschaft als willkürlich erwiesen wird. Innerhalb des Glaubens dient die Vernunft dem Aufweis, dass alle einzelnen Glaubensaussagen die Entfaltung eines einzigen Grundgeheimnisses sind, nämlich unserer Gemeinschaft mit Gott.

7. Zur Erläuterung ihrer Vernunftgemäßheit beruft sich die christliche Botschaft auf »Wunder« und »Prophezeiungen«, die jedoch dem christlichen Glauben gemäß verstanden werden wollen. Unter einem »Wunder« versteht die Tradition ein sinnenhaftes Geschehen (»factum sensibile«), das durch reguläre oder irreguläre Weltereignisse in seiner Bedeutung weder begründet noch widerlegt werden kann (»extra cursum naturae«) und sich voll nur im Glauben und nur als Selbstmitteilung Gottes (»a Deo patratum«) verstehen lässt. Diese Definition des »Wunders« wird allein durch das Geschehen von Wort Gottes, Glaubensgemeinschaft und selbstloser Liebe erfüllt, so dass die Kirche selbst das eigentliche Zeichen der Glaubens-Würdigkeit ist. In der Verkündigung des als die Selbstmitteilung Gottes für die jeweilige Zeit verstehbaren Glaubens übt die Kirche ihr »prophetisches Amt« aus.


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