Letzte Aktualisierung:  16. April 2013, PK

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Peter Knauer SJ

K
leine und große Gesellschaft Jesu ­

Wie der Name des Ordens entstand, und was er bedeutet

 
Jesuiten schreiben hinter ihrem Namen gewöhnlich die beiden Buchstaben »S. J.«, die Abkürzung für Societatis Jesu (= von der Gesellschaft Jesu). Die spanische Bezeichnung für den Orden lautet Compañía de Jesús.

Was hat es mit diesem erstaunlichen Namen des Ordens auf sich?

Bereits zu Beginn seines Studiums 1523 hatte Ignatius in Barcelona und dann in Alcalá einige Gefährten (compañeros) für seinen Weg gewonnen; das Wort compañía (= Gefährtenschaft, Gemeinschaft) für die Gruppe begegnet in den Quellen zum ersten Mal im Jahr 1527 in Salamanca. Bleibende Freunde findet Ignatius jedoch erst in Paris. Sie legen 1534 auf dem Montmartre die Gelübde der Ehelosigkeit und der Armut ab. Sie verpflichten sich, nach ihrem Studium ins Heilige Land zu pilgern oder ­ falls dies nicht möglich sein sollte ­ sich dem Papst für Sendungen zur Verfügung zu stellen. Einen Orden zu gründen lag damals noch nicht in ihrer Absicht.

Im Jahr der geplanten Überfahrt nach Jerusalem gab es wegen türkischer Piraten auf dem Mittelmeer keine Schiffsgelegenheit. So bricht die Gruppe aus zehn jungen Leuten schließlich nach Rom auf. Auf dem Weg denken sie darüber nach, wie sie sich bezeichnen sollen, wenn man sie fragt. In einem späteren Bericht faßt Juan de Polanco, der mit Ignatius viele Jahre als Helfer und Sekretär zusammengearbeitet hat, das Ergebnis so zusammen: »Und angesichts dessen, daß sie untereinander kein Haupt hatten und keinen anderen Oberen als Jesus Christus, dem allein sie zu dienen wünschten, schien ihnen, sie sollten von demjenigen den Namen nehmen, den sie als Haupt hatten, und sich die Gesellschaft Jesu nennen.«

Erst in Rom selbst, als der Papst ihr Angebot annimmt und bereits einige von ihnen aussenden will, beschließt die Gruppe nach wochenlanger gemeinsamer Beratung, trotz dieses Verstreutwerdens um so mehr »als ein Leib« zusammenzuhalten und deshalb einen eigentlichen Orden zu bilden. Weil Gott selbst sie bisher zusammengeführt habe, wollen sie ihre Einheit mit allen Mitteln festhalten und bestärken.

Polanco berichtet, wie sehr Ignatius daran lag, auch den Orden als »die Gesellschaft Jesu« zu bezeichnen und diesen Namen unabänderlich zu machen. Das war in einer entscheidenden geistlichen Erfahrung begründet. Vielleicht am deutlichsten kommt sie im Bericht von der »Vision von La Storta« zum Ausdruck. In einem kleinen Kirchlein einige Kilometer vor Rom stand Ignatius vor Augen, »wie der Vater ihn zum Sohn stellte«; mit diesen knappen Worten beschreibt er das Geschehen in seinem späteren »Geistlichen Tagebuch«. Jerónimo Nadal, ein vertrauter Mitarbeiter von Ignatius, gibt ausführlicher wieder, was ihm Ignatius erzählt hat: »In der Zeit, als es um die Bestätigung der Gesellschaft Jesu ging und P. Ignatius [...] nach Rom kam, erschien ihm im Gebet in einer Schau Christus mit dem Kreuz; und indem Gott ihm P. Ignatius zum Dienst gegenüberstellte, sagte er: Ich werde mit euch sein; damit bedeutete er offenbar, daß Gott uns zu Gefährten Jesu erwählt habe.« Nadal vergleicht die Erfahrung von Ignatius mit der von Paulus, der die Kirche als eins mit Christus erfuhr: »Christus, der, von den Toten erstehend, nicht mehr stirbt, erleidet in seinen Gliedern noch immer und ständig das Kreuz, weshalb er zu Paulus sagt: Warum verfolgst du mich?«

Der Name des Ordens wurde von vielen zunächst mit Verwunderung oder gar mit Ärger aufgenommen. Die meisten anderen Orden bezeichnen sich nach dem Verfasser ihrer Regel: Augustiner, Benediktiner, Franziskaner. Man warf dem neuen Orden vor, sich voller Anmaßung über alle anderen zu Jesus zu erheben. Diego Laínez, einer der zehn Mitbegründer der Gesellschaft Jesu, antwortete darauf: Bereits im Neuen Testament stehe, daß »der Vater uns zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn, berufen hat« (1 Kor 1,9) und daß »unsere Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn ist« (1 Joh 1,3). An beiden Stellen steht in der lateinischen Bibelübersetzung für »Gemeinschaft« societas.

Diese Begründung des Namens »Societas Jesu ­ Gesellschaft Jesu« aus dem Neuen Testament bezieht sich dort jedoch auf alle an Jesus Christus Glaubenden. Deshalb ist der Name »Gesellschaft Jesu« nicht nur ein Ordensname, sondern zugleich Programm zum Verständnis des Christseins.

Für Ignatius waren viele Jahre des Suchens vorangegangen. Als junger Offizier war er 1521 bei der Verteidigung der Festung von Pamplona gegen die Franzosen lebensgefährlich verwundet worden. Auf seinem langen Krankenlager begann er aufgrund der Lektüre einiger frommer Bücher, sich intensiv dem Glauben zuzuwenden, und faßte den Plan lebenslanger Buße. Er beschloß zunächst eine Pilgerfahrt nach Jerusalem; auf dem Weg dorthin kam es zu einem längeren Aufenthalt in dem katalanischen Städtchen Manresa. Ignatius dehnte dort seine Gebetszeiten immer mehr aus und wollte durch asketische Großtaten Gottes Gnade erlangen; er überforderte jedoch seine Gesundheit und geriet darüber hinaus in schwere Skrupel, aus denen ihm kein Mensch herauszuhelfen wußte.

Später berichtet er, daß Gott ihn dann wie einen Schüler einen ganz anderen Weg geführt habe. Er erkannte, daß man sich nicht mühsam Gottes Gnade erkämpfen muß. Gott ist in Jesus Christus längst zu uns Menschen gekommen. Deshalb müssen wir seine Gnade nicht erringen, sondern können von ihr ausgehen. Mit diesem Verständnis glaubte Ignatius, nunmehr auch anderen Menschen die Hilfe bieten zu können, die er selber so sehr hatte vermissen müssen.

Christsein ­ - so lernen wir von Ignatius ­ - bedeutet in diesem neuen Verständnis, sich in Gottes Liebe geborgen zu wissen und für alles andere davon auszugehen. Wir brauchen nicht mehr aus der Angst um uns selber zu leben und werden fähig, uns für andere zu öffnen und ihnen liebevoll zu begegnen. Im Glauben werden wir von Jesus her gewiß, daß Gott uns mit der Liebe annimmt, in der er von Ewigkeit her ihm als seinem eigenen Sohn zugewandt ist. Weil diese Liebe Gottes ihr Maß nicht an uns, sondern am Sohn hat, können wir uns im Leben und Sterben auf sie verlassen.

Genau darum geht es auch im Namen der »Gesellschaft Jesu«.

Ignatius und seine Gefährten meinten »Gesellschaft Jesu« in einem präzisen Sinn als Gefährtenschaft mit Jesus selbst. Es geht nicht nur um eine Gesellschaft »vom Namen Jesu«. Christsein überhaupt ist als unmittelbare Gemeinschaft mit Jesus zu verstehen, und zwar nicht nur als eine Art Freundschaft mit Jesus als Mensch, sondern wir haben Anteil an seinem Verhältnis zum Vater. An Jesus als den Sohn Gottes glauben bedeutet: Sich zusammen mit ihm und um seinetwillen von Gott geliebt wissen, und zwar mit der Liebe, die der Heilige Geist ist. Wir stehen zusammen mit ihm vor Gott. Alle Christen sind dazu gerufen weiterzusagen, daß Gott »in Christus die Welt mit sich versöhnt hat« (2 Kor 5,19).

Im Ordensnamen der Gesellschaft Jesu drückt sich die Berufung aus, für dieses für alle Christen befreiende Verständnis des Glaubens zu werben. Die Gesellschaft Jesu ist keine »geschlossene«, sondern eine »offene« Gesellschaft. Sie meint mit ihrem Namen etwas, was alle Christen angeht und was eine entscheidende Hilfe zum Verständnis ihres Christseins und ihres Glaubens sein kann.

Tatsächlich haben die ersten Gefährten den Namen so verstanden. Zum Beispiel hat Peter Faber, ein anderer der zehn Mitbegründer des Ordens, in Parma eine Bruderschaft aufgebaut, die nicht zu dem Orden gehörte, sich aber ebenfalls offiziell »La Compagnía del Giesù« nannte.

Der Orden als kleine Gemeinschaft hat zum Ziel, dem Heil der großen Gemeinschaft der Menschen durch die Verkündigung eines Glaubensverständnisses zu dienen, in dem alle sich als »Gesellschaft Jesu« verstehen. Diese Gemeinschaft mit Gott umfaßt das ganze Leben und ist der Ausgangspunkt für alles Tun. Deshalb dient ein Christ in allem, was er aus Glauben und deshalb mit liebevollem Herzen tut, der Verherrlichung Gottes. Es handelt sich um den Kontrast zu der Vorstellung, daß das geistliche Leben nur einen Teil des Lebens ausmacht, der möglichst auszuweiten ist und der doch nie genug ausgeweitet sein wird. Ignatius lehrt das Gegenteil: Das ausdrückliche Beten ist nicht heiliger als das übrige Leben, sondern ist notwendig, damit es bei der Heiligung des ganzen Lebens bleibt. Dann kann man »Gott unseren Herrn in allem finden« und sich in jeder Tätigkeit »Gottes freuen«.

Jede vernünftige und liebevolle Tätigkeit geschieht zur Ehre Gottes. Die Werke sind nicht dazu nötig, Gottes Gnade zu erlangen, sondern sie erwachsen aus seiner Gnade und dienen dem Ziel, für das allein sie tatsächlich gut sind: dem Wohl der Menschen. Der Weg des Glaubens nimmt Gott zum Ausgangspunkt und nur noch in dem Sinn auch zum Zielpunkt, daß man sich diese Einsicht immer tiefer zu eigen macht: Das gute Handeln, die liebevolle Zuwendung zur Welt, ist nicht mehr Mittel zum Zweck, sondern geht aus der Gemeinschaft mit Gott hervor und ist Ziel des Lebens. »Gottes Geschöpfe sind wir, in Christus Jesus dazu geschaffen, in unserem Leben die guten Werke zu tun, die Gott für uns im voraus bereitet hat« (Eph 2,10).
 


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